Montag, 7. Dezember 2015

Vorhang zu



Predigt zum Mitarbeiter-Advents-Gottesdienst (4.12.15)
Bühne frei !
Klappkarte wie diese laden zum Aufklappen ein. Und jeder von Ihnen hat den Vorhang schon aufgeklappt und geschaut, was hinter dem Vorhang ist, hat auf die Bühne geblickt, den Spruch rechts gelesen.
Vorhänge sind zum Zu- und Aufziehen da. Beides zum seinem, zum rechten Augenblick. Der Vorhang fällt und die Vorstellung ist zu Ende. Die Akteure treten nach vorne, der Applaus zollt Lob. Die erste Szene: der Vorhang geht auf und das Schauspiel beginnt. Vorhänge verbergen und enthüllen, die Gardinen am Fenster, die Duschvorhänge in den Bädern, der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste verbirgt und der in zwei reißt, als Jesus stirbt.
Vorhänge machen Menschen zu Betrachtern, die warten, zuschauen, mit fiebern, sich langweilen, applaudieren und wundern, nah und fern dem Geschehen auf der Bühne. Vorhänge trennen Zuschauer und Bühne und rufen manchmal sacht den Gedanken wach: gleicht Menschen Leben nicht einem ewigen Schauspiel, in dem wir und andere mitspielen und zuschauen, in dem wir auftreten und die Bühne bespielen, auf der sich unsere Tragik und Freude, unser Leid und unsere Lust sich abspielen, bis der letzte Vorhang fällt.
Vorhänge gibt es auch hier, letzte und erste. Reale und veränderte, Abdeckungen beim OP, Schleier des Schweigens über Manches, Verhüllungen, kleine Offenbarungen, Auftritte und Bühnenakteure. Jetzt bitte ich Euch, die Karten aufzuklappen, vielleicht erst einmal nur der rechte Teil des Vorhangs.

Seelenanker?
Der Bibelspruch aus dem Hebräerbrief wird sichtbar, lesbar. Von Hoffnung können wir lesen, groß geschrieben. Von Seele, vom Anker und von einem Vorhang, hinter dem Jesus uns voran gegangen ist und hinter dem die Hoffnung fester Anker der Seele ist.
Seelenanker? Wo ist unsere Seele verankert? Im Körper, um den wir uns hier drehen, irgendwie zwischen all den Organen, den Blutbahnen, den Nerven? Irgendwo dort zu finden und daheim? Wo ist unsere Seele verwurzelt? Dort, wo uns zum ersten Mal die Seele genährt wurde? Wo wir geliebt wurden um unseretwillen, wo wir gespürt haben, jemand meint genau mich, so wie ich bin, bei ihm, bei ihr kann ich sein, zuhause, angekommen? Ist Hoffnung unser Seelenanker? Welche Hoffnung? Haben wir sie? Wie sieht sie aus? Am Krankenbett. Beim Sterben. Im Stationsalltag, im OP, in der Bilanz, in der Planung und Strategie? Haben wir Hoffnung für dieses Haus und seine Menschen, für Patienten, Klienten und uns persönlich? Haben wir eine gemeinsame Hoffnung? Brauchen wir sie überhaupt noch, oder geht es auch so?
Ich glaube, Menschen ist etwas versprochen, verheißen, im Leben und im Sterben, etwas, was noch aussteht, was zu suchen und zu finden ist, was uns Antrieb und Bestimmung, Bild voraus ist. Jesus ist dorthin gegangen, wo dieses liegt, er ist hinter all die Lebensvorhänge gegangen und zeigt uns den Weg dorthin, wo Verheißung und Hoffnung, wo beide verwurzelt sind.

Ganz nah
Wenn wir wollen, können wir den Vorhang jetzt ganz öffnen und die ganze Szene wird sichtbar. In der Mitte Feuer, ein Schälchen und eine Katze, als Vorbotin der Alltäglichkeit. Rechts kaum erkennbar, etwas abseits im Dunkelnd es Raumes Josef, wie er Holz hakt. Und links im Bild Maria mit Jesus, leicht vom Licht beschienen, Jesus aus dem Bettchen genommen, auf den Schoß gehoben, von den gefalteten Händen Marias umarmt, beide Gesichter nah beieinander, liebkosend.
Wenn man nicht wüsste, dass dieses Bild von Rembrandt „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“ hieß, dann würde man das für eine alltägliche, fast idyllische Stubenszene aus dem 17. Jahrhundert halten, aber Rembrandt hat nahezu unverschämt die „Heilige Familie“ in seine Jetztzeit hinein gemalt, als wäre für ihn das Alles heute.
Die ganze Szene wirkt dunkel, fast miefig, irgendwie altmodisch. Mit Rembrandt müssten wir sie hinein denken in unsere heiligen Szenen, die wie diese sprechen: so ganz gewöhnlich, nichts extravagantes, fast verschämt versteckt, wohl tuend selbstverständlich, natürlich, normal, heilsam durchschnittlich, voller Nähe, Geborgenheit, Intimität, reiner Liebe. Mag, kann, soll sich unsere Seele auf dieser Bühne verankern? Führt dieses Bild, führt Jesus hinter diesen Vorhang, hinein an diesen Ort, und mag dort Hoffnung unserer Seele Heimat geben?

Ein Feuer
Im Blick zwischen Jesus und Maria spiegelt sich auf eigentümliche Weise der Vorhang wider. Unsichtbar, aber irgendwie da. „Die Heilige Familie mit dem Vorhang“. Als bräuchte diese Familie den Vorhang, der sich wieder zuzieht, der nur kurz für uns gelüftet wurde. In dem Moment, wo der Vorhang wieder zugezogen wird, wo nicht alle Blicke auf die heilige Gemeinschaft starren, vollendet sich, unserem Blick entzogen, die Nähe von Maria und Jesus, von Mensch und Gott, werden beide ganz nah, unendlich nah. Weihnachten ist der Augenblick der Intimität Gottes mit seinen Menschen, seiner puren Liebe zu uns. Ein Urort von Hoffnung.
Sich auf dieser Bühne verorten, mit all seinen Weihnachtsbildern und –hoffnungen, mit den Bildern, die wir in dieser Zeit mit tragen, ist kein Kinderspiel, wir müssten aufhören, nur Zuschauer zu sein. Sich auf dieser Bühne innerlich verorten, könnte aber unsere Seele und ihre Hoffnung auf Leben nähren: Wir sehen: Gottes Nähe gewährt Schutz, birgt uns, weiß darum, dass wir auch „Vorhang zu“ brauchen, Respekt und zugestandene Freiheit. Wir sehen: Gott Nähe lässt uns im besten Sinne normal und gewöhnlich sein, heilsam durchschnittlich, und darum von Gott so sehr geschätzt. Sich auf dieser Bühne verorten, sozusagen hinter dem Vorhang leben, dort, wohin Jesus uns führt, könnte unsere Seele jene Nähe schenken, in der wir uns selbst nahe sind, in der wir wir sein können und dürfen, in der wir das sind, was wir an Weihnachten immer wieder werden: Gottes geliebtes Kind.
Klappen wir die Karte zu. Was bleibt? Ein Napf mit Löffel, der nähren will; ein Feuer, das brennt und wärmt und unser Blick auf Jesus, der uns Hoffnung schenkt. Amen

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