Predigt an Ostersonntag (27.3.16)
1. Korinther 15, 1-11
Ich erinnere euch aber, liebe Brüder,
an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt,
in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's
festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn,
dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
Denn als Erstes habe ich euch
weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für
unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er
auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden
ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr
als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben,
einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach
von allen Aposteln.
Zuletzt von allen ist er auch von mir
als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter
den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die
Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.
Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr
gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
Es sei nun ich oder jene: so predigen
wir und so habt ihr geglaubt.
Nicht zu früh geboren
Paulus sieht sich als eine unzeitige
Geburt, als eine Fehlgeburt, als jemand, dessen Geburt fehl gelaufen ist, der gar
nicht hätte geboren werden wollen, dürfen, ja können. Paulus wird erst geboren
durch die Begegnung mit Jesus Christus. Alles vorher, alles andere ist für ihn
Fehl, Mangel, ungenügend, ist unzeitig, ist gering, nichts wert. Denn er war
alles andere als empfänglich für Jesus Christus. Im Gegenteil: Er verfolgte ihn
blind, er suchte den Glauben an ihn zu töten. Und dennoch erscheint ihm Jesus
Christus und er sieht ihn.
Wir sind Geborene, von unseren
Müttern und auch von unseren Vätern. Wir sind keine Fehlgeburt, noch ist unsere
Geburt unzeitig. Genauso wie Paulus und all die anderen können wir Jesus
Christus sehen, ihn erscheinen sehen, für uns und in unserem Leben. Für
Christus gibt es nicht erste und letzte, Menschen zur Unzeit und zur Zeit,
Menschen, die es mehr oder weniger wert wären, die zu gering oder zu hoch
wären. Seine Gnade gilt allen, seine Gnade, ihn sehen zu dürfen, im Leben als
lebendig zu spüren.
Christus wendet sich Paulus zu. Er
erbarmt sich seiner und hebt ihn auf von seiner eigenen Niedrigkeit. Das macht
Christus bei allen so. Er ist der, der sich schenkt, der begnadigt, hilft und
rettet. Er ist der, der Menschen wie Paulus und uns verbindet, verbindet die
Wunden und verbindet mit seiner eigenen Geschichte. Er ist der, der Menschen in
seiner Geschichte hineinnimmt, ihnen Anteil gibt an dem, was an und mit ihm
geschieht, in seiner Auferstehung zum neuen Leben, in seinem Begraben werden in
den Tod, in seinem Sterben für uns. Indem Paulus diesem Christus begegnete, sah
er sein Leben in ganz auch schmerzlich,, sein Lebens-Mosaik setzte sich anders
zusammen, wurde anders zusammengesetzt: Er sah sich als Sünder, dessen sich
Christus erbarmt, dessen Sünden Christus selbst in den Tod nimmt und sterben
lässt, so dass ein Neubeginn, eine Neugeburt erst möglich wird.
Empfänglich werden
Jede Geburt ist zu empfangen. Paulus
empfängt Jesus Christus. Das ist mehr als sehen, es ist sehen und gesehen
werden. Es ist, dass das, was wir empfangen, uns verändert, uns andere werden
lässt. Menschen empfangen Geschenke, Nachrichten, Gäste, Gegenstände und
Lebendiges; manchmal bleibt das Leben wie vor dem Empfangen, manchmal auch
nicht, durch ein Gast kann man Fremdes entdecken, durch eine Nachricht,
aufgerüttelt werden. Je mehr das, was wir empfangen, Leben hat, Leben in sich
und aus sich trägt, umso mehr wird das Empfangen uns verändern, uns selbst
Leben sein.
Jesus Christus wird empfangen, nicht
als Toter, nicht als Begrabener, nicht als Gegenstand, sondern als
Auferstandener und Lebendiger, als Leben. Das verändert die, die ihn empfangen,
die ihn geschenkt bekommen. Das erschließt ihnen Leben selbst, so wie für
Paulus. Er empfing Christus, und das blieb ihm nicht äußerlich, sondern gab
seinem Leben eine neue Richtung, eine Auferstehung selbst, eine neue Geburt, er
wurde geöffnet für Christus, für sein Leben, seine Geschichte, sein Tod, sein
Begraben, sein Auferstehen. Paulus nahm das auf, ließ sich davon wie erobern,
übernahm es als sein neues Leben.
Wir können das auch. Wir können Christus,
den Auferstandenen und Lebendigen, empfangen. Das ist Ostern. Heute und jeden
Tag.
Lebendiger Herr
Christus wird von Paulus, und vor ihm
schon und nach ihm von Menschen: gesehen, empfangen, verkündigt, gepredigt,
weitergegeben, angenommen, geglaubt. Alle menschliche Zeit wird umfasst von
dieser Reihe, von dieser Kette von Worten, von Jenen und Diesen, von Akten, von
Empfängnissen, von Wunderbarkeiten: Menschen leben davon, dass all dies
vorgängig ist, verheißen und erfüllt, gesagt und geglaubt, geschehen und
geschenkt. Menschen leben davon, dass als dies sie in eine Zukunft hinausweist,
weit hinausweist: dass sie selig werden, Ewigkeit schmecken, in Herrlichkeit
leben, Christus wiederkommt. Und Menschen leben davon, dass all dies Gegenwart
wird und ist, dass Christus sich jeden Moment und jetzt schenkt, für mich
stirbt, für mich begraben wird, für mich aufersteht, für mich lebt, dass er in
jeden Augenblick sich schenkt, empfänglich macht und empfangen werden kann als
lebendig.
Auf diesem ganzen Weg seiner
Gegenwart, durch Vergangenheit und Zukunft hindurch, bringt er sich, seine
Worte, seine Sätze, seine Suche, seine Fragen und Antworten, bringt er all das,
was an ihm geschieht, was er selbst tat, die Nähe und Gemeinschaft mit ihm und
seinem Gott. Auf diesem ganzen Weg der wahrhaft guten Botschaft, des
Evangeliums der rettenden Liebe Gottes erscheint er als Person, gewinnt er
Gestalt, zeichnet er sich ab und wird sichtbar, können Menschen ihn lebendig
sehen und empfangen und weitergeben.
So wie Paulus. So wie wir. Nie
unzeitig geboren, sondern zur rechten Zeit, gerade rechtzeitig: Christus
schenkt sich, einem jeden von euch, auferstanden und lebendig. Amen.
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