Donnerstag, 26. Juli 2012

Ein tanzendes Kind


Predigt am 8. Sonntag nach Trinitatis (29.7.2012)

1. Korinther 6, 9-11 + 15-20
9 Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, 10 Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben.
11 Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid rein gewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.
15 Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! 16 Oder wisst ihr nicht: wer sich an die Hure hängt, der ist "ein" Leib mit ihr? Denn die Schrift sagt: »Die zwei werden "ein" Fleisch sein« (1.Mose 2,24). 17 Wer aber dem Herrn anhängt, der ist "ein" Geist mit ihm. 18 Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe.
19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? 20 Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.

Ich bin Körper
Körper schieben sich im Gedränge wie Klötze durch Straßen, sie legen sich entblößt auf grüne Wiesen in die Sonne, ziehen sich hübsch an und malen Lippenstift auf ihre Münder; Körper streifen sich flüchtig, meiden Bewegung und Berührung; Körperaugen blicken sorgenvoll auf Körperbäuche, lustvoll auf Körperkurven, nackte Körper wiegen sich; Körper werden verletzt, operiert, widerbelebt. Körper sind durchtrainiert, schlank, schlaff und bunt angezogen, Körper sind wir jeden Tag, von morgens bis abends und in der Nacht, sind wir manchmal ungeheuer allein und wunderbar zu zweit. Unsere Körper kriegen wir nie los, wir haben sie an uns, an ihnen sind unsere Jahre zu zählen. Anfang geboren als ein Bündel verschmiertes Leben, am Ende blas als Totenleib.
Von Lob Gottes und Sünde sind unsere Körper meistens weit entfernt.
Wir sind Körper, unser Körper, es ist das Bild, das wir von außen abgeben. So sehen uns die anderen Menschen, bevor sie uns näher sehen. Unser Körper ist das Außen von uns innen drin. Er ist unser Ich nach außen gestülpt, sichtbar, spürbar, anzufassen, zu berühren. Unser Körper ist unser Membran, an dem uns die Welt um uns herum berührt, mit dem wir die Welt um uns wie einatmen, durch das hindurch Welt ins uns kommt. Unser Körper ist Verbindung nach Außen, von außen nach innen, von Innen nach Außen.
Wie wir uns ausdrücken in unseren Körper, innere Sorgen Falten werden auf unserer Stirn, so füllt die Welt uns innen an mit dem, was wir über unseren Körper spüren, Schläge wie Küsse,  zärtliche Worte, die unter die Haut gehen; Sätze, die uns verletzten wie Messerstiche. So tragen wir in uns Sehnsüchte, Hoffnungen, Wünsche, schlechte Erfahrungen, tiefe Ängste, eine Vielzahl von zugeworfenen Worten, gesehene Bildern und Menschen. Uns unser Körper kehrt, zeigt das wieder nach außen, mal verschlossener, mal nur bestimmten Menschen, mal ganz offen: gebeugte Körper, lachende Körper, weinende, hingebungsvolle, zerbrechliche.
Mein Körper gehört mir. Ich bin er – und er ist das, was in mir ist. Ihm gehört er auch.

Die Hure in mir
Das dürfen wir nicht vergessen. Daran müssen wir denken. Wir müssen aufpassen und vorsichtig sein. Auf uns und unsere Körper.
Was ist die Hure in mir? Was ist in mich eingewandert von außen, durch meinen Körper in mich herein? Was ist durch mein Körpermembran in mich gekommen und wohnt dort, hat mich wie infiziert. Was ist diese Hure in mir, vor die Paulus uns warnt? Hurerei ist das Bild, was Paulus eingeprägt ist. Heute sind es andere Bilder, anderes, was in uns einwandert und uns beherrscht, gefangen nimmt, uns selbst preisgibt und uns verkauft.
Körper begegnen, ohne sich zu begegnen, ohne nach dem da drinnen im Körper zu sehen, zu fragen, ohne dass es eine Bedeutung hätte, dass das etwas drinnen im Körper ist und auch begegnet, auch begegnen will, Sehnsucht hat, das andere im Körper des anderen sucht, berühren möchte. Körper berühren einander, ohne dass sich Menschen berühren, deren Seele. Körper bleiben seelenlos, ohne die Seele des anderen gestreift zu haben, für Sekunden, sie zu halten, sie bleiben leer, ohne die eigene Seele berührt zu haben, genährt für Sekunden.
Körper bleiben ganz im Außen, verlieren ihre Bedeutung, Verbindung zu sein, Membran nach außen und Innen, sich zu berühren und das was innen ist einander nahe zu bringen. Körper werden bedeutungsleere Körper, eigentlich leblose Körper, kalt, icharm, nach innen und nach außen. Der Körper wird bedeutungslos als nach Außen von mir, er wird losgelöst, egal, aufgeplustert, abgemagert, stilisiert, minimiert, nichts und alles, aber nicht mehr mein Körper für mich und dich. Das Innen im Körper wird verkauft.

Gottes Leib sein
Dabei sind unsere Körper mit Seelen drin teuer erkauft. Nicht mit Geld, sondern mit etwas, das keine Währung kennt, das unvergleichlich ist: Mit Jesus, seinen Körper am Kreuz, seinem Körper auferweckt. ER in mir gegeben.
Nicht vergessen. Sich erinnern. Aufpassen und vorsichtig sein: Jesus Christus ist in uns. Das mache nicht ich. ER kommt in uns, von außen, durch unseren Körper, durch das gehörte, gelesene, gesprochene Wort, durch den Heiligen Geist, der ihn in uns lebendig macht, als das, was seine Gedanken, Wünsche, Sehnsüchte, Zweifel, Gebete, Worte für uns sind.
Wir werden durch ihn befreit von den Huren in unseren Körpern, von jeder seelenlosen Begegnung der Körper. In unserem tiefsten Seelenort wohnt Jesus. Wir werden reingewaschen, geheiligt, gerecht. Unsere Körper werden zu Tempel Jesu, zu nach außen sichtbaren und wunderbar leuchtenden Behältern für Gott, seine Träger. Ich kann mich in meinem Körper durch ihn als der zeigen, der ich bin: Gottes Mensch aus Fleisch und Blut, beseelt. Unsere Körper gehören ihm, damit er in ihnen lebendig und sichtbar wird. Unsere Körper sind göttlich beseelte Membrane zu uns und zu den anderen. Wir tragen Gott in uns, das spüren wir nach innen und das leben wir als sichtbare, spürbare, berührbare Körpern nach Außen.
Wir, wir als Ganze, unsere Seele, unser Körper, werden dann zum Teil des Reich Gottes. So wie wir geschaffen sind, leben wir: von Gott schön gemacht, trotz und in Wunden und Dreck, in uns und für andere aus uns heraus. Unsere von Gott beseelten Körper werden dann ihm zur Ehre. Er hat sie wunderbar geschaffen und sie dienen ihm. Er selbst wird durch Seelen und Körper sichtbar und spürbar. Sie loben ihn. Unsere Körper erzählen in ihrer ganzen Haltung das von Gott in ihnen, wie ein kleines tanzendes Kind, dessen Körper in Gottes Lichtkegel die Augen geschlossen vollkommen selbstvergessen, sich ganz und gar findend von Gottes umfassender Liebe tausend und mehr Worte laut spricht. Amen.


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