Freitag, 26. Mai 2017

Herz geht über



Predigt an Exaudi (28. Mai 2017)

Johannes 7, 37-39a
37 Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten.

Mitreißend
Jesu Herz geht über. Es ist voll, randvoll, übervoll von Gott und er möchte Menschenherzen erfüllen von Gott. Am höchsten Tag des Festes, am Höhepunkt der Feierlichkeiten, am Fest-Zenit steht Jesus auf, tritt er auf, vor allen Menschen dort, vor der Menschenmenge, öffentlich. Er, der sonst einem eher ruhiger, stiller, manchmal zurückgezogener, bedachter vorkommt, tritt auf und erhebt seine Stimme, erhebt sein Herz, und ruft, schreit laut, lädt mit Worten, mit Bilder, mit Verheißung die Menschen ein:
Kommt. Glaubt. Nehmt! Trinkt!
In überströmender Weise macht Jesus ein Angebot, all denen, die ihn, es hören. Er macht das Angebot von Leben, er verheißt, verspricht es. Er macht ein Angebot, das er selbst ist. Er verspricht sich, er gibt sich ganz hin, sich, sein Leben, sein Gott. Er gibt sich ganz; er behält nichts vor, will ganz nahm, ganz beim anderen sein. Sein Herz geht über. Über zu Menschen. Zu uns.
Wir heute und jetzt: Menschen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Zwischen Himmelfahrt des Herren, seinem Abschied, seiner Rückkehr zum Vater, zu seiner Quelle des Lebens, und: Pfingsten, der Gabe des Geistes, der Gabe des Trösters, der Gabe der Quelle, der Verbindung mit ihm und seinem Gott. Wir zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Wir warten. Warten mit unseren Herzen.

Vertrocknen
Menschen dürsten, haben Durst, haben eine trockene Kehle, wie: schon lange nichts mehr getrunken, schon sehr lange. Menschen brauchen Flüssigkeit, brauchen sie für ihren Körper, für ihren Organismus, sie brauchen sie zum Leben. Menschen wie dürres Land: Ein Land ausgetrocknet, wo Regen, Flüssigkeit ausbleiben, fehlen, mangeln;, ausgetrocknete, rissige Erde, ohne Gras, ohne Grün, ohne Frucht. Tote Erden. Durstig.
Durst nach Leben. Haben Menschen den? Wann? Haben wir Durst nach Leben? Ein großes, fast merkwürdiges Wort, Bild: Durst nach Leben. Man lebt doch sein Leben. Ist es ein Durst nach mehr, nach mehr Leben, nach intensiver, tiefer, stimmiger, heiler? Durst nach Leben meint Menschen, sehnsuchtsvolle, bedürftige Menschen, Mensch, für den etwas immer aussteht, der braucht, den es hungert und dürstet nach dem, was er eigentlich hat, was er eigentlich ist, und doch nicht ist. Durst, Sehnsucht nach satt, nach erfüllt, nach nicht mehr dürsten.
Es gibt durstige Menschen, die ohne Quelle bleiben, etwas und jemand, der Lebensdurst sieht und stillt. Menschen, die verdursten, die vertrocknen, die austrocknen, ausgetrocknet sind vom Leben, ausgetrocknet ohne Zuwendung und Zeit, ausgetrocknet ohne Liebe und Bedacht, ausgetrocknet, ausgelaugt, leer vom Leben selbst gemacht, von einem Leben, das einem entgegenschlägt, das einem nimmt, das Wunden schlägt, das verzweifeln, das verdursten und aufgeben lässt.
Und Jesus ruft: Komm! Glaub! Nimm! Trink! Mühseliger, Beladene.

strömen
Ein Leib, aus dem Ströme lebendigen Wasser fließen. Was fließt nicht alles aus Menschenleibern, Flüssigkeit, Schweiß, Blut, Worte, Flüche, Hoffnungsschreie, plötzlich, eruptiv, bricht es aus Menschenleibern, aus Menschenleben heraus, strömt es heraus, fließt es. Aus Menschen strömt immer irgendwas, aus ihrem Angesicht, aus ihrem Leib, aus ihrem Dasein, wie sie sind; aus ihnen strömt immer etwas und immer hinterlassen sie etwas von sich bei denen anderen, strömt aus ihnen Freude und stecken andere damit an, strömt aus ihnen Gleichgültigkeit und man weiß nicht so genau, was damit zu tun; strömt aus ihnen Wut und Hass und man fürchtet und meidet.
Ein Leib, aus dem Ströme lebendigen Wasser fließen. Ein Leib, in dem Jesus volles Gottesherz strömt, in dem Gottes Liebe übergeht, hineinfließt, Raum gewinnt und ist und bleibt und ruht und lebt. Ein Leib, in dessen Seele Gott einkehrt, der Geist einwohnt, Jesu Wort, Gleichnisse, Taten, Bilder wohnen. Ein Leib, aus dessen Innersten, aus dessen Mitte, aus dessen Einwohnung, aus dessen Höhle für Gott, selbst das herausströmt, was von Gott hineingeströmt ist, hinein- und herausströmt ohne weniger zu werden, ein mit dem Beginn Gottes niemals endendes Fließen, Fließen Gottes. Ein Leib, dem eine geschenkt ist, aus der Mensch unerschöpflich schöpfen, eine Quelle, zu der die Menschen selbst werden und aus der andere unerschöpflich schöpfen.
Ein Leben, das gottgleich fließt, lebendiges Wasser. Wasser des Lebens. Leben, das uns von Gott gegeben wird, Leben in, mit und für ihn, Leben nie ohne Schmerz, Trauer, Abschied und Warten, aber ein Leben erfüllt, gehalten, getröstet, wunderbar geborgen. Ein Leben, das seinen wunderbaren Jesus gleichen Glanz auf uns legt, das wir tragen und selbst ausstrahlen, in das wir hineingenommen sind, mit all den anderen Heiligen, in das wir hineinnehmen aus Liebe, das wir haben und geben, ein Leben wie Taufwasser: Zart über uns gegossen, wir hinein getaucht, aller Durst ist gestillt, aller Seelen-Vertrocknung gewehrt, Quelle des Lebens. Jesus ruft. Herz geh´ über:
Nimm! Glaub! Trink! Amen.

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