Predigt zum
Mitarbeiter-Advents-Gottesdienst (4.12.15)
Bühne frei !
Klappkarte wie diese laden zum Aufklappen ein. Und jeder von
Ihnen hat den Vorhang schon aufgeklappt und geschaut, was hinter dem Vorhang
ist, hat auf die Bühne geblickt, den Spruch rechts gelesen.
Vorhänge sind zum Zu- und Aufziehen da. Beides zum seinem,
zum rechten Augenblick. Der Vorhang fällt und die Vorstellung ist zu Ende. Die
Akteure treten nach vorne, der Applaus zollt Lob. Die erste Szene: der Vorhang
geht auf und das Schauspiel beginnt. Vorhänge verbergen und enthüllen, die
Gardinen am Fenster, die Duschvorhänge in den Bädern, der Vorhang im Tempel,
der das Allerheiligste verbirgt und der in zwei reißt, als Jesus stirbt.
Vorhänge machen Menschen zu Betrachtern, die warten,
zuschauen, mit fiebern, sich langweilen, applaudieren und wundern, nah und fern
dem Geschehen auf der Bühne. Vorhänge trennen Zuschauer und Bühne und rufen
manchmal sacht den Gedanken wach: gleicht Menschen Leben nicht einem ewigen
Schauspiel, in dem wir und andere mitspielen und zuschauen, in dem wir
auftreten und die Bühne bespielen, auf der sich unsere Tragik und Freude, unser
Leid und unsere Lust sich abspielen, bis der letzte Vorhang fällt.
Vorhänge gibt es auch hier, letzte und erste. Reale und
veränderte, Abdeckungen beim OP, Schleier des Schweigens über Manches,
Verhüllungen, kleine Offenbarungen, Auftritte und Bühnenakteure. Jetzt bitte
ich Euch, die Karten aufzuklappen, vielleicht erst einmal nur der rechte Teil
des Vorhangs.
Seelenanker?
Der Bibelspruch aus dem Hebräerbrief wird sichtbar, lesbar. Von
Hoffnung können wir lesen, groß geschrieben. Von Seele, vom Anker und von einem
Vorhang, hinter dem Jesus uns voran gegangen ist und hinter dem die Hoffnung
fester Anker der Seele ist.
Seelenanker? Wo ist unsere Seele verankert? Im Körper, um den
wir uns hier drehen, irgendwie zwischen all den Organen, den Blutbahnen, den
Nerven? Irgendwo dort zu finden und daheim? Wo ist unsere Seele verwurzelt?
Dort, wo uns zum ersten Mal die Seele genährt wurde? Wo wir geliebt wurden um
unseretwillen, wo wir gespürt haben, jemand meint genau mich, so wie ich bin,
bei ihm, bei ihr kann ich sein, zuhause, angekommen? Ist Hoffnung unser
Seelenanker? Welche Hoffnung? Haben wir sie? Wie sieht sie aus? Am Krankenbett.
Beim Sterben. Im Stationsalltag, im OP, in der Bilanz, in der Planung und
Strategie? Haben wir Hoffnung für dieses Haus und seine Menschen, für
Patienten, Klienten und uns persönlich? Haben wir eine gemeinsame Hoffnung?
Brauchen wir sie überhaupt noch, oder geht es auch so?
Ich glaube, Menschen ist etwas versprochen, verheißen, im
Leben und im Sterben, etwas, was noch aussteht, was zu suchen und zu finden
ist, was uns Antrieb und Bestimmung, Bild voraus ist. Jesus ist dorthin
gegangen, wo dieses liegt, er ist hinter all die Lebensvorhänge gegangen und
zeigt uns den Weg dorthin, wo Verheißung und Hoffnung, wo beide verwurzelt sind.
Ganz nah
Wenn wir wollen, können wir den Vorhang jetzt ganz öffnen und
die ganze Szene wird sichtbar. In der Mitte Feuer, ein Schälchen und eine
Katze, als Vorbotin der Alltäglichkeit. Rechts kaum erkennbar, etwas abseits im
Dunkelnd es Raumes Josef, wie er Holz hakt. Und links im Bild Maria mit Jesus,
leicht vom Licht beschienen, Jesus aus dem Bettchen genommen, auf den Schoß
gehoben, von den gefalteten Händen Marias umarmt, beide Gesichter nah
beieinander, liebkosend.
Wenn man nicht wüsste, dass dieses Bild von Rembrandt „Die
Heilige Familie mit dem Vorhang“ hieß, dann würde man das für eine alltägliche,
fast idyllische Stubenszene aus dem 17. Jahrhundert halten, aber Rembrandt hat
nahezu unverschämt die „Heilige Familie“ in seine Jetztzeit hinein gemalt, als
wäre für ihn das Alles heute.
Die ganze Szene wirkt dunkel, fast miefig, irgendwie
altmodisch. Mit Rembrandt müssten wir sie hinein denken in unsere heiligen
Szenen, die wie diese sprechen: so ganz gewöhnlich, nichts extravagantes, fast
verschämt versteckt, wohl tuend selbstverständlich, natürlich, normal, heilsam
durchschnittlich, voller Nähe, Geborgenheit, Intimität, reiner Liebe. Mag,
kann, soll sich unsere Seele auf dieser Bühne verankern? Führt dieses Bild,
führt Jesus hinter diesen Vorhang, hinein an diesen Ort, und mag dort Hoffnung
unserer Seele Heimat geben?
Ein Feuer
Im Blick zwischen Jesus und Maria spiegelt sich auf
eigentümliche Weise der Vorhang wider. Unsichtbar, aber irgendwie da. „Die
Heilige Familie mit dem Vorhang“. Als bräuchte diese Familie den Vorhang, der
sich wieder zuzieht, der nur kurz für uns gelüftet wurde. In dem Moment, wo der
Vorhang wieder zugezogen wird, wo nicht alle Blicke auf die heilige
Gemeinschaft starren, vollendet sich, unserem Blick entzogen, die Nähe von
Maria und Jesus, von Mensch und Gott, werden beide ganz nah, unendlich nah.
Weihnachten ist der Augenblick der Intimität Gottes mit seinen Menschen, seiner
puren Liebe zu uns. Ein Urort von Hoffnung.
Sich auf dieser Bühne verorten, mit all seinen
Weihnachtsbildern und –hoffnungen, mit den Bildern, die wir in dieser Zeit mit
tragen, ist kein Kinderspiel, wir müssten aufhören, nur Zuschauer zu sein. Sich
auf dieser Bühne innerlich verorten, könnte aber unsere Seele und ihre Hoffnung
auf Leben nähren: Wir sehen: Gottes Nähe gewährt Schutz, birgt uns, weiß darum,
dass wir auch „Vorhang zu“ brauchen, Respekt und zugestandene Freiheit. Wir
sehen: Gott Nähe lässt uns im besten Sinne normal und gewöhnlich sein, heilsam
durchschnittlich, und darum von Gott so sehr geschätzt. Sich auf dieser Bühne
verorten, sozusagen hinter dem Vorhang leben, dort, wohin Jesus uns führt, könnte
unsere Seele jene Nähe schenken, in der wir uns selbst nahe sind, in der wir
wir sein können und dürfen, in der wir das sind, was wir an Weihnachten immer
wieder werden: Gottes geliebtes Kind.
Klappen wir die Karte zu. Was bleibt? Ein Napf mit Löffel,
der nähren will; ein Feuer, das brennt und wärmt und unser Blick auf Jesus, der
uns Hoffnung schenkt. Amen
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