Dienstag, 29. September 2015

Am Horizont



Predigt zum Gottesdienst zur Begrüßung der evangelischen Sozialstation im Diakonissenhaus
(1. Oktober 2015)



Silberstreif
Wir können uns dem eigentlich nicht entziehen. Weder als Kinder noch Erwachsene: Wir gehen zum Fenster, recken unseren Hals ein wenig und bewundern für ein paar Sekunden das kleines Naturschauspiel. Und im Sommer nach einem heftigen Gewitterguss, wenn der Regen nur noch nieselt, ist dabei die warme Erde zu riechen und die Sonnenstrahlen fast schon wieder auf der Haut zu spüren. Regenbogen kann man relativ einfach physikalisch erklären, wie, wann und warum sie entstehen und am Himmel erscheinen. Aber das macht uns nichts aus, jeder Regenbogen bleibt trotzdem ein kleines liebgewonnenes Wunder, ein Wunder, das sich nicht ganz planbar am Himmel abzeichnet, das in seinen wunderbaren Farben, die wir von überall kennen, leuchtet, der scheinbar einen Bogen spannt, von einem Ende zum anderen Ende des Horizonts und uns für wenige Minuten darunter als Erdenkinder versammelt.
Das vielleicht in nicht müde werdender Erinnerung und Ermutigung daran, dass auf Regen Sonne folgt, auf Schatten Licht, auf Dunkel Helligkeit, und beides im Leben ineinander verwoben ist, Schmerz und Freude, Bitterkeit und Hoffnung, Leid und Liebe, und das eine von beiden, das Helle, Lichte, Frohe die Oberhand gewinnt, behält. Nach der Sintflut, nach Gottes großer Verzweiflung über die verletzende Merkwürdigkeit seiner Menschen lässt Gott seine Liebe siegen, ringt er sich durch, immer wieder sich uns zuzuwenden, bei uns zu bleiben, und lässt den Regenbogen uns als Zeichen dafür. Als Zeichen am Himmel, das uns immer wieder erscheint und erinnert: Gottes Liebe behält die Oberhand, sein Licht durchleuchtet unser Dunkles, seine Hoffnung schenkt Trost, seine Friede beseelt.

Regenbogen-Arbeit
Die Sozialstation hat in ihrem Logo auch einen Art Regenbogen. Zumindest meine ich, das so zu sehen. Es ist ein Haus, dynamisch, lebendig, das aus einem Dach besteht und aus so eine Art vier Pfeiler; die sind bunt in vier Farben und neigt man den Kopf etwas zu Seite, so kann man darin einen kleinen, einen Abschnitt eines Regenbogens entdecken. Wenn man will.
Regenbogen will die Sozialstation für andere sein. Etwas vom der Liebe Gottes ganz handfest zu Menschen bringen, die Hilfe brauchen, die Unterstützung und Pflege benötigen, die in ihrem Dunklen Helles und Zuwendung bedürfen. Lauter kleine schier unsichtbare Regenbogen bringen die Mitarbeitenden der Sozialstation in die Häuser und Wohnungen, zu denen sie fahren, und hier im Diakonissenhaus ist sozusagen der Stützpunkt für diese kleinen Regenbogen.
Und in dieser „Regenbogen-Arbeit“ sind wir miteinander verbunden; nichts anderes soll hier im Haus passieren. Früher brachten die Schwestern, die Diakonissen, kleine Regenbogen in Krankenzimmer, jetzt, wo sie älter geworden sind, werden sie hier versorgt, schenken die Mitarbeitenden ihnen täglich Regenbogen und zusammen mit den anderen Bewohnern bilden wir eine bunte Gemeinschaft unter Gottes segensreichen Regenbogen. Dazu kommt ab heute die Sozialstation und ihre Mitarbeitenden als eigene Bewohnerin des Hauses. Es wird noch bunter und wir hoffen sehr, dass wie die Farben des Regenbogens zusammen den Regenbogen und seine wunderbare Schönheit ergeben, wir als einzelne Regenbogen-Arbeiter je mit unseren eigenen Farben auch etwas von der kostbaren Schönheit der Liebe Gottes zusammen erstrahlen lassen. Dazu begrüßen wir ganz herzliche Sie alle! Der Regenbogen ist ein Bundeszeichen.

Gott-Sehen
Jeder Regenbogen ist ein atmosphärisch-optisches Phänomen. Dieses beruht auf unserem Sehen und auf dem Phänomen der Reflexion, des Spiegelns. Gott selbst, so haben wir vorhin gehört, sieht im Regenbogen uns, der Regenbogen soll ihn an uns und seinen Bund mit uns immer erinnern. Er spiegelt sich im Regenbogen in seiner unglaublichen Liebe zu uns, mit der er Himmel und Erde verbindet und Licht ins Dunkle bringt.
In jedem Menschen, dem wir begegnen, dem wir als Mitarbeitende begegnen, ganz gleich, in welcher Position und mit welcher Aufgabe, können wir unter seinen Regenbogen gestellt, mehr sehen: Gott spiegelt sich in ihm, wir können Gottes Antlitz sehen, ihn, den Gott im Menschen, und wir können in ihm Gottes Regenbogen sehen. Als bleibende und immer wieder neue Erinnerung:
So wie wir ehrfurchtsvoll staunen, wenn wir einen Regenbogen sehen. So wie wir berührt werden von diesem kleinen Wunder. So wie wir in ihm Himmel und Erde verbunden spüren.  So wie wir in ihm Gottes ewigen Liebes-Bund mit seinen Menschen sehen. Genauso können wir vor jedem Menschen, den wir pflegen ehrfurchtsvoll staunen, uns von diesem Menschenwunder auch im Alter und Vergehen berühren lassen, in ihm etwas Himmlisches auf Erden erblicken und ihm Gottes bunte Liebe schenken. Das vereint uns. Amen.

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