Mittwoch, 5. Dezember 2018

Der springende Punkt


Predigt am Adventsgottesdienst für Mitarbeitende/Weihnachtsfeier 2018



Plätzchen: Wo ist dein Herz?

Eine kleine Karte mit einem Bild von Plätzchen. Plätzchen sind Adventsbegleiter. Fast überall lauern sie, schon recht früh, in Tüten, an Ständen, selbstgebacken, überreicht, geschenkt. Sie gehören zum normalen Verdauungsgeschehen im Advent, zu dem, was man nebenher, bewusst, im Kreis der Lieben, allein aus Frust in die Hand nimmt, in den Mund steckt, verzehrt, genießt, kaut und runterschluckt. Kleine Vorboten des reich gefüllten Tisches an Weihnachten.

Plätzchen haben eine lange Geschichte, und irgendwie im Dunstkreis der Religion, vielleicht als so etwas wie versteckte Religion. Angefangen beim Christstolen, der an das in Windel gewickelten Christuskind erinnern soll, die Lebkuchen, die in Klöstern erfunden wurden und dank ihrer langer Haltbarkeit durch schlechte Zeiten tragen sollten, der Spekulatius, gebacken zum Gedenktag an den Bischof Nikolaus, Plätzchen: Kleingebäck erst jahrhundertelang bevorzugt für Reiche, dann erst vor zweihundert Jahren demokratisiert dank der massenhaften Gewinnung von Zucker für alle. Gleichzeitig hat Religion ihre Kraft verloren. Und heute? Bei uns? Wo schlägt unser Herz?



Krippe: Zu Herzen gehen

Beides zusammen, im schönen SC-Rot-Weiß: die Krippenszene inmitten der anderen Plätzchen. In Weiß der Stern, der Futtertrog, Maria und Josef davor. Sofort erkennbar, süßes, kleines, in Alltags-Plätzchen gebettet Krippenszene, wie sie uns aus allen möglichen Materialien, in allen möglichen Größen und Formen fast überall begegnet, jene Szene von damals, vom Stall in Bethlehem, der Geburt Jesu.

Warum erkennen wir inmitten der roten Plätzchen die paar weißen Plätzchen sofort als Krippenszene? Diese eine Szene mag uns, der Menschheit so tief eingeprägt sein, dass man sie sofort überall, und sei sie nur angedeutet, wiedererkennt, identifiziert. Warum ist das so? Jenseits von gewohnten und geschulten Sichtweisen? Warum bewegt, berührt uns heute immer wieder diese Krippenszene vom kleinen Jesus, der des großen Gottes Sohn wohl ist?

So, wie die weißen in den roten Plätzchen wie durchsichtig werden, ist die Krippenszene für sich irgendwie durchsichtig auf uns und unser Leben. Es wird da etwas ganz Rührendes, Berührendes, Elementares, ja auch mitunter Rührseliges, Missbrauchbares, Anwendbares erzählt, abgebildet in unsere Bilderwelten. Etwas, was uns jedes Jahr irgendwie zu Herzen geht?

Vielleicht weil es um grundsätzliche Gebürtlichkeit geht, um einen wesentlichen Anfangspunkt, darum, dass dort nicht nur ein oder ein bestimmtes Leben anfängt, sondern meins. Ich dort irgendwie geboren werde. Gott mit mir einen Anfang macht.



Herz festgeklebt

Drehen wir die kleine Plätzchenkarte um, was Sie alle zwischendurch schon getan haben, dann kann man den Anfang aus einem Vers im Evangelischen Gesangbuch lesen. Lied nur 36, Text aus dem Jahre 1653 von Johann Crüger: „Fröhlich soll mein Herze springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen.“

Vielleicht eine fromme Bitte aus vor fast 400 Jahren: Ein fröhliches springendes Herz zu dieser Zeit. Schon fraglich, was unser Herz so macht, in dieser unserer Zeit. Springt es heute? Vor Freude? Vor welcher Freude? Wegen der Weihnachtsfeier? Wegen Essen und Trinken und Geselligkeit? Oder mag es nicht so richtig springen unser Herz? Weil es eher zersprungen ist, weil es seine Bruchstellen, Risse hat, aus enttäuschter Liebe, aus Verletzungen und Angst? Oder ist unser Herz einfach nur müde, was heißt da „nur“, ein müdes Herz ist traurig anzusehen. Oder ist unser Herz leer, leer gedacht, geliebt, gehofft? Gestresstes Herz? Erfülltes Herz? Mit dem, was in ihm ist, heute und in dieser Zeit, an Geschichte und Menschen, an Begegnungen und Erfahrung, an Hoffnung und Träumen, an Angst und Liebe? Inmitten des Lebens, des Alltags ein fröhliches, springendes Herz. So wie inmitten der roten Plätzchen eine weiße Krippe.



Hirtenherz

Unser Satz auf der Rückseite spricht aber von keiner direkten Freude, sondern von einer indirekten. Menschen wollen sich aber eigentlich direkt freuen, freuen über etwas, über andere, an sich selbst, gemeinsam. Aber das will der Vers nicht, nicht so. Merkwürdig. Er mag es indirekt.

Er spricht von der Freude der Engel, von ihrem von tiefer Freude erfüllten Ruf, Gesang. Ihre Freude wird uns, kann uns werden zum Wegzeichen, zum Hinweis. Denn wir sind wie damals die Hirten unterwegs im Leben, immer, und wenn nicht äußerlich, dann innerlich. Wir sind wie die Hirten auf dem Felde unterwegs, inmitten des Alltags, inmitten der Plätzchen, auf der Suche, auf dem Weg des Findens.

Und die Engel, deren unbändige, herrliche Freude ist den Hirten, seien uns Wegzeichen: als trostreiche Ansage für alle unruhigen Seele, die wir sind. In aller Klarheit: Fürchtet euch nicht, Menschen, fürchtet euch nicht. Ihr werdet finden in der Krippe, die Gott mitten in eurem Leben stellt, den Grund großer Freude, euch ist die Rettung geboren. Weniger nicht. Gott fängt in Liebe mit dir an. Die indirekte Freude durch den Gesang der Engel ist zutiefst adventlich, denn sie setzt uns der Ansage vertrauend auf den Weg, sich von jener Freude anstecken zu lassen, zum Gast der Freude zu werden, den Grund der Lebensfreude zu finden. Unser Herz bewegen zu lassen und ganz still jenem Engelsklang zu suchen, hören zu wollen. Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen