Samstag, 4. Februar 2017

Der Weg des Lebens als Weg des Gottesdienstes



Predigt zur Neugestaltung der Kapelle im Mutterhaus am 29.1.17

Lebenswege

Menschen gehen Wege, viele, unzählige, alltägliche, neue und alte, zusammen und einsam. Menschen gehen, haben ihre Lebenswege, vom ersten bis zum letzten Atemzug, von Geburt bis zum Sterben, und hoffentlich darüber hinaus, Lebenswege mit Höhen und Tiefen, mit Freuden und Wunden, mit Liebe und Verzweiflung, mit so vielen anderen Menschen und Orten. Menschen gehen Lebenswege und ab und zu, regelmäßig, nur manchmal und oft kehren sie ein an Orte, die Gottes Verheißung tragen, die Zeichen seiner Liebe sind, die man Kirchen, Gottesdiensträume, Kapellen wie diese unsere nennt. Menschen gehen hierher, mitten aus ihrem gewöhnlichen Tag, setzen sich nieder, singen, beten, hören, nehmen zu sich Brot und Wein, gehen wieder zurück in ihr Leben.
Und jeder Gottesdienst selbst war dann ein Weg, wurde zum Weg, ein kleiner Weg, im Sitzen und Stehen gegangen, nachvollzogen, verheißen, hineingenommen. Ein Weg, in dem sich eigentlich unser ganzes Leben, von seiner Geburt bis zum Ende abbildet, wiederfindet. Dieser Weg hat vier Schritte:

Eröffnung und Anrufung

Der erste Schritt: Der Gottesdienst wird eröffnet mit dem Votum „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Deshalb sind wir hierher gekommen.
Es erinnert uns daran, warum wir überhaupt da sind, auf die Welt gekommen sind. Woher kommen wir? Wem gehören wir? In wessen Namen leben wir unser Leben? Wozu sind wir da? Irgendwie erinnert uns der Beginn des Gottesdienstes an unseren eigenen Beginn, hat er mit Geburt und dem beginnenden Werden im Leben zu tun.
Dann singen wir im Gottesdienst das erste Lied; und merkwürdig wir merken, dass wir nicht allein sind, da singen Menschen mit uns, sind Menschen mit auf dem Weg, da beantworten Menschen die Frage nach dem Warum mit mir. Und das erste Lied erinnert uns immer an die ersten Lieder unseres Lebens, vielleicht an der Wiege gesungen oder als eine Partnerschaft begann.
Im Gottesdienst folgt auf das Lied ein gemeinsam gebeteter Psalm, ein alter Psalm, alte Worte; wir spüren, wir hören, wir sagen es selbst: Wir sind eingebettet in eine lange Geschichte, da waren und sind Menschen vor uns, nicht wir bringen unser Leben hervor, sondern wir werden geboren, wir werden am Anfang hineingestellt in eine Welt von Menschen, in Menschen, die auch beten, hineingestellt in das Volk Israel, in seine Geschichte, hineingestellt, hinein gebetet in die Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Demütig nehmen wir alte Worte auf, sprechen sie zu unseren, kommen wir in Klagen, Hoffen, Loben und Bitten vor Gott.
Dann folgt das Eingangsgebet. Wir bringen unser Leben, all, das was in ihm ist, was sich angesammelt hat an Frage, an Hellem und Dunklen, schütten es vor Gott aus, manchmal werfen wir es ihm auch vor, als wollten wir uns umdrehen und gleich wieder gehen. Wir bringen das Leben vor Gott, wie am Anfang des Lebens das Leben noch vor uns selbst ist, all das, was noch kommen mag, an Hoffen und Bangen, an Lieben und Hassen, an Leben und Werden. Das Gebet mündet in das Kyrie, in das sich-Gott-in-die-Arme-werfen, mündet ein in die Bitte um Zuwendung und liebendes Erbarmen. Wie ein Kind. Und Gott wendet sich uns zu. Im Gnadenspruch hören wir das, spüren wir das, sagt sich Gott uns zu und macht uns frei zu Kindern seines Wohlgefallens. Bleibendes Zeichen des ersten Schritts ist die Taufe.

Verkündigung und Bekenntnis

Nach diesem ersten Schritt folgt der zweite. Im Gottesdienst kommt nun nach dem Eingangsteil der Teil der Verkündigung und des Bekenntnisses. Das Schriftwort der Bibel tritt uns entgegen. Die Menschen bekennen gemeinsam ihren Glauben. Es wird von Gott gepredigt. Worte werden uns gegenüber gestellt, geschenkt, zu geworfen; wir müssen uns dazu stellen, zum Hörer werden, aufnehmen oder nicht. Wir müssen erwachsen sein. So will uns Gott. Die Worte erinnern uns daran, wie vieles uns auf den Weg gelegt wird, gesagt wird, an wohlgemeinten. Den Weg müssen wir selbst gehen, auswählen, entscheiden, eigene Worte, eigene Standpunkte finden, im gegenüber zu Gott, manchmal auch gegen ihn. Leben heißt Worte hören und selber finden, sich bekennen und sich etwas sagen lassen, selbst anderen etwas sagen, weitersagen und dennoch im Hören bleiben. Symbol und Ort für diesen zweiten Schritt ist die Kanzel. Gottes erhobenes Wort, das sich uns zuwendet, um unseres zu werden.

Abendmahl

Nun folgt der dritte Schritt: Neben der Predigt ist das Abendmahl die Mitte des Gottesdienstes. Nach dem unsichtbaren Wort von der Kanzel, können wir Gott unter sichtbaren Mitteln spüren, macht er sich spürbar gegenwärtig. Wir finden Gemeinschaft, Trost, neues Leben, Hoffnung, werden für den holprigen Weg zugerüstet, mit Brot und Wein.
Predigt und Abendmahl erinnern uns an die Mitte des Lebens. Gibt es die überhaupt? Wann ist die? Und wie alt müsste man sein. Vielleicht wenn sich die Geschäftigkeit, das allzu Anstrengende abgelegt hat, das zwingende …  wenn man mit den zugefügten Wunden zu leben gelernt hat, wenn man ankommt wie von selbst, wenn man zu lässt, wenn man bereit ist sich zu versöhnen, mit sich und anderen; wenn man genießen. Mitte des Lebens, letztlich von Gott geschenkt.
Im Gottesdienst werden Worte und Abendmahl dargereicht, geschenkt, schenkt sich Gott selbst. Die Mitte ist neben Kanzel der Altar, das dritte Zeichen, hierum versammeln sich die Menschen, hier steht das Wesentliche, Kelch und Brot, Erinnerung an Jesus, seinen Weg, den er für uns mit uns geht, seine Lebensgaben, von denen wir nehmen und Leben, immer wieder, unerschöpflich, gemittet, eine Mitte in ihm gefunden.

Sendung und Segen

Der vierte und der letzte Schritt. Am Ende. Erinnerung an das Ende des Lebens. An das Sterben und die Frage nach dem Wohin jetzt? Am Anfang: Woher, am Ende: Wohin? Es gibt viele Antworten auf diese Frage. Manche antworten: Nirgends mehr wohin. Schluss. Aus. Nicht Christen, nicht wir.
Am Ende des Gottesdienstes wird die Gemeinde gesendet und gesegnet. Auf sie gelegt wird: Sinn und Inhalt, Zweck und Ziel, Liebe und Kraft, auf sie gelegt für den Weg nach draußen, in den Alltag, in seine Aufgaben und Hindernisse. Ein zarter, aber deutlicher Hinweis. Man kann nicht dauernd bei Gott bleiben, man muss auch wieder raus, aber etwas von Gott bleibt auf mir, bei mir, trägt mich.
Am Ende des Lebens gesendet und gesegnet für das draußen, für das, was kommt, zugerüstet für die andere Welt. Gott bei mir. Tröstlich wäre das. Am Ende wird das letzte Lied im Gottesdienst gesungen, noch mal: Ich  bin nicht allein, Menschen singen mit, ich singe mich hinaus. Am Ende des Gottesdienstes auch das Gebet für die Welt, ich bin nicht das wichtigste, den Blick und den Horizont für die anderen öffnen, dann die Abkündigungen, ja gleich wieder hinein in die Normalität des Alltags und dann dieser uralte Segen des dreieinigen Gott, in seinem Namen haben wir begonnen und enden auch. Zeichen ist das Kreuz. Beim Rausgehen haben wir es gesehen und haben es im Rücken, aber immer auch als Licht des Auferstandenen für alle unsere Wege. Amen.

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