Predigt an
Karfreitag (30. März 2018)
Hebräer 9, 15.26b-28
Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes,
auf dass durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen
unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen. Nun
aber, am Ende der Zeiten, ist er ein für alle Mal erschienen, um durch sein
eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal
zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert
worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal erscheint er nicht der
Sünde wegen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten
Meine Zeit
Christus
ist erschienen. Mit seiner Geburt, mit seinem Leben, mit all seinen Worten und
Taten, seinen Gesten und Gleichnissen, seiner schier unglaublichen Nähe zu
Gott. Mit seinem Tod am Kreuz ist ER erschienen. Christus ist erschienen mit
seinem Tod mitten in menschliche Zeit hinein, in die Zeit seiner Jünger und
Jüngerinnen, in die Zeit auf Golgatha, in die Zeit jenes ersten Karfreitags, in
die Zeit seitdem, in die jetzige Zeit, in unsere Zeit, die wir leben, so wie
wir sie leben.
Jesu Tod
ist das Ende einer Zeit, mit seinem Tod stirbt auch eine Zeit, eine ganz
bestimmte Zeit. Sein Tod am Kreuz beendet dieser Zeit, schließt sie ab, macht
mir ihr Schluss, endgültig, definitiv, ein für alle Mal, unumkehrbar, für
immer, vollendet sie im Leiden bis zum Nullpunkt. Mit seinem Tod stirbt die
Zeit unserer Sünde, unserer Übertretungen, des ersten und gebrochenen Bundes,
die Zeit unseres Lebens, das gegen das Leben und gegen Gott sich gebiert. Diese
Zeit ist gestorben, beendet, tot.
Jesu Tod
ist eine Zeitzäsur, ein Zeitenwechsel, ein Zeiteinschnitt, wie er nicht
deutlich, nicht klarer, nicht prägender sein könnte. In der Zeit geschieht sein
Tod, aber wie ein Jenseits der Zeit trifft er die Zeit und schneidet sie in
zwei Stücke, einen davor und einen danach, und der erste, der davor, die Zeit
der Sünde, der Übertretung, des Getrenntseins von Leben und Gott ist beendet,
abgeschlossen, vorbei, einmal für alle Mal.
Zeit-Übertrag
Was macht
Gott nur mit unserer Sünde, an diesem Tag, an jedem Tag, an Karfreitag? Wie
tritt Gott uns gegenüber, die wir uns gegen Leben, Liebe und Gott versündigen,
abtrennen von dem, was Leben meint und sucht und will? Was tut er mit Sünde?
Gott
verzweifelt darüber, kämpft dagegen an, wirbt mit Liebesworte, rennt weg und
wieder entgegen, wird müde, bleibt bei sich. Am Kreuz seines Sohnes erträgt er
die Sünde am eigenen Leben und an eigenen Leib. Erträgt er sie, ohne
auszuweichen, ohne herunterzugehen vom Kreuz, erträgt er sie, hält er an seiner
Nähe zu Menschen festhält, inmitten größtmöglicher Gottesferne, bleibt er
mitten im Hass, im Leid, im Widerwärtigen bei der Liebe, lässt er sich doch
nicht trennen von seiner Lieben Gedanken und so, genauso, ohne es zu wollen, bricht
der Sünde Macht, schafft Sünde nicht mehr, trennend zu sein, zu wirken.
Der EINE
vergeht am Kreuz, er atmet seinen letzten Atem, seine Zeit ist zu Ende, er
stirbt und wird zu Nichts. Aber das ANDERE, unsere Sünde, stirbt eigentlich und
wirklich, vergeht, tut ihren letzten Todesstoß und vergeht zu Nichts. Welch
merkwürdiger Wechsel, welch geheimnisvoller dunkel heller Tausch. Jesus ist sterbendes
Opfer, aber der Tod selbst stirbt. Jesus vergeht, aber die Sünde endet. Ein
Zeitwechsel, als würde man das Blatt umdrehen und die Geschichte, die Zeit und
das Leben würde neu geschrieben werden, als würde das Davor zur Asche und nur
das Danach zählt und rechnet die Zeit.
Neue Zeitrechnung
Menschen
werden durch Jesu Tod erlöst, erlöst von eigener Sünde und befreit zum Leben.
Weggenommen wird, was uns immer und immer wieder beschwert und anfällig macht.
Errettet werden Menschen, errettet von Sintfluten des eigenen Lebens hin zur
Herrlichkeit der Kinder Gottes. Aufgehoben und annulliert wird für uns, was
trennt. Es darf und wird und kann nicht mehr trennen, Menschen, euch von eurem
Gott. Die Zeit hat sich gewendet. Die getrennte Zeit ist vorbei.
Am Kreuz
wird inmitten des Risses durch die Zeit ein Zeitenwechsel sichtbar, ein neuer
Bund, ein Gott, der bei seiner Liebe bleibt und die Sünde besiegt. Menschen dürfen
mit der Zeit neu rechnen. Sie sehen sich am Kreuz, wie ihre eigene Zeit der
Sünde beendet ist und sie neue werden noch verborgen im Dunkel des Karfreitags,
wie Gott sie zärtlich Erlöste, Erben, Empfänger, Erwartende nennt, sie zu
solchen macht.
Als würde
das Kreuz, als würden SEINE Arme sich unsichtbar spürbar ausbreiten zu unseren,
als würden wir tauschen mit JENEM am Kreuz, er für uns unsere Sünden sterben,
seine Liebe zu unserer werden, wir mit sachte sich ausbreitenden Armen wieder
und immer wieder das Leben empfangen, spüren, hören und leben: Wir sind Erben,
Erben einer wahrlich großen Verheißung, die schon immer und nun immer bleibend
unserem Leben zugrunde liegt und gilt, eine Verheißung des Lebens, die dort
entdeckt und gelebt werden will, die Verheißung, ein Leben in Leben und Freude
mit und vor Gott, sich und all den anderen zu gestalten. Wir sind solche, von
deren Leben die Sünde immer und immer wieder abgetragen wird, die neu in die
Zeit gehen dürfen, als solche, die erwarten dürfen, die grundlegend Erwartende
sind, hoffnungsvoll und schon auch heute lichtsehnsuchtsvoll Ostern entgegen.
Da wird alles erscheinen. ER und auch Wir. Amen.
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