Ansprache zu „Atem holen“ am 1. August 2019
„So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht
hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!"
| Jes 43,1
ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!"
| Jes 43,1
Geschöpf
Menschen entstehen nicht zufällig, selbst
wenn der Augenblick ihrer Zeugung ein nicht ein beabsichtigter ist. Menschen
entstehen auch nicht automatisch, technisch. Menschen sind Geschöpfe. Sie sind
lebendige Geschöpfe, sie sind von Gott gewollt, gemeint, geliebt. Sie haben von
ihm aus ein Woher, ein Wohin und ein Wozu. Von Gott aus beabsichtigt, gewünscht,
zugesprochen, daran erinnert, bewahrt.
Das Leben der Menschen ist Geschöpf
Gottes mit dem Menschen als „Mitgeschöpf“. Das Leben ist nicht einfach nichts
oder Sinnloses, oder etwas, was man machen, erzeugen kann. Es ist Geschöpf,
lebendiges Geschöpf Gottes, ein Werden, ein Suchen, ein Finden, ein
Gestaltwerden, in sich Gott findet, abzeichnet, Sinn und Gestalt gewinnt, er
und ich. Immer „und“.
Mit Namen
Mein Name von meinen Eltern mir
gegeben. Viele haben wohl diesen Namen, aber er hat sich ganz exklusiv mit
meiner Geschichte, mit mir verwoben. Es ist mein Name, ein Stück von mir. Ich
habe meinen Namen kennenglernt, er wurde mir vorgesprochen, ich habe ihn
sprechen gelernt, mit ihm werde ich genannt, gerufen, ich schreibe ihn,
unterschreibe mit ihm, er ist wertvoll. Recht viele haben ihn schon genannt,
ganz bestimmte und ihr Klang, wenn sie ich bei meinen Namen gerufen haben, höre
ich, ein liebender Klang.
Gott kennt mich, nicht
unpersönlich, als einer unter Vielen, obwohl ich das bin, er kennt mich mit
meinen Namen, er kennt mich als Person, persönlich, mich als Ich. Er kennt mich
nicht nur. Er spricht mich an, er redet mit mir, ich bin sein angesprochenes
Gegenüber, seine Worte gelten mir, so oder so. Er ruft mich bei meinem Namen.
Er ruft mich herbei, zu sich, vor andere. Er hat mich bei meinem Namen gerufen.
Da bin ich.
Keine Furcht
Oft haben Menschen Furcht oder
Angst. Viele tun so, als hätten sie keine. Furcht vor etwa Bestimmten. Vor
einer Nachricht, vor einem Tag, vor einem anderen Menschen, vor etwas, was
passieren könnte. Dass etwas ganz bestimmtes mich konkret schlimm treffen
könnte. Furcht und Angst gehört zu Menschen, sie lehren weglaufen, sich
schützen, mit anderen zusammentun, auch zu ringen, sie bleiben als
Wegbegleiter, man lernt irgendwie damit umzugehen, sie zu kontrollieren. Am
schlimmsten ist vielleicht eine Daseinsfurcht.
„Fürchte dich nicht“, sagt immer
wieder die Bibel, von Anfang an bis zu ihrer letzten Seite. Fürchte dich nicht,
das hören wir an Weihnachten und Ostern, und es tut gut, es zu hören, gesagt zu
bekommen, das da einer, dass da Gott nicht will, dass wir uns fürchten,
fürchten müssen, dass er etwas dagegen tut, dass er ankämpft gegen das, was uns
Angst macht, dass er uns immer und immer wieder hält, schützt, birgt, als seine
einzelnen Geschöpfe liebt.
Erlöst!
Die vergangenheitsform ist wichtig:
Nicht „Ich werde dich erlösen“, und auch nicht „ich erlöse dich“, sondern: „Ich
habe dich erlöst!“ Und das „denn“ ist wichtig, es begründet und sagt. DU musst
keine Furcht haben, denn ich habe dich erlöst. Weil ich dich erlöst habe, musst
du keine Lebensangst mehr haben.
Erlöst meint befreit, erlöst von
etwas, befreit von etwas. Da ist etwas weg, da wird etwas entfernt, da macht
Gott etwas weg, was mich schlimm bindet, beherrscht, unfrei und bange macht.
Davon löst er mich, davon macht er mich frei. So unbegreiflich das ist und so
für jeden ganz eigen das ist, vielleicht ist es ganz wichtig, dass Gott diese
Dynamik in sich trägt: Er kann uns von dem trennen, was uns beschwert, was
unser Leben schlimm macht. Ich weiß auch nicht wie, kann das kaum sagen, aber
dass er es kann und will, das mag ich glauben: Er kann mich von dem weit
wegbringen, was mir schlimm ist.
Mein
„Du bist mein.“ Der Schlusssatz,
die Summe. Auch eine Zumutung am Ende. Wem gehören wir? Im Laufe unseres
Lebens? Wir kamen ohne Zutun auf die Welt, ein geschenktes Leben zunächst.
Gehören wir denen, die uns geboren haben, nicht wirklich, ein bisschen, wir
pflegen sie dann mal. So manchen gehören wir im Lauf des Lebens, manchen, auf
die wir sehr zornig sind, und natürlich denen, die uns lieben. Wir gehören nie
uns allein und doch sind wir ganz wir und ganz eigen und gehören uns.
Und wir sind nie ein Ding, das man
besitzt. Gott besitzt uns nicht, auch wenn unser Leben sein Geschöpf ist, er
liebt unsere Freiheit und unseren Eigensinn, in bestimmten Grenzen. Wir sind
sein, damit wir nicht dem Schlimmen gehören, damit wir nicht von bösen Mächten,
scheinen sie auch noch so harmlos, in Besitz genommen werden. „Du bist mein“
hat etwas sehr Liebevolles, etwas Beschützenden, Haltendes. Ihm zu gehören,
macht nichts aus, tut nicht weh, entfremdet mich nicht, es ist eigentlich das
schönste: Wenn ich ihm gehöre, dann gehöre ich dem Leben, bin ich lebendiges
Geschöpf. Amen.
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