Predigt am 11.
Sonntag nach Trinitatis
(12. August 2018)
(12. August 2018)
Galater 2, 16-21
16 Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht
gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum
Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben
an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke
wird kein Mensch gerecht. 17 Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht
zu werden suchen, sogar selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus
ein Diener der Sünde? Das sei ferne! 18 Denn wenn ich das, was ich
niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem
Übertreter. 19 Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott
lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. 20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern
Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im
Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich
dahingegeben. 21 Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn durch das
Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.
Leben wegwerfen
Etwas wegwerfen. Das machen
Menschen alltäglich. Dann, wenn etwas verbraucht ist, nicht mehr gebraucht
wird, kaputt ist. Dann wird es weggeworfen. Menschen werfen achtlos weg, und
manchmal mit Bedacht. Manchmal werfen sie Dinge weg, um sich von ihnen zu
trennen, um sie loszubekommen, auch um vielleicht neu aufzubrechen. Wegwerfen
gehört zum Leben, wie Bekommen und Behalten. Und manche Menschen werfen mehr
als nur Dinge, Sachen weg, sie werfen andere Menschen weg, nicht wirklich, aber
sie behandeln sie so, und manchmal wie in einem verkehrten Leben werfen
Menschen ganz Wertvolles weg, verlieren es auf dramatische Weise. Und manchmal
werfen Menschen ihr Leben weg, vergeuden Chancen, gehen fahrlässig mit eigenen
Talenten, mit dem, was ihnen geschenkt ist, um. Und immer ist es traurig, wenn
das passiert, wenn Menschen ihr Leben wegwerfen, zornig, trotzig, allmählich,
aus Versehen, mit sehendem Auge. Und Nein, möchte man sagen. Nein: Nicht
wegwerfen.
Vielleicht mag Menschen manchmal vieles,
alles vergeblich erscheinen, umsonst, ohne Sinn und Gehalt und ihr Leben selbst
kommt ihnen merkwürdig vergeblich vor, als sei es nicht wert, als sei es ohne
Resonanz, ohne Wirkung, ohne Grund. Und eigentümlich verkehrt sich alles dann,
nicht Sinn ist Leben, sondern Sterben macht Sinn, nicht Helligkeit beim
Aufgehen der Sonne, nicht Ruhe in der Nacht, nicht Seele, die atmet, nicht
andere, die freuen, sondern das Leben ist verkehrt, als sei das Leben mitten im
Leben schon Tod, als sei nicht von irgendwo Gnade ins Leben gegeben, als sei
nicht immer auch von Sinn erzählt worden, als sei da nicht einer, der alles
zusammenhält und geborgen hält.
Und statt liebevoll sich in die
Arme der Gnade zu werfen, statt zu behalten, was Gott an Liebe ins Leben legt,
stolpern Menschen übers eigene Leben, nagt die Vergeblichkeit an ihnen, bauen sie
auf, was für sie schon längst eingerissen wurde, bauen wieder auf Angst und
Argwohn, bauen wieder auf Selbstbehauptung und Rivalität, bauen sich groß und
größer auf, statt sich heilsam in die eigene Kreatürlichkeit und Liebe
einzuordnen. Sie fallen zurück hinter ihre eigene Zeit, hinter die eigene
Geschichte des Lebens und des Glaubens, hinter die widerfahrene Gnade
Kann nicht sein
Nein! Das darf nicht sein. Nein!
Das kann nicht sein! Das sei ferne. In alten, kaum eigenen Worten macht Paulus
diese Erfahrung durch, die Menschen schon immer und heute kennen, und er ringt
um seine eigenen Lebensgeschichte, die immer wieder gebrochen wird durch Sünde,
Vergeblichkeit, verkehrten Welten und Verlieren, wie Menschen ringen um ihre
eigene Lebens- und Glaubensgeschichte, ihrer Geschichte der Suche nach sich,
nach Leben, nach anderen, nach Gott.
Das sei ferne! Dass uns die
Vergeblichkeit anfällt wie ein dumpfer Schatten in der Nacht. Das sei ferne!
Dass uns der Sinn abhandenkommt, wie ein wertvoller Augenblick der Ewigkeit im
faden Zeitenlauf. Das sei ferne! Dass wir unser wegwerfen als seien wir uns
selbst Müll und Morast. Das sei ferne! Nein, denkt und sagt Paulus für sich und
für uns. Nein. Das sei ferne. Und er bringt Distanz, einen heilsam
aufbrechenden Abstand hinein, ein Könnte und ein Ist, einen Konjunktiv und den
heilsamen Indikativ göttlicher Liebe. Ich glaube doch, auch wenn ich als Sünder
gefunden würde. Ich gehe den rechten Weg, auch wenn manche Irrwege mich suchen
würden. Ich bin durch die Liebe Gottes geworden was ich bin, ich bin sein Werk,
nicht das Werk anderer Götter, anderer Wege, auch nicht das Werk meiner selbst.
Christus ist nicht vergeblich gestorben, sondern für mich.
Wege sterben, ich lebe
Manche Wege müssen sterben. Alle
Wege, die von Gott wegführen, alle Irrwege, die Menschen vom Leben fernhalten,
die sie gehen und auf dem sie selbst am Leben sterben, sich und die Gnade
wegwerfen, einen verkehrten Sinn sehen. Diese Wege müssen sterben. Wege sterben
aber nicht, sondern die, die darauf dem Lebenstod gehen. Wege sterben nicht,
sondern wir dürfen sie nicht mehr gehen, sie müssen für uns sterben.
Es ist eine geheimnisvolle
Weggemeinschaft zwischen Christus und uns: Christus ging diese Wege. Er als
Gerechter, als von Gott zutiefst Geliebter und seine Liebe wie kein anderer
Bringender. Christus ging diese Wege, und alle Irrwege, alle Wege der Sünder
und Ungerechten fanden sich auf seinem Weg. Er wurde zum Opfer dieser Wege, er ging
diese Wege tödlich dahin und gab sich auf seinem Weg dahin in Liebe.
Sein Tod auf diesem Weg kommt mir
zu Gute: Gehe ich diesen Weg mit ihm, werde ich mit ihm gekreuzigt und sterbe
mit ihm. Ist er auf diesem Weg gestorben, brauche ich nicht mehr darauf zu
sterben. Den Weg, den ich als Sünder immer wieder gehe, ist schon längst seiner:
Ich gehe den Weg mit ihm, er stirbt ihn für mich, der Weg ist für mich
gestorben. So ist dieser Weg nicht mehr mein Weg, sondern der von Christus und
mir; so ist sein Sterben meines und meines seines, und so ist mein Leben nicht
mehr meines, sondern das von Christus und mir, es ist keines zum Wegwerfen
niemals vergeblich und genau das mit Sinn: Ich lebe ihm und er lebt in mir. Amen.
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