Dienstag, 23. August 2016

Abba, lieber Vater



Predigt am 14. Sonntag nach Trinitatis (28. August 2016)

Römer 8, 14-17
Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

Meine Worte
„Abba, lieber Vater“. „Abba“ ist kein Wort unserer Sprache. „Abba“ ist ein Wort aus der Muttersprache Jesu. „Abba“ sprach Jesus, wir sprechen es nicht. „Vater“ sagen wir und „lieber“; beides sprechen wir mit unserer Stimme, mit dem, was in ihr liegt, von uns und unserem Leben. Manchmal denken wir beides nicht zusammen: Liebe und Vater und sagen es vielleicht trotzdem. Manchmal wünschen wir es uns. Väter und Mütter haben wir, jeder unweigerlich, jeder verschieden. Wir haben sie, wie wir Kinder sind: mal geboren, dann größer und groß geworden, erwachsen, aber Kinder immer geblieben, Kinder unserer Eltern, unserer Zeit, unserer Sprache.
Sprache sind Worte, Sätze, Ausdruck, etwas von uns, was nicht bei uns bleibt, was gedacht , gespürt, erdacht, gefühlt, vernommen wird, und nach außen aus uns heraus dringt: Menschen sprechen, erzählen, stottern, wählen Worte aus, stolpern von einem zu anderen; Menschen schreien, wimmern, klagen, überreden, haben ihre Worte, ihre Betonung, sich in ihrer Sprache, sprechen miteinander, versuchen sich zu verständigen, sprechen nebeneinander, verstehen sich nicht, sprechen übereinander, mal gut und mal weniger schön.
Und: Manchmal wohnt die Liebe in den Worten ein und die Worte sprechen Liebe, erkennen den anderen, ohne ihn in Worte zu zwingen, räumen ihm Raum und Geborgenheit in Worten ein, sagen Worte wie kleine wunderbare Geschenke, die die Seele berühren, Herzen füllen, erzählen von gemeinsamen auf der Welt und auf dem Weg sein, vom Geheimnis und den Augenblicken, wenn Menschen zusammen eins werden.

Komm, nahe
„Abba, lieber Vater“, sprach Jesus, dachte er, fühlte er in sich, lebte er, gab er an andere weiter. Abba, Vater: Im Garten Gethsemane, klagend, nicht wissend, voller Furcht, ringend um letztes und erstes Vertrauen, alles in Gottes Hand legend, sein Wille geschehe. Abba, zärtlich in die Münder der Jünger gelegt, sie sollen es sagen, wenn sie beten, immer wieder, wir sollen es sagen, bitte, im Beten: Vater unser …
Abba: Bitte um Zuwendung, Bitte um Nähe, kein Sprechen über, kein Sprechen miteinander, ein Sprechen, das in Gottes Sprechen münden will, ein Sprechen zu Gott, flehen und harren, still freuen und sehnen, ein Sprechen, das Gottes Sprache und Sprechen ersehnt, erhofft, erbittet, braucht, aus ihm schöpfen, leben will. Ein Sprechen, ein Wort, das in Gottes Nähe sich legt, ganz nah, sich verbindet mit Gott, das sich birgt und wie unterbringt in Gottes Sinnen und Trachten, Wollen und Tun.
Abba, Vater. Ein kindliches Sprechen voller erwachsener Worte, voller Ernst, voller Erfahrung, die das Leben bringt, voller Schmerz und Anrennen, voller Verzweiflung und Lieben, voller Suchen und Finden, gefunden werden; ein kindliches Sprechen, demütig klein, aufschauend, sich sehnend nach bergenden Worten, nach Fürsorge und Zuwendung, nach Halt und Verbindung, nach Antwort, nach Wort aus Gottes Welt und Mund.
 
Du sprichst in mir
„Abba, lieber Vater“. Drei Worte, die in die Sprache Jesu wie einbinden, uns in seine Worte hinein binden. Hineinnehmen in seine Worte, seine Bitte, sein Denken und sein „sich Gott in die Arme werfen“; hineinnehmen in seine wunderbare Beziehung, seine tiefe Verbundenheit, in seine ewig lebendige Gemeinschaft mit seinem Gott, in sein Leben, Sterben, Auferstehen als Sohn, als Sohn mit seinem Vater im Himmel, hineinnehmen in diese ewige Beziehung, in diese unglaubliche Nähe, die von Anfang an ist, immer sein wird, und die in unserer Zeit Gestalt geworden ist, wirklich wurde, spürbar ist, im Glauben lebt.
„Abba, Vater“: Nicht ich spreche, sondern Gott spricht in mir, Gott spricht es in mir. Er spricht und ich höre, er hört es und er erhört mich. Gott spricht in mir, sein Geist ist in mir lebendig, er formt in mir jenes „Abba“, Buchstaben für Buchstaben, er formt in mir jenes „lieber Vater“, Silbe für Silbe, er formt in mir Worte zu ihm, Satz für Satz. Sein Geist ist mir gegeben, sein Sinn in mein Herz, seine Wort in meinem Mund, sein Geist treibt mich, beseelt mich, ist in mir Gott, so dass ich ganz ich bin.
Ein Ich, das sich Gott zuwendet, sich ihm ausstreckt, das in allen Worten Worte sucht und findet, hat, die ihn meinen, die ihn ansprechen, die seine sind, in dem Moment, wo sie unser Gehirn, unsere Lippen verlassen und zu ihm gesprochen werden, sie sich kindlich ihm in die Arme der Liebe werfen.

Guter Hoffnung
„Abba, lieber Vater“. Worte, die schon Ewigkeit atmen, die mitleiden, die mit auferstehen, die mit Jesus durch den Garten Gethsemane gehen, die ans Kreuz gehen, die das Erstummen aller Worte mit erleben, die drei Tage tot sind, wenn kein Tränen-Gebet mehr Worte findet, die Gott auferweckt, wieder füllt, wieder atmen lässt, die mit Christus verherrlicht werden; Worte, die wie Versprechen sind, wie ein sicheres Erbe, die in sich schon immer Verheißung tragen, Worte voller Reich Gottes, die in aller Not in aller Hoffnung sprechen.
Worte, die uns hören lassen, wer wir wirklich sind: Gottes Kinder. Die uns sehen lassen, wer wir immer sind: Gottes Kinder. Die uns andere erscheinen lassen, wer sie vor uns sind: Gottes Kinder. Worte, die alle Furcht vertreiben, die alle Furcht vertreiben, Kinder anderer Mächte zu sein; Worte, die Gottes Geist randvoll in sich tragen, uns selbst versichern: Wir sind seine Kinder und niemals und nicht Kinder von anderen, nicht Kinder der Angst, nicht Kinder unguter Gedanken, nicht Kinder anderer Mächte, nicht Kinder böser und kleinster Geister; wir sind seine Kinder und niemanden sonst zugehörig, unterworfen, Knecht. Wir sind jetzt schon auferstandene, aufrechte, gesuchte, gewollte Menschen, befreite Menschen, über die nur Gott herrscht, denen immer nur seine Liebe gilt. Amen.

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