Samstag, 24. Januar 2015

Es ist also noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes



Predigt im Mitarbeiterdankgottesdienst 2015 (24.1.15)

Volk Gottes
Volk Gottes: In eure Gesichter geblickt sehe ich was von diesem Volk Gottes, vom wandernden Gottesvolk. Ich sehe eure Gesichter, eure Hände, vielleicht eure Herzen ein wenig,  sehe ich euch gehen, zur Probe, zum Büro, zur Sitzung, den Saal aufschließen, von zu Hause kommen, bepackt, mit Aktenkoffer, mit Tasche, kleine Wanderbewegungen; ich sehe Menschen zu Gräbern gehen, beim Einmarsch in die Kirche, für Essensgutschein die Treppen hoch keuchend.
Volk Gottes, Ansammlung von Menschen, Sekretärinnen, Musiker, Erzieherinnen, Bibelleser, Gesellige, Trauernde, Nachdenkliche, Fröhliche, Ortsälteste, Bedürftige, Pfarrer. Menschen auf dem Weg, wandernd durch Gemeinderäume, Gemeindezeiten, Lebenswege. Gemeinsam. Irgendwie. Niemand darf verloren gehen, niemand soll vorauseilen, und beides passiert. Die Ränder verschwimmen, sind unscharf, im Grau und Bunt des Alltags. Manche kehre den Rücken, manche kommen dazu. Die uns vorangingen seit alten Zeiten gehen mit, unsichtbar, die Verstorbenen, und die nach uns kommen, reihen sich schon irgendwie mit ein. In Bewegung an einem Ort, Haslach.
Wir, Volk, mit all unseren Sorgen, Träumen, heimlichen Wünschen, verlorenen Hoffnungen, den Schmerzen, dem Hass, dem Streit, unsere ganz eigenen Schönheit. Wir still gerufen von jenem, gefragt, nach unserer Antwort auf ihn, nie einer einzelnen, gemeinsam sollen wir sie sagen; Volk Gottes ich zugehörig, fest gelebt in Wohnungen und Häusern, eingerichtet, aber irgendwie unterwegs mit unserem Leben, mit unserem Glauben. Lebenswanderndes Volk Gottes welchem Land entgegen? Welcher Zukunft? Zusammengewürfelt durch Geburt und Taufe, Wohnortwahl und Engagement, vereint durch eine Kirche … wohin gehen wir, wo liegt das gelobte Land unsere Gemeindeseele, unserer Seelen?

Noch vorhanden
Noch vorhanden. Vorhanden ist Geld im Geldbeutel, oder nicht. Vorhanden ist Kopierpapier im Büroschrank, Noten im Chor, Kinder im Kinderkirchentag, Ideen im Team. Alles mehr oder weniger. Vorhanden ist da, existent, anwesend, ist erhältlich, vorrätig, verfügbar. Vorhandenes ist zu nehmen, zu haben, zu nutzen und zu verwenden. Und wenn ein Mensch stirbt und er ist nicht mehr vorhanden, morgens, abends, hier bei uns, dann schreit unsere Seele.
So viel ist da, vorhanden in unserer Gemeinde. Gebäude und Geld, nicht viel, aber es reicht. Hausmeister und Sekretärinnen, Mitarbeiter, Talente, Begabungen, Zeit, Engagement, vieles Sichtbares. Dazu das unsichtbar vorhandene, das was Gott hierher versprochen hat, was er vorhat, unsere eigenen noch ungeborenen Ideen, die kleinen Pläne, unsere Herzen, die mitdenken, unser Atem, wenn wir beten, unsere Stimmen, wenn sie singen, unsere Abschiede, die wir nehmen, unser Schmerz, unsere Freuden, das, was uns verbindet. All das ist da, vorhanden.
Noch vorhanden. Gerade noch. Stille Angst, dass es verschwinde, weggehe, nicht mehr da sei. Noch vorhanden, irgendwo, aber noch nicht da, noch nicht wirklich, ganz, wir warten, harren, sind sehnsüchtig, dass es endlich da wird. „Noch vorhanden“ in diesen unscheinbaren Worten wohnt unsere ganze Existenz, werden wir erinnert an den Zeitenlauf, an unsere eigenen Vergänglichkeit, das wir alle ein abzählbares „noch“ haben und auf ein anderes merkwürdig warten, erinnert an Kommen und Gehen, an Werden und Vergehen, an noch da und noch nicht da, erinnert an Mangel und Tod, Freude und Erwartung, Angst und Leere, an das Werden und Vergehen unserer Gemeinde, an Wachsen und Sterben bei uns selbst, an Erscheinen und Verschwinden von allem hier, von Menschen, Dingen, Erfolg, Zahlen, Pfarrern, vielleicht Gott selbst, wir zwischen den Zeiten, zwischen ER ist immer schon da und ER wird kommen.

Ruhe
Ruhe. Bitte, Ruhe. Entscheidend ist wie man es betont. Wunsch oder Befehl. Unruhig mag unser Herz sein. Abgehetzt wir. Zu schnell alles. Menschen suchen Ruhe, finden welche, oder nicht. Eltern beruhigen Kinder; Aufgebrachte lässt man erstmal in Ruhe; ruhelos sind die einen, die Ruhe weg haben andere. Ruhestörer sind eher schlecht und manches darf einen niemals zur Ruhe kommen lassen, ab und zu rauben uns Nächte Ruhe und Schlaf. Tote werden an ihre letzte Ruhestätte gebracht, manche Ruhe ist trügerisch und die vorm Sturm sprichwörtlich, nach der Arbeit und der Schule ruhen wir uns aus, sind froh über die Ruhe für etwas Bestimmtes und dankbar vor der Ruhe von Bestimmten. Und wo ist jene Ruhe genau in unsere Gemeinde? Hat sie einen Ort? Bestimmt sie uns?
Gott ruhte am siebten Tag von seinen Werken. Der siebte Tag ist ein, der letzte Schöpfungstag. Gott kommt zur Ruhe, Gott ist Ruhe und blickt auf sein vollendetes Werk. Der letzte Tag, die Ruhe ist der Moment der Ruhe Gottes. Gott braucht sich nicht zu erholen und Gott muss sich nicht ausruhen für kommende Arbeit. Er ist Gott! Ruhe ist sein Moment, in dem er auf seine Schöpfung, auf seine Welt schaut, und sich darin vollkommen wiederfindet, sich selbst in ihr spiegelt und vollendet. Er jenes göttliche Sehr gut fühlt, denkt und sagt. Ein unglaublicher Augenblick Gottes. Seine Ruhe.
Gott ist angekommen in seiner Schöpfung. Ruhe. Gott kommt durch Jesus ganz und gar an in seiner Welt. Ruhe. Moment der Vollendung. Der Verherrlichung. Inmitten von allem „Nicht gut“, inmitten von Geschrei, Angst und Leid. Inmitten vom Kreuz, dessen unerträgliche Stille der Wendepunkt zur Vollendung der Welt und von Gottes Ruhe wird: Sabbat. Sonntag. Tag der Erinnerung an Jesu Auferstehung.

Für
Es ist jener volle Klang der Gotteskinder, jener stille Lobgesang, dem das wandernde Gottesvolk auf seinem Weg durch alle Zeiten ruhig folgt: wir. Ruhe. Wir können aus jener Ruhe Gottes schöpfen und nehmen. Darin liegt alle Fülle. Gott ist angekommen bei uns und wir kommen bei ihm an, Gott ist schon immer angekommen in unserer Gemeinde, bei uns, im Kinderkirchentag, im Büro, beim Beerdigungsgespräch, im Singen, im Kindergarten, in der Bibelstunde, im Sprechen und Denken, im Lachen und Weinen, bei uns, er ist schon immer angekommen, dafür müssen wir nichts tun und das ist jener heilige Augenblick seiner tiefen Ruhe.
Ruhe nicht dass was fehle, dass kein Lärm sein, dass kein Tun gerade sei, dass man sich von und für was erhole. Ruhe: Nicht Abwesenheit von was. Sondern: Einfach Ruhe. Angekommen. Geborgen. Vollendung. Staunen. Ich danke euch. Amen.

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