Montag, 12. Mai 2014

Fingerfarbe



Predigt am Vorabend zur Konfirmation 2014

Aufgeschlagen
Euer Buch hängt dort am Fenster. Eure Konfisprüche, von oben nach unten. Oben ein göttlicher Buchdeckel und unten einer mit euren Namen. Ein Buch, aufgeschlagen zwischen Himmel und Erde.
Bücher lesen Menschen, mehr oder weniger; immer mehr Bücher werden gehört, viele lesen nicht mehr, sie schauen auf den Bildschirm von Fernseher und PC oder gehen ins Kino. Bücher sind gedruckte Seiten, gedruckte Abschnitte, Sätze, Worte. Es sind festgehaltene Worte, irgendjemand findet sie so wichtig, so sinn-voll, so schön, dass er sie festhält. Sie erzählen Wissen, Bilder, Poesie, sie erzählen vom Leben.

Menschen lesen Bücher, gerne, ungerne, fasziniert, abends im Bett, widerwillig, genötigt, so viele Menschen können nicht lesen und ihr Leben ist anders. Menschen schreiben, die wenigsten Bücher, manche Tagebücher, manche Freundschaftsbücher, einige Briefe, sogar mit Hand, Geschäftsbriefe am PC, kleine Zettelchen in der schule. Es gibt heilige Bücher, sagt man, Schulbücher, denen man das Schulleben ansieht, Bücher stehen in Büchereien, in Regalen, liegen herum; es gibt Lieblingsbücher, es gibt die Faszination, ein neues Buch in Händen zu halten, die Schutzfolie zu entfernen, es ganz neu aufzuschlagen, darin zu blättern.

Eingetragen
Mancher Mensch ist auch wie aufgeschlagen, nicht aus dem Universum auf die Erden, er ist wie ein aufgeschlagenes Buch. Man kann in ihm Teile seines Lebens lesen. Als sei er ein blattweise geöffnetes Buch. Manche sind fast zu offen, Seite für Seite erzählen sie sich einem und man weiß gar nicht, ob man das will.
 Manche sind dagegen wie ein Buch mit sieben Siegeln, man kommt an sie nicht ran, sie bleiben einem verschlossen, und wie berührend ist es, wenn Menschen sich beginnen zu öffnen, man Einblick bekommt in ihr Lebensbuch.
Über die meisten von uns werden aber keine Bücher geschrieben. Unsere Namen werden aber geschrieben, bewusst, vom Standesbeamten auf unsere Geburtsurkunde; da sind wir ab jetzt. Wenn wir sterben, steht unser Namen auf unserer Sterbeurkunde. Und wo werden wir dann sein? Bei Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen werden unsere Namen auch eingetragen, und es gibt nicht wenige Listen, in denen sie auch stehen, unwichtige und wichtige Listen. Und mit unserer eigenen Unterschrift schreiben wir unsere Wichtigkeit auf Papier und werden eingetragen in die, die erwachsen sind.



Gott liest
Im Konfi-Unterricht habt Ihr Einiges gelesen, mehr oder weniger; eine kleine Flut von Arbeitsblättern mit vielen Buchstaben und Worten. In den Händen habt Ihr damit Sätze von Gott gehabt für eine kleine Zeit. Auch die Bibel habt Ihr in Händen gehalten und mindestens 20-mal das Gesangbuch, rot oder blau, darin Sätze fast mitgesungen, die aus Ferne von Gott erzählen. Ihr habt Euer „Büchlein“ mit dem Konfispruch geschrieben, morgen werden wir davon ein bisschen sehen und hören. Und wir haben ein bisschen in Euch gelesen, wenn Ihr mit müden Augen am Samstag zum Unterricht kamt, wenn Euer Gesicht ein wenig traurig oder oft fröhlich aussaht, wenn Eure Körper herumhampelten oder cool unbeholfen sich bewegten, Ihr versucht habt, auf Kirchenbänken Euch einzusitzen. Ein bisschen haben wir in Eurem Leben lesen dürfen. Danke.
Gott können Menschen lesen. Das hat er sich ausgedacht. Kein ferner, unlesbarer Gott. Sondern einer, der Worte des Lebens hat und sie uns zu lesen gibt, in Buchdeckeln sortiert, in Menschenherzen eingesenkt, zwischen uns, hier im Raum. Gott ist zu lesen, und wir dürfen ihn lesen und in sein Leben hineinlesen, dann werden heilige Augenblicke, unser Glück.
Gott liest. Wahrscheinlich nicht ganz so, wie Menschen lesen, aber er liest, und wir, wir alle sind sein Buch, sein Buch des Lebens. Für ihn sind wir aufgeschrieben, all unsere Tage, das, was wir tun, sagen, denken; all das Helle und Dunkle, all die Schmerzen, Fragen, wunderschönen Worte, die wir sind. Alles aufbewahrt, alles gesichert, alles da, da bei Gott. Unser Buch des Lebens ist aufgeschlagen vor Gott, offen, er blättert wie darin, nach vorne und nach hinten, verweilt an bestimmten Stellen, leidet und freut sich mit, schüttelt den Kopf, stöbert und macht sich seine, unsere Gedanken.

Jesus schreibt
Gott schreibt auch, göttlich halt, er schreibt bei unserem Leben mit, manches Wort und manche Zeile in unserem Lebensbuch, bemerkt und unbemerkt.
Jeder schreibt mit an unserem Lebensbuch, den wir kennen, manche nur kurz, manche leidvolle Sätze, viele, hoffe ich, liebevoll, jeder, die Eltern viel, die Großeltern, die Geschwister, die Paten, die Freunde, die Menschen, die wir lieben, und unser Buch des Lebens wird hoffentlich ein Freundschaftsbuch, ein Liebesbuch.
Jesus konnte lesen, er las wie keiner Gottes Liebe. Jesus konnte auch schreiben. Einmal schrieb er mit seinem Finger auf die Erde, als wütende Männer eine Sünderin verurteilen wollten. Er schrieb mit seinem Finger auf die Erde und am Ende warf keiner den Stein und die Wut verebbte und die Sünderin ging erlöst. Jesus schrieb mit jenem Finger auf die Erde, mit der auch böse Geister austrieb, Blinde heilte, das Brot brach, das Reich Gottes, den Himmel auf Erde brachte.
Was Jesus auf die Erde schrieb, wird nirgends gesagt, ist nirgends zu lesen. Was Gott in euer Leben schrieb und schreibt, wird manchmal geheimnisvoll sein, eben erst zu entziffern und zu lesen, eine Aufgabe. Was Jesus schrieb, war aber heilvoll. Was Gott in unsere Liebesbücher schreibt ist heilvoll, er unterbricht zweifelnde Fragen, beendet Teufelskreise, schenkt Neuanfänge, bewahrt Menschenseelen.
Euer Freundschaftsbuch voller eurer Konfi-Sprüche, Gottes Worten, mit denen ihr und er sich verbindet, mit euren Namen, pendelt himmelwärts manchmal im Licht, wird manchmal durchsichtig durch das Fenster hindurch auf die Welt dahinter, manchmal auf den blauen Himmel dahinter. Dann sind eure Namen, ihr selbst wie in Gottes Himmel geschrieben. Amen.

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