Freitag, 15. Februar 2019

Pass, bitte, gut auf dich auf


Predigt an Septuagesimae (17. Februar 2019)



Prediger 7, 15-18

15 Dies alles hab ich gesehen in den Tagen meines eitlen Lebens: Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit. 16 Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. 17 Sei nicht allzu gottlos und sei kein Tor, damit du nicht stirbst vor deiner Zeit. 18 Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt; denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen.



Pass bitte auf

Pass auf dich auf. Das sagen Liebende zu einander. Wenn der eine aus der Tür geht, der andere bleibt. Pass auf dich auf. Das sagen Menschen und denken sie. Sie wissen, dass immer etwas passieren kann, nicht immer, aber sie haben erfahren, es kann etwas passieren. Sie wissen: Menschen sind gefährdet, ihnen kann etwas passieren, sie können sich verletzten, zu Schaden kommen, nicht mehr heim kommen. Pass auf dich auf, ist eine Bitte, ein Wunsch, mit Worten gesagt, mit Gesten, in der Stille der Räume, im Blick aus dem Fenster. Vermischt, manchmal bestimmt von Sorgen, von Angst, von schlimmen Erfahrungen, eigenen, gehörten, anwesenden.

Wie kann ich das tun, auf mich aufpassen? Auf andere aufpassen, das kann ich, kann ich vielleicht. Sie an die Hand nehmen, wirklich und in Gedanken, für sie beten, ihnen sagen, worauf sie aufpassen müssen, sie von was abhalten, vor etwas bewahren, sie mit Kräften und Umsicht schützen. Dass ja nichts passiert. Aber wie kann ich auf mich selbst aufpassen, dass mir nichts passiert, dass ich auch der mir gemeinten Bitte, pass auf dich auf, folge? Ich kann versuchen, Gefahren zu kennen, einzuschätzen und zu vermeiden, ich kann hinschauen, mich hüten, aufmerksam, bewusst, nie Kopflos sein, selber darum bitten und beten.



Sich Fernhalten

Pass auf dein Leben auf. So als ganzes. Insgesamt. Im Leben auf sein Leben aufpassen. Das versucht unser Bibeltext. Auf seine Weise. Der Prediger schaut in Distanz, mit Abstand auf sein Leben, vielleicht ist das der erste Versuch, sich selbst zu schützen. Sich nicht so reinziehen zu lassen, mit nehmen zu lassen, versuchen sich etwas fernzuhalten, auf Distanz. Der Prediger sieht und hat erfahren: Das Leben ist vergeblich, vergänglich, eitel, brüchig, ein Windhauch. Er hat gesehen und erfahren: Es gibt keine Sinn-Logik des Lebens, die Gerechten gehen zugrunde, die Gottlosen leben gut. Der Prediger denkt sich: Man weiß nie, sieht Willkür, fragt sich, wie er dann auf sein Leben aufpassen soll, aufpassen kann.

Er denkt sich: Suche den Mittelweg, sei nicht „allzu“, nicht allzu das eine oder das andere, so erwischt es dich vielleicht nicht. Oder sei beides, sowohl als auch, dann bleibst du vielleicht auch verschont. Er denkt sich, wenn ich die Extreme vermeide, wenn ich von allem ein bisschen bin, wenn ich nicht allzu das eine oder das andere bin, sondern wenn ich mich maßvoll, kontrolliert, irgendwie dazwischen bewege, lebe, in jener Distanz zum Leben mich ihm irgendwie fernhalte, dann kann ich auf mich aufpassen, dann kann ich mich vor dem Windhauch, der Vergänglichkeit, vor der Willkür des Augenblickes einigermaßen schützen.



Auf Gott achten

Und unser Bibeltext, unser Prediger sagt uns: Passt auf Gott auf. Um auf dich und dein Leben aufzupassen. Sei gottesfürchtig. Auf Gott aufpassen. Wie können wir das? Wir können es nicht. Dürfen es nicht. Und wir können es doch. Wir sollen es. Wir können aufpassen, an ihn zu denken, mit ihm zu rechnen. Wir können aufpassen, dass er uns nicht verschwindet im Leben, dass wir gottnah sind und bleiben. Wir können darauf achten, dass wir am Morgen Gott im Sinn haben, am Abend zu ihm beten, dass unser Tag von ihm gefüllt sein will. Wir können ihn einbeziehen, uns versuchen rückzukoppeln an ihn, daran, dass wir getauft sind, von ihm gesucht und gewollt werden, wir können uns an ihn erinnern, erinnern lassen, wir können Gottesorte aufsuchen, Verheißungspunkte. Wir können eine innere Haltung einnehmen, die Gott Respekt zollt, Abstand wahrt, ihm das Seine reserviert, und uns Gehorsam abzwingen, wir können zu ihm hochschauen, das ihm Wohlgefällige suchen, Demut zeigen, ihn lieben, gottesfürchtig sein, auf ihn aufpassen.

Und in all dem spüren, hoffen, beten: Gott passt auf uns auf. Ein kleiner Schritt weiter gehen als der Prediger, eine Erfahrung entscheidend mehr: Gott passt auf uns auf. Das Leben ist nicht eitel, nicht Windhauch, nicht nur vergänglich und vergeblich, ohne innere Sinnlogik. Das alles auch und manchmal erdrückend und erschreckend. Das Leben ist aber auch anders und Gott ist auch anders: Er ist nahe, leidenschaftlich, leidet mit; er führt, begleitet, ringt, liebt. Er passt auf uns auf. Mit dem Prediger vielleicht auch jenes Allzu meiden, aufpassen, nicht extrem leben, eher in der Mitte, ja manchmal auch bescheiden mittelmäßig. Aber auch aufpassen, auf sich, auf Gott und auf die anderen, auch nahe sein, sich dort hin bewegen, wo die Extreme sind, wo es weh tut, wo es nicht bequem ist, wo Menschen allzu sehr, allzu notwendig für das Leben anderer Menschen eintreten müssen, wo die Ehrfurcht vorm göttlichen Leben in allen zum Einsatz dafür wird, wo alle aufeinander aufpassen.



Nicht zugrundegehen

Und all das, damit nichts passiert, auch wenn wir wissen, erfahren, erleiden, dass immer etwas passiert. Aber eben nicht aufgeben. Nicht daran verzweifeln. Gott vertrauen, dass er auf uns aufpasst und wir in Gottesfurcht aufeinander. Damit das nicht passiert, was der Prediger befürchtet: dass Menschen zugrundegehen, in Bosheit anderen zuleid leben, dass sie sterben vor ihrer Zeit, dass die Verbindung zwischen unserem gemeinsamen Leben wie abreißt. Dem allen entgehen, im Leben verschont bleiben, auf das Leben, sich und Gott aufpassen. Darum bitten: Gott, pass gut auf uns. Amen.

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