Samstag, 11. Februar 2017

Was zu tun schuldig ist



Predigt an Septuagesmiae (12.2.17)

Lukas 17, 7-10
Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch?  Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; und danach sollst du essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Mitsprechen
Wir sind unnütze Knechte. Das sprechen, das denken, fühlen, von sich meinen, sich so sehen. Das fällt Menschen schwer, sehr schwer: Knecht: Nein. Ein bisschen vielleicht, aber nicht so radikal, nicht so devot, nicht so eindeutig. Menschen sind auch Herren, Herren ihres Lebens, Ihrer Zeit, dessen, was sie tun und lassen, wem sie was sagen. Selbstbestimmt, selbständig, nicht nur unterworfen, nicht nur erniedrigt, nicht nur Befehlsempfänger. Unnütze Knechte. Das sprechen, das denken, fühlen, von sich meinen. Das fällt Menschen schwer, sehr schwer: Unnütz: Nein. Menschen nützen doch was, etwas und manchmal viel, sie bringen was hervor, sie erarbeiten was, sie sind nützlich, hilfreich, ertragreich, wertvoll. Zumindest für den Herren, dem sie nützen.
Menschen: Hin- und hergeworfen zwischen dem Anfang und dem Ende dieses kleinen Textes, zwischen: Hören: „Wer unter euch hat einen Knecht“ und selbst sagen: „Wir sind unnütze Knechte“, zwischen Herr und Knecht, zwischen Herr-Sein und Knecht-Sein, zwischen Herrschaft und Knechtschaft, zwischen Dienen und Herrschen, zwischen Demut und Selbstbewusstsein, zwischen Sich-Hingeben und Bekommen, zwischen Geben und Nehmen. Und beides sind Menschen, Herr und Knecht, nein, nicht beides: Etwas irgendwie dazwischen sind sie. Etwas anderes sind sie, etwas mehr, viel mehr:

Unverschuldet
Eine andere Vision hat Jesus, eine andere Vision vom Leben. Nicht geben und nehmen, nicht Haben und Sein, nicht Herr und Knecht. Nicht ein „Und“, das immer wieder zu einem „Oder“ werden kann: Geben oder Nehmen, Haben oder Sein, Herr oder Knecht. Jesus hat eine andere Vision vom Leben, ein Leben, das sich auf grundlegende Weise verbunden weiß, in Beziehung fühlt, miteinander lebt, in dem sich Menschen etwas immer schulden, Gott letztlich alles schulden.
Unverschuldet kommen Menschen in diese Welt. Ungefragt, ohne eigene Absicht, ohne eigenes Zutun. Geboren werden sie. Ihnen wird das Leben geschenkt. Sie verdanken ihr Leben und sich anderen. Zuerst ist ihnen das Wesentliche gegeben. Und solange ihr Leben geht, so sehr und immer wieder auch daneben tritt, dass sie auch Eigenes tun und gestalten, selbst im Leben werden, leben sie im Grunde davon, dass ihnen was gegeben wurde und immer wieder gibt. Und Menschen sterben dort mitten im Leben, wo dies aufhört, dass sie Empfangende, Beschenkte sind. Das Wesentliche und wirklich Wichtige im Leben wird einem Menschen gegeben, geschenkt, ins Leben hineingelegt. Aus diesem tiefen Grund leben und schöpfen sie.
Und so sehr auch Negatives, Schlimmes, Fragliches Menschen widerfährt, sich auch die ganze Tragik der menschlichen Existenz in ihr Leben wie einzeichnet, hineingibt, gegeben wird, es ein fast geheimnisvolles Geben und Bekommen vom Negativen gibt, bleibt es Aufgabe des Menschen, ist es seine Auszeichnung, seine Würde, sein Jenseits von Herr und Knecht, dass er das zurückgibt, was er bekommen hat, dass er wiedergibt, was ihm geschenkt ist, dass er grundlegend das schuldet, was ihm geliehen wurde an Liebe, an Glück, an verdankten Leben. Es war nie sein, nie sein Besitz, es war immer geliehen, um damit zu leben, um davon zu leben, und es liegt in der Logik des Lebens, dies wieder frei zu geben, wieder her zugeben, wieder zu schenken, es anderen unverschuldet schuldig zu sein. Das ist Jesu Vision des gegenseitigen Lebens.

schuldig
Es ist in seiner Welt, in dieser Welt eine grundlegende Schuldigkeit, die Menschen haben. Keine moralische Schuld oder Schuldigkeit. Sondern eine tief in das Wesen des Lebens hineinreichende Schuldigkeit. Wir sind gegenseitig das Leben schuldig. Uns. Den anderen. Und Gott. Wir schulden einander das Leben, den Respekt, die Würde, das Hergeben, die Liebe, das Vertrauen, unserer Hände Werk, unserer Gedanken Schönheit, unseres Lebens Tage. Wir schulden es Gott. Ihm alles. Er rief uns ins Leben, er schenkt und gewährt es uns in jedem Augenblick unseres Daseins, er verbirgt unsere Schuld in seiner Gnade, er hält uns aus, er begleitet uns hinüber zu sich. Ihm verdanken wir alles. Ihm schulden wir uns.
Nur so sind wir Knechte und tun, was uns anbefohlen ist, tun, was unsere Menschenpflicht ist, tun, was gefordert ist, was mit unserem Leben versprochen ist, was unserer grundlegenden Schuldigkeit angemessen ist. Und andere tun das an uns. Sie sind uns schuldig an. Wir schulden einander das Leben und tun das, was der Grund des Lebens, Gott, uns verpflichtet zu tun: anderem durch unser Leben zu dienen, wie diese uns schuldig, uns zu dienen.
Und dann sind wir einander viel mehr als Knecht und Herr, als Herr oder Knecht. Wir erfüllen die Vision Jesu, Gottes Vision von einem in ihm verbundenen Leben. Wir sind unnütz, wertlos, armselig, leer und ganz ohne. Wir geben anderen, was wir ihnen schulden: Das Wesentliche vom Leben. Und wir werden erfüllt, mit Leben erfüllt, erhalten unglaublichen Wert, unermesslichen Reichtum für unsere Seele. Wir hören und sprechen selbst, in einem Atemzug, in einem ewigen Lobpreis der Liebe Gottes hören und sprechen wir: Dir, Mensch, bin ich unnützer Knecht, dir tue ich, was ich dir schuldig bin. Amen.

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