Mittwoch, 4. Juli 2012

Etwas kleiner


Predigt am 5. Sontag nach Trinitatis

1. Mose 12, 1-4a
Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst bein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und averfluchen, die dich verfluchen; und bin dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.

Ein paar Schuhgrößen kleiner
Es sind große Schuhe, die Abram da trägt. Es sind große Fußstapfen, die er macht und die er hinterlässt. Zu groß. Der Text, das, was da berichtet wird und geschieht, ist wie ein paar Schuhgrößen zu groß.
Zu groß ist die Aufforderung Gottes an Abram: Er soll herausgehen nicht nur aus dem Vaterland, nicht nur weg von der Verwandtschaft, sondern sogar raus und weg aus dem eigenen Haus, aus der Heimat, aus dem Gewohnten, aus dem, was bisher war. Sehr groß ist auch das Versprechen Gottes: Gott verspricht Abraham nicht nur ihn in ein anderes, fremdes Land zu führen. Gott will ihn sogar zu einem großen Volk machen, er will ihm einen großen Namen machen. Gott will Abram nicht nur segnen und ihm zu Segen werden lassen für alle Geschlechter, an Abram sollen sich sogar Segen und Fluch Gottes entscheiden.
Sehr gehorsam Abram, sehr radikal seine Vertrauen, ungeheuerlich die Zusage Gottes. Das ist fast ein paar Schuhgrößen, ein paar Fußtapfen zu groß. Geht es vielleicht, geht es bitte ein bisschen kleiner? Etwas kleiner.

Ich zeig dir was
„Ich zeig dir was“, Gott spricht das. Gott sagt das zu mir. Ich meine es zumindest. Er spricht es unspektakulär. Oder zumindest höre ich es so. Fast nebenbei. In meinem Kopf, in meiner Seele, in mir wächst aber etwas, es wächst die kleine Sehnsucht nach diesem „Ich zeig dir was“.
Gott zeigt mir was. Vielleicht hinter vorgehaltener Hand oder halb verdeckt. Er zeigt mir etwas, was ich bis jetzt nicht sah, nicht hatte, nicht ahnte, nicht war. Etwas aber, was zu mir gehört, was mir fehlte, ohne dass ich es wusste, was größer ist als ich, aber nicht nur gefährlich, was mehr ist als ich, aber mich auch aufnehmend, erhebend, erfüllend. Etwas, das ist wie eine Bestimmung, ein Auftrag, eine Verheißung. Alles zu viel gesagt vielleicht. Aber eine kleine Vision ist dieses Etwas schon, was Gott mir zeigt. Es ist eine kleine Vision für mich, für den anderen Alltag, ein Stück Anderland, ein Stück Segen, Heilwerden, Glück.
„Ich zeig es dir“, Gott spricht leise, sanft, aber zu mir, unauffällig, aber seine Vision von mir setzt mich in Gang, erst ganz langsam, zögernd, innen drin, aber ich beginn, mich ein bisschen zu bewegen, aufzubrechen. Fast, nur fast wie Abram.

Ein bisschen bewegen
Sich ein bisschen raus und woanders hin bewegen, gehen. Das muss nicht viel sein. Raus aus dem Gewohnten. Das ist leicht gesagt, aber manchmal verdammt schwer getan. Das Gewohnte ist gewohnt, ist sicher, ist auch gut, hält einen, man klebt dran fest, manchmal fesselt es. Aber doch: Sich an einem kleinen Lebenspunkt davon wegbewegen, lösen, aufmachen, raus auf einen kleinen Weg machen, aufbrechen.
Das wäre wie sich selbst aufbrechen. Selbst an seinen winzigen, aber wichtigen Lebensporen offen sein oder werden, seine kleine Lebensöffnungen finden und sich verlassen. Das ist kein Auszug mit Sack und Pack, kein radikaler Wechsel von allem, was einem lieb und teuer ist. Es ist aber schon ein bisschen davon. Es ist schon so wie bei Abram, oder bei den Jüngern Jesu, als er sie rief. Menschen öffnen sich der großen Vision Gottes, die er sicher für uns hat, für unser Leben, so wie es ist und so wie es werden soll. Wir öffnen uns, kommen vielleicht raus aus unserem Schneckenhaus, lassen uns von der Vision Gottes wie ziehen, anziehen und machen uns los, los von alten Sachen, von unlösbaren Fragen, von dumpfen Vorbehalten, von vergangenen Schmerzen, von allzu Eingefahrenem, von ewigen Ängsten, von schalen Lebensträumen.
Wir machen uns los von einem Etwas, was davon abhält, Gott ein Schritt entgegenzugehen, auszuziehen Richtung gelobtes Land, Richtung „ich zeige es dir“. Fast wie bei Abram.

An mir liegt´s
Es liegt an mir. Ob ich mir das Etwas zeigen lasse, ob ich mich bewegen lasse und mich bewege. Von der Vision Gottes für mich. Von ihm. Es liegt auch an Gott. Ob er mich anspricht, ob er mir etwas zeigt, ob er mich hineinnimmt in seine Vision und auch im Kleinen losschickt.
Gott bewegt mich und ich lasse mich von Gott in Bewegung setzen und ich merke: Ihm liegt an mir. Aus mir wird etwas, etwas von dem, was Gott von mir will, was meine Bestimmung und Aufgabe ist von ihm aus. Das muss nicht so radikal, so alles umwälzend, so groß und wuchtig sein wie bei Abram. Es kann an einem Punkt in meinem Leben sein, in einem Bereich, mit einer Idee oder Tat, manchmal auch nur mit einem Wort. Aber dann spüre ich: Ich bin gerade ein Teil, ein Etwas seiner Vision, seiner Bewegung, seiner Liebe.
Und dann spüre ich an mir: Mensch, an dir liegt es. Es ist nicht so, dass sich jetzt alle guten und schlechten Geister an mir scheiden müssten. Es ist nicht so, dass sich Segen und Fluch Gottes, Weh und Ach, Hop oder Top gerade an mir entscheiden würden. Aber ich merke: Es liegt eben auch an mir, genau an mir, ob Gottes Vision sichtbar wird, ob sich etwas von Gott bewegt, ob Menschen bewegt werden von ihm, ob andere auch etwas von ihm zu sehen, gezeigt bekommen.
Ich spüre, wie Gott mir etwas zeigt, eine kleine Vision, wie aus mir an einem Punkt der wird, der ich sein soll, wie mich das rausbringt aus altem Trott, mich tiefer beseelt, ja mich auch im Dunkeln trägt. Es liegt dann an mir, das auch zu sein, zu zeigen, weiterzugeben, ein Stück von Gottes Vision, von seinem Segen, von seiner großen Liebe.

Hosentaschengröße
Unser Text ist klein. Es sind nur viereinhalb Verse. Es sind nicht einmal hundert Worte. Mancher Einkaufszettel ist länger. Aber seine Spuren, seine Fußstapfen, seine Bedeutung sind groß, erheblich, wichtig.
In meine hintere Hosentasche oder in meinen Geldbeutel, da stecke ich mir den kleinen Text hin, den kleinen wichtigen Text voller Visionen Gottes von mir, von Abram und von euch. Ich nehme ihn so mit. Ich nehme ihn mit ab jetzt für die ganze Zeit des Sommers, und lass ihn mit umziehen von Hosentasche zu Hosentasche, von Ort zu Ort sicher in meinem Geldbeutel. Überall ist der dabei, wohin ich auch gehe. Ich versuche mich an diesen Zettel, an seine Worte zu erinnern, an das Große, was darauf steht, was drin steckt, an das Große, was Gott auch mit mir vorhat. Amen.

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