Sonntag, 23. Dezember 2018

Seleigmachender Seelenspiegel


Predigt an Heiligabend 2018Bildergebnis für stille nacht heilige nacht gottesdienstinstitut
Trotzdem berührend
„Stille Nacht, heilige Nacht“, vielleicht Kitsch, vielleicht ein religiöser Schlager. Aber doch berührt dieses Lied, geht es zu Herzen, durch seine einfache, erhebende, wiegende Melodie, durch seinen schlichten Text. Irgendwie stellt es uns an die Krippe, staunend, still, ist es ein Liebeslied für das frischgeborene Gotteskind, trifft es unsere Sehnsucht. Ist diese „Stille Nacht, heilige Nacht“ ein kleiner Seelenspiegel.
So wie das Bild dazu. Ein Foto. Ein Foto einer Landschaft, einer vor unseren Augen still gestellten Landschaft, in Blau getauchte Berge, ein ruhender mit verschiedenen Blautönen getränkter See, ein Lichterbaum auf einem Steg, der sich im Wasser spiegelt. Eine Momentaufnahme, vielleicht Morgendämmerung, ein Augen-Blick, der im Schauen in unserer Seele auf Bewegung trifft und sie in Schwingung, in Bewegung setzt.
Lied und Bild. Und irgendwie auch bei beidem das Gefühl: Ganz so ist es nicht, selbst am Heiligen Abend. Ganz so still, heilig und friedlich ist es nicht. Lied und Bild siedeln sich direkt neben anderen Bildern, Tönen und Worte an, die von einer viel unbarmherzigeren und unseligen Wirklichkeit sprechen, um sie wissen, gerade auch heute am Tag der Gottesgeburt im Stall der Armen. Bild und Lied sind nah am Kitsch, an der Übertünchung und Vertröstung, sie sind aber auch nah an unseren Herzen und Seelen, an jener durch die Dunkelheit hindurch geborenen Verheißung Gottes: So soll es für euch werden. Euch ist heute der Retter geboren. Euch schlägt jetzt die Stunde, an der es für euch heilig wird. Bild und Lied werden vor euren Augen zu eurer Wirklichkeit.

Ruhig geboren
„Stille Nacht, heilige Nacht“ spiegelt sich hinein in die Nächte der Menschen, die manchmal so weinig still und heilig sind, Nächte, in denen Menschen den Schlaf suchen und nicht finden, unruhig sind, das Lebensdunkelheit in der Nacht noch drückender ist, Nächte die von Lebensnächten erzählen, die unsere Seelen verfinstern. In diesen Nächten geschieht jene Geburt, für diese dunklen Lebensnächten geschieht sie.
Stille Nacht heilige Nacht soll es dort werden. Als würde Gott in jener einen Nacht tief Atem holen für sein Rettungswerk an allen Menschen zu allen Zeiten. Gott hat jene himmlische Ruhe für uns im Sinn, alles schläft und er wacht über uns, er legt uns schlafen und möchte unsere Ruhe, aus der wir Kraft schöpfen. Traut und hochheilig bergt Gott still uns in sich, wiegend, haltend, seine Lieben schenkend. Es ist sein Liebeslied für uns.
Gott gebärt sich in unsere Nächte, die ganz realen. Dann dämmert es, dann bricht mitten zur Nacht sein Licht langsam an. Dann bewegt sich vor unseren Augen das Bild und wir haben Anteil an ihm, stehen dort am Seeufer, schauen still staunend und wissen, spüren, Licht und Dunkelheit gehören zum Leben, die Weite auch, das ins Dunkle Getauchte, was unsere Seele droht, aber Gott schenke uns Ruhe und Stille, tief, tief in unsere Seele: Stille Nacht, heilige Nacht. Töne werden, wir werden einbezogen, hören mit, was damals die Engel sangen, es wird am Ufer stehend zu unserem Gehörten, mitten in der Stille klingt es in uns, fern und nah: Christus, der Retter ist da.

Ein Anflug von Lächeln
In Himmel ist nie nur, ganz Ruhe. Kann es nicht sein. Dort sind all die Schreie der gequälten Schöpfung zu hören, das Weinen der Kinder, das Klagen der Leid Geprüften, das Anfragen der geschundenen Seelen, das leise Wimmern der in den Krieg Getriebenen. Das alles halt und ist laut, auch und gerade in der stillen, heiligen Nacht. Das alles lärmt zu recht im Himmel und schallt wieder als Gottes Schmerz über seine und mit seiner Schöpfung. Gott könnte das Lachen schon längst vergangen sein.
Aber seine Liebe macht Gott unruhig, unruhig, leidenschaftliche für seine Liebe, die immer größer ist als alles anderem, größer als der Himmel, eine Liebe, die ihn zu Erden treibt, zu Menschen, zu uns Menschen, dort in deren Leben als Liebe, als Hilfe, als Kraft, als Trost geboren zu werden. „Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund“. Und Gott lacht doch in dieser Nacht, in jener damals und in jeder, in die er uns Licht gebracht.
Nicht nur wir sagen und singen „Du“ und „o“, nicht nur: unsere Nächte sind gemeint, sondern: In der Krippe ist Gott anmutig zu sehen, hold, schön, wunderbar, Gottes Mensch gewordenes Gesicht trägt lächelnde Züge. Wir dürfen uns Gott in diesem Augenblick, in der selbstgewählten Art, im Dunkeln zu wohnen, glücklich vorstellen, glücklich über uns, über unsere Rettung, glücklich lachend aus tiefer Herzensliebe, uns heute hier und jetzt anlächelnd, sagend: Christ, in deiner Geburt. Christ, in meiner Geburt Das Bild geht weiter, immer weiter. Kein Moment, auch nicht der von Heiligabend, ist festzuhalten, unsere Seele wird an Weihnachten neugeboren, sie spiegelt sich in jenes Bild hinein und entdeckt es wie das Lied, wie dieser Abend, als ein Geschenk, als ein geschenkter Augenblick Gottes, einer voller lebendiger Ewigkeit für uns: Stille Nacht, heilige Nacht. Amen.

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