Predigt zur Jubelkonfirmation 2017
an Quasimodogeniti (23. April 2017)
an Quasimodogeniti (23. April 2017)
Festschreiben
Flüchtig irgendwo eine Notiz machen.
Auf einen Zettel. Mit einem Stift. Ein kleiner Gedanke, eine Adresse oder eine
Telefonnummer, schnell aufgeschrieben.
Schreiben. Schreiben lernen wir in
der Schule. Buchstabe für Buchstabe. Erst unförmig, holprig, dann immer
flüssiger, irgendwann schreiben wir selbstverständlich und haben unsere
Schrift, unsere Handschrift gefunden, typisch und fast unverwechselbar. Im
Alter wird unsere Handschrift dann wieder krakeliger, wackeliger, als ob die
Buchstaben umfallen würden; ab einem bestimmten Zeitpunkt geht selbst schreiben
dann nicht mehr, nur noch zittrig und blas die Unterschrift, wenn überhaupt.
Dazwischen, zwischen Anfang und Ende
schreiben wir, nieder oder ab; nach und nebenbei, auf Zettel, Blätter,
Briefpapier; am PC, mit Mails und SMS. Es gibt ganz Bedeutsames, was Menschen
schreiben, Rechnungen, Hasstiraden, Schwüre und Liebesbriefe, und was sie
geschrieben bekommen.
Und es gibt Tintenkiller, Radierer
und die Delete-Taste am PC; man kann Geschriebenes rückgängig machen, wegkillern,
wegradiere, löschen, als sei nichts gewesen, nur ein blasser Abdruck auf dem
Papier.
Das geht im Leben nicht, da gibt es keinen
Radierer und keinen Tintenkiller. Wir schreiben unser Leben. Wir sind alles
mehr oder weniger Autoren unseres eigenen Lebens und auch das der anderen. Und
manchmal neben den wunderschönen Zeilen verschreiben wir uns, gehörig - und immer
schreiben auch andere unser Leben, weiter, mit und manchmal auch ab.
Wir schreiben. Und genau besehen,
nicht immer, atmen die Buchstaben, die wir zu Worten, zu Sätzen, zu Briefbögen,
Mails und kleinen großen Geschichten zusammensetzen, atmen sie uns, sind sie
wir; wie wir uns ausdrücken und uns Sprache geben, wie wir uns einrichten und
unsere Welt bewohnen, wie wir leben, uns verbergen, preisgeben, verhalten, zu
uns, zu anderen:
Geschriebenes ist fixiert, ist da,
präsent, es ist mir als Schrift immer gegenüber auf dem Blatt. Gesagtes,
Gesprochenes verhallt im Raum. Geschriebenes bleibt, wird gesehen, wird
gelesen, gräbt sich ein, ist wie eingeritzt. Jedes Wort wie ein kleines Zeichen
von mir. Wie mein Name, mit deM mich die Menschen nennen. Als Israel aus der
Knechtschaft floh, von Gott befreit wurde, schrieb jeder von ihnen an seinen
Türpfosten ein blutiges Zeichen, damit Gott erkenne, wen er zu schützen hat und
herausführt. In der Konfirmation wurde früher viel aufgeschrieben, diktiert vom
Pfarrer, heute werden massenweise Kopien ausgeteilt. Gleich blieb, dass junge
Menschen wie ihr und wie heute selbst mit ihrer Zeit und ihrem Leben unterschreiben,
was andere bei der Taufe versprachen.
Einschreiben Gottes
Gott schreibt. Auf steinerne Tafeln
seine Gebote. Er diktiert Propheten Worte und er führt Buch. Die Sünde ist mit
eisernem Griffel geschrieben und Jesus schrieb auf den Erdboden und unterbrach
heilvoll den unheilvollen Zusammenhang von Schuld und Strafe. Man sagt, Gott
schreibe auf uns krummen Linien gerade.
Gottes Bibel nennen wir Heilige
Schrift und manche können in der Natur und in sich selbst ihn lesen. Gott
schreibt seinen neuen Bund in unsere Sinne und in unser Herzen und füllt so mit
uns das Buch des Lebens Blatt für Blatt. Alle Tage, auch die noch nicht sind und
noch sein werden, hat er dorthin geschrieben und unsere Namen leuchten vom ihm
geschrieben hell und gut leserlich am Himmel.
Gott schreibt unser Leben. Er ist
zumindest Co-Autor, eigentlich Schriftleiter, ja Poet unseres Lebens. Er
schreibt uns nicht nur in das Buch seines Lebens. Er schreibt unser Leben
selbst und fügt alles zusammen über den Tod hinaus. Wir sind wie unbeschriebene
Blätter, in Gottes Hand. Er füllt diese Blätter mit seinem Worten,
Verheißungen, Versprechen und Sinn. Er schreibt uns auf´ s Herz Sorge und
Freunde, ins Gesicht manche Falte, geboren aus Lachen und Weinen. Er schreibt unter
Widerstand und Ergebung, in Würde und Elend, mit unserem Danken und Klagen, mit
unserem Wundern und Zagen.
Gott, der Heilige, schreibt uns, und
wir werden darüber heilig, sind selbst seine Heilige Schrift. Und mit der
Konfirmation, die er mit uns Menschen Jahr ein und Jahr aus feiert, im Wandeln
der Zeiten, in der Ewigkeit seiner Liebe, schreibt er sich ein, ein für allemal
ein - als der, der uns Gegenüber ist als uns zart prägende Kraft.
Erlesene Menschen
Wir sind Geschriebene Gottes. Wir
sind Wort Gottes. Manchmal recht flüchtig, unleserlich, zu entziffern, aber
dennoch. Wir sind eben nicht nur dahin gesagt, dahin gemeint oder nur gut gedacht.
Wir sind mehr, vielmehr. Ein ganzer Brief Christi, Geschriebenes, von Gottes
Liebe ausgedrücktes Wort für Wort.
Wir sind Wort, geschrieben mit der
Tinte des Heiligen Geistes, zu lesen von anderen, von Gott aus zu lesen. Ich
bin Wort Gottes anderen Gegenüber, für und manchmal auch gegen andere. Ich bin
AntWORT auf das Leben des Anderen, und im Spiegel meines Lebens auch immer mir
selbst.
Und andere sind mir Wort, in die Zeit
geschriebene Worte, auf Länger oder Kürzer, so wie all diese Mitkonfirmanden an
anderen Orten damals und heute. Ich lese in anderen Gott. Gott in anderen lesen
ist sie anschauen, genau, sie suchen, neugierig in ihnen blättern; ist an
manchen schönen, anrührenden Stellen fast andächtig im Lesen von ihnen stehen bleiben,
sich festlesen, verschlingen, alles im lesenden Herz von ihnen bewahren. Lesen
ist Lieben.
Geliebte, erlesene Menschen, sind
wir. Von Gott auf jeden Fall erlesen, Tag für Tag, Lebensseite für Lebensseite
solange wir leben. Gott liest uns, und wir sind von ihm erlesen, wertvoll, das
macht seiner Liebe Leserblick. Notiz. Randnotiz. Das sind wir nicht. Nie nur
flüchtig dahin geschöpft. Sondern: Absichtsvoll, liebestoll, gehalten,
getröstet, beantwortet, erlesen, getauft, konfirmiert, gesegnet. Amen.
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