Freitag, 21. September 2018

Morgen ein Wunder


Predigt am 17.Sonntag nach Trinitatis (23.9.2018)


Josua 3, 5-11+17
5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. 6 Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 7 Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8 Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. 9 Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 10 Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan. … 17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.

Untergehen
Über den Jordan kommen. An ihm stehen und wissen: Es gibt keinen anderen Weg, keinen anderen Weg, als durch ihn durchhinzugehen. Durch den Jordan gehen. Als wäre das so einfach. Breit ist er, über die Ufer getreten ist er, viel Wasser trägt er. Schnelle, reißende Flut. Unüberwindbar. Morgen kommt ein Wunder. Über den Jordan kommen, durch ihn hindurch. Wenn das so leicht wäre. Wenn Menschen vor ihrem Jordan stehen und wissen: Es gibt keinen anderen Weg mehr, es sind mächtige Lebens-Fluten, zu breit, zu tief, kein Leben in Sicht. Wenn Menschen vor ihrem Jordan stehen, vor etwas, was unüberwindbar ist, vor etwas, über das sie nicht hinüberkommen, vor etwas, was für sie eine nicht überschreitbare Schwelle ist, etwas aber, worüber sie müssen, wollen, weil da drüben, über ihrem Jordan das gelobte Land ist, Besserung, gute Zeit sichtbar ist.
Morgen kommt ein Wunder. Wenn das so einfach wäre. Wenn Menschen drohen zu ertrinken, unterzugehen, eben nicht durchzukommen ans andere rettende Ufer, wenn Flut und Wellen über sie drohen einzustürzen, wenn Probleme zu viele sind, wenn der Schmerz zu tief ist, wenn kein Ausweg mehr da ist, wenn morgens das Aufstehen schon sinnlos scheint, der Tag aus dunklen Stunden nur besteht, abends Angst mit im Bett liegt, weil man die Nacht und ihre Träume und den nächsten Tag fürchtet. Da stehen vor dem eigenen Jordan. Und Morgen kein Wunder. Sondern: Vor dem eigenen Jordan wegrennen, zurück, aber noch tiefer hinein ins Leben, was keines mehr ist. Oder: Resigniert aufgeben, aufhören, über den Jordan zu wollen, ans rettende Land zu glauben, aufhören zu sein. Oder: In den Jordan sich einfach hineinstürzen. In die Fluten, aussichtslos, und weggespült werden, wirklich untergehen.

Eintreten
Einen solchen wie Josua, solche wie die Priester, solche wie das mitgehende Volk, die bräuchte es dann an meinem Jordan. Einen der eintritt, eintritt mitten in mein Leben, der wie dazwischenkommt, sich einstellt, wo ich stehe, der von wo anders her, fern von mir, etwas hört, etwas weiß und hineinbringt in meine Situation. Einer, der mich zum Hörer macht, der mir die Ohren öffnet und ich eingebunden werde in mehr als das, was ich gerade bin an verzagten und armseligen Menschen. Einer, den andere groß nennen, weil Großes man ihm anvertraut und Großes mit ihm ist. Ich bräuchte solche, denen ich dann folgen könnte, die Mut und Auftrag hätten voranzugehen, mir voranzugehen, denen ich mich geben darf, anvertrauen kann, denen ich - so müde geworden - fast blind nachgehe, weil sie vorangehen, ja, auch durch den Jordan, und durch die ich dann sehe: Da sind andere wie ich, vielleicht nicht sichtbar, aber andere, denen es geht wir mir. Wir sind ein merkwürdiges Volk am Jordan, die gleiche Angst, das gleiche: wir kommen nicht hinüber.

Dastehen
Morgen ein Wunder. Ein Kasten aus Holz, Lade genannt, vielleicht sogar leer, leer, weil Gott nicht in Kästen ist, in keiner Truhe sich aufbewahren lässt. Wenn Gott aber da wäre, wenn er an meinem Jordan sich mir zeigte, für mich spürbar wäre, wenn er mitstünde am Jordan, und fast geheimnisvoll auch drüben am anderen Ufer, weil er selbst das gelobte Leben ist, dann würde ich hinüberkommen, vielleicht.
Ich bräuchte etwas, was zu stehen kommt, mitten im Jordan, mitten in diesem Unüberwindbaren zu stehen kommt und für mich dasteht. Ich weiß nicht, was es ist, wenn ich es wüsste, wäre ich schon jenseits des Jordans. Aber es müsste etwas sein, was dahin kommt, was dahin getragen wird, ein Jemand, ein Ereignis, ein Wort, ein aufkeimendes Vertrauen, ein Schimmer der besseren Zeiten, ein Gott, ein Mensch. Wenn dies hingestellt würde, hinbewegt jetzt unbewegt, fest und sicher, still und starr, ewige Momente dastehen würde in den Lebens-Fluten - und es würde dann für mich aushalten, was ich nicht aushalten kann, würde abhalten, was mich umreißt, aufhalten, dass ich nicht untergehe in diesem verfluchten Jordan.

Trocken
Dann könnte ich trockenen Fußes hinüberkommen, dann wäre heute Wunder und morgen auch. Dann würde ich mit meiner Seele, die durchnässt ist, heiler und unversehrter durch meinen Jordan kommen, würde das Wunder für mich geschehen und ich glauben: das im Kasten war etwas, dass die Fluten mich nicht umbringen, dass ich lebe und mit mir das Volk jenseits des Jordans, dass Gott irgendwie mobil ist, beweglich, mit mir ist und dazwischen gerät, eintritt, vorangehet und lebendig mich hindurchführt, hindurchführt durch meinen Jordan, ja mich unsichtbar hindurchträgt trockenen Fußes, gerettet.

Morgen
Morgen ein Wunder. Ich soll mich dafür heiligen. Ich möchte Hörer sein, auf die ganz leise und bestimmte Stimme Gottes hören, ihr gehorchen, folgen, hinter ihm hergehen, eingebunden in Andere, in Wortgeber, in Hoffnungsboten, in Mitleidende, im Volk am Jordan auf dem Weg ins gelobte Leben. Ich soll mich heiligen dem lebendigen Gott, vorbereiten auf das Wunder, was Morgen meine Not zu wenden vermag? Kann ich das? Kann man das? Sich heiligen, sich heilig machen, fühlen? Vielleicht einreihen, das kann man, das könnte ich, sich etwas kleiner machen, etwas geringer, sich in die Hände geben, das könnte ich, und: hoffen, aufmerken auf solche wie Josua, auf solche, die Gott tragen und bringen, für mich dazwischen stellen. Ich könnte da stehen am Jordan anders und nach der Lade schauen. Morgen das Wunder. Amen.

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