Predigt am Sonntag Rogate (21. Mai
2017)
Lukas 11, 5-13
Und Jesus sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu
ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn
mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm
vorsetzen kann, und der drinnen würde
antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen
und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir
etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er
schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er
doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er
bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet
ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der
empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater
um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder gibt
ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst,
wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn
bitten!
Stimmen
Herr, lehre uns beten. Das wünschen
sich die Jünger, und vielleicht auch wir. Das versuchen wir und die Jünger,
können wir und können wir manchmal doch nicht. Lehre uns beten, und Jesus gibt
den Jüngern und uns das Vaterunser, Worte, mit denen wir zu Gott sprechen,
Worte, die das Leben in sich tragen, die sich vor Gott stellen, vor seine
Herrlichkeit und Ewigkeit, Worte, die ihn um Leben bitten, um tägliches Brot
und Sündenvergebung. Lehre uns beten, Herr, und wir bitten, immer auch mit den
Jüngern, beten wir: Herr, gib uns auch die Kraft dazu, die Hoffnung, den Mut,
die Zuversicht.
Lehre uns beten, und ich höre die
Stimmen der vielen, die versuchen zu beten und zu bitten, die tasten, verwundet
flehen, jammern. Lehre uns beten, und ich höre die vielen Stimmen, denen die
Worte nicht leicht über die Lippen kommen, aus ihrem dunklen herzen, Stimmen, die
klagen und verzweifeln, denen genommen wurde, die die nur sehr wenig haben und kaum
etwas bekommen, die seufzen unter der Last des Lebens, die ihre Hände auftun
und sie bleiben leer, die sich etwas so sehr wünschen und es bleibt unerfüllt,
die leere Bäuche haben und Brot suchen, die ihre ängstlichen Herzen öffnen und
nichts geschieht.
Lehre uns beten, Herr, und ich höre
irgendwie auch unsere, meine Stimme in diesen Stimmen.
gesprochen
Am Ende, am Anfang, immer wieder
dazwischen wird die Bitte um den Heiligen Geist erfüllt. Erfüllt von Gott,
mitten im Beten, schenkt Gott ihn, kommt Gott und ist der Heilige Geist da und
erfüllt uns, mitten im Sprechen, im Suchen, im Tasten werden Gebete, ihre Worte,
ihre Sehnsucht, ihr Wollen und Wünschen gehört, fallen sie in Gottes Herz,
gewährt Gott unseren stammelnden, zweifelnden, geschundenen Worte Raum bei ihm und
uns wird gegeben - von ihn, wir werden gefunden - von ihm, wir werden sachte
geöffnet - von ihm, zu ihm, für ihn.
Gott ist nahe im Beten, er ist ansprechbar,
bemerkbar, spürbar als Freund, als Vater, als Vertrauter, als Nächster. Im Gebet
können wir uns in die Intimität Gottes hinein bergen, will er uns ganz nah
kommen, und sich selbst, sein Leben, seine Kraft, seine Hoffnung uns geben, uns
schenken: Uns wird dann aufgetan, uns wird gegeben, wir werden gefunden, mitten
im Beten, Berühren, Suchen. Wir bekommen Brot des Lebens, Fisch und Ei, etwas
zu essen, etwas zu nehmen, etwas zu vernehmen, etwas zum Leben für unsere
suchende Seele.
Gottes gute Gaben, die jedes Gebet
erfüllen, gibt Gott gerne, selbstverständlich, natürlich. Jener Gott, der das
Leben ist, der das Leben schenkt, der Leben sucht, gewährt, schützt und segnet,
der Leben erhält und liebt, der sich hingibt und auferweckt, der tröstet und
aufrechterhält, der finden und sucht, der bittet und gibt, der anklopft und auftut.
Zumutung
Manchmal sind Gebete wie eine Zumutung,
eine Zumutung für Gott und für Menschen. Sie rennen an, beten an, in eigener
Not, in eigener Bedürftigkeit, im eigenen Wenig-und Nichtshaben mit der Bitte, etwas
zu bekommen, das Notdürftigste, etwas geliehen zu bekommen, gestundet zu
bekommen vom Großen Leben.
Manchmal sind Gebete widerspenstig,
eine harte Schule, trockenes Schwarzbrot, mehr ungute Stille, denn Worte, mehr
Hadern und Ringen als passend gesprochene Sätze. Es sind Gebete, die mühsam
hinausgehen aus dem eigenen Herz und Mund, die sich unsicher aufmachen, zu später
Stunde, zu Unzeiten, die wissen, dass sie stören könnten, in Unruhe bringen könnte,
müssten, die beides sind: ein Gemisch aus Respekt und Schmerz, tiefe Angst und
letzten Mut.
Manchmal beten Gebete an, an gegen die
eigene Zaghaftigkeit, gegen die eigenen schlechte Erfahrung, gegen die eigenen gefährlichen
Gedanken, Gott würde nicht hören, Gott hätte sich jenseits von mir eingerichtet,
er wäre drinnen und wir stünden draußen und er würde verschlossen sein für meine
Worte, mein Anliegen, mein Bitten; gefährliche Gedanken, er könnte mich
betrügen, Skorpion statt Ei, Schlange statt Fisch mir geben, Tod statt Leben,
Gleichgültigkeit statt Liebe.
Manchmal wirken Gebete schamlos,
dreist, rücksichtlos; sie muten sich Gott zu, sie muten Gott uns zu. Sie drängen
Gott und Gott lässt sich drängen, denn für Gott ist es kein Drängen, es ist für
ihn ein Anbeten, ein Anbeten um seine Gabe; es ist für ihn mit uns eine
Lernschule des Betens, ein „Lehre, Herr, uns beten“, das durch das Seufzen zur
Zuversicht kommt, in dessen Seufzen schon längst der Geist uns vertritt, unser
Bitten erhört, uns Beten hoffnungsvoll lehrt. Herr, lehre uns beten. Amen.
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