Freitag, 14. Juni 2013

Ein Lächeln



Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis (16. Juni 2013)

Lukas, 15, 1-10
Es nahten sich Jesus aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören.  Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er "eins" von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über "einen" Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und "einen" davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

Ein Lächeln
Ein sanftes Lächeln liegt auf dem Gesicht von Jesu, auf Gottes Gesicht. Ein tiefes Lächeln, angestrengt, erschöpft, beseelt, glücklich: Verlorenes wieder gefunden. Dich, ja dich, wieder gefunden, im Gestrüpp, im Dickicht, verlaufen, verlebt, verloren. Gefunden.

Gott sucht dich
Gott hat dich gesucht. Gott sucht. Er zählt täglich, stündlich ab die Menschenkinder und schaut, dass keines von ihnen fehlt, verloren geht. Er hat sie im Blick, die Menschenschar, die alten und die jungen, die selbstbewussten und die kleingemachten, die Sünder, die Verunsicherten, die Abgedrängten, wie sie alle ihr Leben leben, ihre Wege gehen. Es bleibt ihm nicht verborgen, wenn einer droht verloren zu gehen, rauszufallen aus dem Heil, dem Kosmos seiner Liebe. Er kennt doch jeden bei Namen und mit seiner eigenen Geschichte, dich und mich.
Er geht den Verlorenen nach, mit Fleiß und Mühe. Ihn treibt seine Liebe. Er zündet Licht um Licht an im Dunkel von Angst, Seelenacht, von Frage und Verlorenheit. Er kehrt den Dreck weg, den Dreck, den Sünde macht, den Menschen hinterlassen, der uns stolpern, uns verkommt und verlieren lässt. Er tastet und sucht ab, bis alles ausgeleuchtet, bis alles gekehrt, bis alles durchsucht, bis jeder Schuldstein umgedreht, an jeder Lebensecke geschaut, bis er sich hineingegraben hat in unser arg zerfurchtes Leben, bis er uns sieht, von seinem Angesicht zu unserem, sorgenvoll und von der Zeit der Suche gekennzeichnet, bis er uns dort gefunden, wo wir uns verloren haben.
Bis jener seltsam verschachtelte, liebevolles Satz in unsere Seele fällt: Du bist der, von dem jemand sagt, ich habe dich verloren. Du bist der, von dem Gott sagt, Mensch, ich habe dich ja verloren, und jetzt wiedergefunden.

Gott berührt mich
Und mit jenem Satz bückt sich Gott, kniet er sich nieder auf unsere Erde, so wie der barmherzige Samariter zu dem anderen, um aufzuheben, wie die Frau die Münze aufzuheben, der Hirte das Schaf, wie Jesus, der kein eigenes Haus hatte, kein Tisch sein eigen nannte und doch an so viele sich setze, er selbst, Gott in Menschgestalt einkehrte bei denen, die im eignen Haus verloren waren und sich an ihren Tisch setze, um mit ihnen ihren Tisch, ihr Brot, ihre Zeit, Sorgen, Sünde und Leben zu teilen.
Jesus muss in diesem Moment die Menschen berührt haben, so wie die Frau die Münze, der Hirte das Schaf, Gott die Verlorenen. Er hebt auf aus dem Schmutz, aus der Verlorenheit, und legt sich das fast verwirkte Leben auf die Schulter; nichts muss man tun, nicht mal herauskriechen. Gott hebt einen auf und trägt mich zu sich nachhause, zurück, legt mich und mein Leben zurück an die richtige Stelle bei ihm, zu den anderen, die auch hätten verloren gehen können.
Ein Lächeln schweißgefärbt von der Suche muss in diesem Moment ihn zeichnen. Am Tisch nimmt Jesus Platz, neben uns, er isst mit uns Sündern, Verlorenen, und wir sitzen da mit allem, was wir sind, der Last, der Angst, den Zeiten, in den wir uns müde, allein, verlassen und verloren fühlten, waren. Mit ihm am Tisch sind wir aber gefunden, gesehen, geliebt, solche, mit denen Gott seine Liebe teilt. Ein Lächeln verzaubert den Tisch und die Menschen daran.

Gott freut sich
Voll Freude im eigenen Herzen schultert der Hirte das gefundene Schaf, er und die Frau mit der Münze rufen Familie und Nachbarn, all die, die um sie sind, zusammen und alle freue sich mit. Der Himmel lacht auf und die Engel freuen sich über jeden Wiedergefundenen. Gott freut sich, sich im umfassende Sinne; der, der Himmel und Erde geschaffen hat, der dich ins Leben rief, der tagtäglich mitleidet und erlöst, der alles am Ende zum Neuanfang vollendet, der freut sich, in sich und aus sich heraus, ganz still und einzeln in Herzen gefundener Menschen und solcher, die suchen; freut sich als Freude zwischen Menschen, untereinander. Verlorenes wiederfinden steckt an, beglückt, versetzt in ein Frohgefühl. Es ist das Schönste, was unter Menschen passieren kann. So lacht auch der Himmel freudvoll darüber und Engeln entlockt es ein Lächeln, vielleicht ausgelassene Freudenschreie, dass sie zu Boten werden, was da auf Erden passiert: Gott findet dich und mich und er freut sich. Wie Jesus am Tisch, als er mit Sündern aß, es ein Festmahl wurde, ein Freudenmahl, an dem Nahrung ganz anderer Natur die Seelen füllte.

Ein Lächeln geschenkt
Gott hat gesucht und er war, als die Suche begann, als ihm in Herz und Auge fiel, dass du oder ich verloren gehen, zu tiefst erschrocken, besorgt, hatte so etwas wie Trauer, Wut, Ärger und Hass, aber immer mehr Liebe in sich. Er sucht und findet und so verwandelt er sich in Freude hinein, die begann, als das Verlorene mit tiefem Lächeln er in die Arme schloss. So verwandelt verloren in gefunden, Entfernung in Nähe, Sünde in Vergebung, Ende in Neuanfang, Angst in Freude und bittere Tränen in ein von Gott geschenktes Lächeln. Amen.

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