Predigt am 17.Sonntag nach Trinitatis
(23.9.2018)
Josua 3, 5-11+17
5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt
euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. 6 Und Josua sprach zu
den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie
die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 7 Und der HERR sprach zu Josua:
Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen:
Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8 Und du gebiete
den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser
des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. 9 Und Josua sprach zu den
Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 10 Daran sollt ihr
merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben
wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und
Jebusiter: 11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor
euch hergehen in den Jordan. … 17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des
HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging
auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.
Untergehen
Über den Jordan kommen. An ihm stehen
und wissen: Es gibt keinen anderen Weg, keinen anderen Weg, als durch ihn
durchhinzugehen. Durch den Jordan gehen. Als wäre das so einfach. Breit ist er,
über die Ufer getreten ist er, viel Wasser trägt er. Schnelle, reißende Flut.
Unüberwindbar. Morgen kommt ein Wunder. Über den Jordan kommen, durch ihn
hindurch. Wenn das so leicht wäre. Wenn Menschen vor ihrem Jordan stehen und
wissen: Es gibt keinen anderen Weg mehr, es sind mächtige Lebens-Fluten, zu
breit, zu tief, kein Leben in Sicht. Wenn Menschen vor ihrem Jordan stehen, vor
etwas, was unüberwindbar ist, vor etwas, über das sie nicht hinüberkommen, vor
etwas, was für sie eine nicht überschreitbare Schwelle ist, etwas aber, worüber
sie müssen, wollen, weil da drüben, über ihrem Jordan das gelobte Land ist,
Besserung, gute Zeit sichtbar ist.
Morgen kommt ein Wunder. Wenn das so
einfach wäre. Wenn Menschen drohen zu ertrinken, unterzugehen, eben nicht
durchzukommen ans andere rettende Ufer, wenn Flut und Wellen über sie drohen
einzustürzen, wenn Probleme zu viele sind, wenn der Schmerz zu tief ist, wenn
kein Ausweg mehr da ist, wenn morgens das Aufstehen schon sinnlos scheint, der
Tag aus dunklen Stunden nur besteht, abends Angst mit im Bett liegt, weil man
die Nacht und ihre Träume und den nächsten Tag fürchtet. Da stehen vor dem
eigenen Jordan. Und Morgen kein Wunder. Sondern: Vor dem eigenen Jordan
wegrennen, zurück, aber noch tiefer hinein ins Leben, was keines mehr ist.
Oder: Resigniert aufgeben, aufhören, über den Jordan zu wollen, ans rettende
Land zu glauben, aufhören zu sein. Oder: In den Jordan sich einfach
hineinstürzen. In die Fluten, aussichtslos, und weggespült werden, wirklich
untergehen.
Eintreten
Einen solchen wie Josua, solche wie
die Priester, solche wie das mitgehende Volk, die bräuchte es dann an meinem
Jordan. Einen der eintritt, eintritt mitten in mein Leben, der wie
dazwischenkommt, sich einstellt, wo ich stehe, der von wo anders her, fern von
mir, etwas hört, etwas weiß und hineinbringt in meine Situation. Einer, der
mich zum Hörer macht, der mir die Ohren öffnet und ich eingebunden werde in
mehr als das, was ich gerade bin an verzagten und armseligen Menschen. Einer,
den andere groß nennen, weil Großes man ihm anvertraut und Großes mit ihm ist.
Ich bräuchte solche, denen ich dann folgen könnte, die Mut und Auftrag hätten
voranzugehen, mir voranzugehen, denen ich mich geben darf, anvertrauen kann,
denen ich - so müde geworden - fast blind nachgehe, weil sie vorangehen, ja,
auch durch den Jordan, und durch die ich dann sehe: Da sind andere wie ich,
vielleicht nicht sichtbar, aber andere, denen es geht wir mir. Wir sind ein
merkwürdiges Volk am Jordan, die gleiche Angst, das gleiche: wir kommen nicht
hinüber.
Dastehen
Morgen ein Wunder. Ein Kasten aus
Holz, Lade genannt, vielleicht sogar leer, leer, weil Gott nicht in Kästen ist,
in keiner Truhe sich aufbewahren lässt. Wenn Gott aber da wäre, wenn er an
meinem Jordan sich mir zeigte, für mich spürbar wäre, wenn er mitstünde am
Jordan, und fast geheimnisvoll auch drüben am anderen Ufer, weil er selbst das
gelobte Leben ist, dann würde ich hinüberkommen, vielleicht.
Ich bräuchte etwas, was zu stehen
kommt, mitten im Jordan, mitten in diesem Unüberwindbaren zu stehen kommt und
für mich dasteht. Ich weiß nicht, was es ist, wenn ich es wüsste, wäre ich
schon jenseits des Jordans. Aber es müsste etwas sein, was dahin kommt, was
dahin getragen wird, ein Jemand, ein Ereignis, ein Wort, ein aufkeimendes
Vertrauen, ein Schimmer der besseren Zeiten, ein Gott, ein Mensch. Wenn dies
hingestellt würde, hinbewegt jetzt unbewegt, fest und sicher, still und starr,
ewige Momente dastehen würde in den Lebens-Fluten - und es würde dann für mich
aushalten, was ich nicht aushalten kann, würde abhalten, was mich umreißt,
aufhalten, dass ich nicht untergehe in diesem verfluchten Jordan.
Trocken
Dann könnte ich trockenen Fußes
hinüberkommen, dann wäre heute Wunder und morgen auch. Dann würde ich mit
meiner Seele, die durchnässt ist, heiler und unversehrter durch meinen Jordan
kommen, würde das Wunder für mich geschehen und ich glauben: das im Kasten war
etwas, dass die Fluten mich nicht umbringen, dass ich lebe und mit mir das Volk
jenseits des Jordans, dass Gott irgendwie mobil ist, beweglich, mit mir ist und
dazwischen gerät, eintritt, vorangehet und lebendig mich hindurchführt,
hindurchführt durch meinen Jordan, ja mich unsichtbar hindurchträgt trockenen
Fußes, gerettet.
Morgen
Morgen ein Wunder. Ich soll mich
dafür heiligen. Ich möchte Hörer sein, auf die ganz leise und bestimmte Stimme
Gottes hören, ihr gehorchen, folgen, hinter ihm hergehen, eingebunden in
Andere, in Wortgeber, in Hoffnungsboten, in Mitleidende, im Volk am Jordan auf
dem Weg ins gelobte Leben. Ich soll mich heiligen dem lebendigen Gott,
vorbereiten auf das Wunder, was Morgen meine Not zu wenden vermag? Kann ich
das? Kann man das? Sich heiligen, sich heilig machen, fühlen? Vielleicht
einreihen, das kann man, das könnte ich, sich etwas kleiner machen, etwas
geringer, sich in die Hände geben, das könnte ich, und: hoffen, aufmerken auf
solche wie Josua, auf solche, die Gott tragen und bringen, für mich dazwischen
stellen. Ich könnte da stehen am Jordan anders und nach der Lade schauen.
Morgen das Wunder. Amen.
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