Predigt am Vorabend zur Konfirmation 2014
Aufgeschlagen
Euer Buch
hängt dort am Fenster. Eure Konfisprüche, von oben nach unten. Oben ein
göttlicher Buchdeckel und unten einer mit euren Namen. Ein Buch, aufgeschlagen
zwischen Himmel und Erde.
Bücher
lesen Menschen, mehr oder weniger; immer mehr Bücher werden gehört, viele lesen
nicht mehr, sie schauen auf den Bildschirm von Fernseher und PC oder gehen ins
Kino. Bücher sind gedruckte Seiten, gedruckte Abschnitte, Sätze, Worte. Es sind
festgehaltene Worte, irgendjemand findet sie so wichtig, so sinn-voll, so
schön, dass er sie festhält. Sie erzählen Wissen, Bilder, Poesie, sie erzählen
vom Leben.
Menschen
lesen Bücher, gerne, ungerne, fasziniert, abends im Bett, widerwillig, genötigt,
so viele Menschen können nicht lesen und ihr Leben ist anders. Menschen
schreiben, die wenigsten Bücher, manche Tagebücher, manche Freundschaftsbücher,
einige Briefe, sogar mit Hand, Geschäftsbriefe am PC, kleine Zettelchen in der
schule. Es gibt heilige Bücher, sagt man, Schulbücher, denen man das Schulleben
ansieht, Bücher stehen in Büchereien, in Regalen, liegen herum; es gibt
Lieblingsbücher, es gibt die Faszination, ein neues Buch in Händen zu halten,
die Schutzfolie zu entfernen, es ganz neu aufzuschlagen, darin zu blättern.
Eingetragen
Mancher
Mensch ist auch wie aufgeschlagen, nicht aus dem Universum auf die Erden, er
ist wie ein aufgeschlagenes Buch. Man kann in ihm Teile seines Lebens lesen.
Als sei er ein blattweise geöffnetes Buch. Manche sind fast zu offen, Seite für
Seite erzählen sie sich einem und man weiß gar nicht, ob man das will.
Manche sind dagegen wie ein Buch mit sieben
Siegeln, man kommt an sie nicht ran, sie bleiben einem verschlossen, und wie
berührend ist es, wenn Menschen sich beginnen zu öffnen, man Einblick bekommt
in ihr Lebensbuch.
Über die
meisten von uns werden aber keine Bücher geschrieben. Unsere Namen werden aber geschrieben,
bewusst, vom Standesbeamten auf unsere Geburtsurkunde; da sind wir ab jetzt.
Wenn wir sterben, steht unser Namen auf unserer Sterbeurkunde. Und wo werden wir
dann sein? Bei Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen werden unsere Namen auch
eingetragen, und es gibt nicht wenige Listen, in denen sie auch stehen,
unwichtige und wichtige Listen. Und mit unserer eigenen Unterschrift schreiben
wir unsere Wichtigkeit auf Papier und werden eingetragen in die, die erwachsen
sind.
Gott liest
Im
Konfi-Unterricht habt Ihr Einiges gelesen, mehr oder weniger; eine kleine Flut
von Arbeitsblättern mit vielen Buchstaben und Worten. In den Händen habt Ihr damit
Sätze von Gott gehabt für eine kleine Zeit. Auch die Bibel habt Ihr in Händen
gehalten und mindestens 20-mal das Gesangbuch, rot oder blau, darin Sätze fast
mitgesungen, die aus Ferne von Gott erzählen. Ihr habt Euer „Büchlein“ mit dem Konfispruch
geschrieben, morgen werden wir davon ein bisschen sehen und hören. Und wir
haben ein bisschen in Euch gelesen, wenn Ihr mit müden Augen am Samstag zum
Unterricht kamt, wenn Euer Gesicht ein wenig traurig oder oft fröhlich aussaht,
wenn Eure Körper herumhampelten oder cool unbeholfen sich bewegten, Ihr
versucht habt, auf Kirchenbänken Euch einzusitzen. Ein bisschen haben wir in Eurem
Leben lesen dürfen. Danke.
Gott können
Menschen lesen. Das hat er sich ausgedacht. Kein ferner, unlesbarer Gott.
Sondern einer, der Worte des Lebens hat und sie uns zu lesen gibt, in
Buchdeckeln sortiert, in Menschenherzen eingesenkt, zwischen uns, hier im Raum.
Gott ist zu lesen, und wir dürfen ihn lesen und in sein Leben hineinlesen, dann
werden heilige Augenblicke, unser Glück.
Gott liest.
Wahrscheinlich nicht ganz so, wie Menschen lesen, aber er liest, und wir, wir
alle sind sein Buch, sein Buch des Lebens. Für ihn sind wir aufgeschrieben, all
unsere Tage, das, was wir tun, sagen, denken; all das Helle und Dunkle, all die
Schmerzen, Fragen, wunderschönen Worte, die wir sind. Alles aufbewahrt, alles
gesichert, alles da, da bei Gott. Unser Buch des Lebens ist aufgeschlagen vor
Gott, offen, er blättert wie darin, nach vorne und nach hinten, verweilt an bestimmten
Stellen, leidet und freut sich mit, schüttelt den Kopf, stöbert und macht sich seine,
unsere Gedanken.
Jesus schreibt
Gott
schreibt auch, göttlich halt, er schreibt bei unserem Leben mit, manches Wort
und manche Zeile in unserem Lebensbuch, bemerkt und unbemerkt.
Jeder
schreibt mit an unserem Lebensbuch, den wir kennen, manche nur kurz, manche
leidvolle Sätze, viele, hoffe ich, liebevoll, jeder, die Eltern viel, die
Großeltern, die Geschwister, die Paten, die Freunde, die Menschen, die wir
lieben, und unser Buch des Lebens wird hoffentlich ein Freundschaftsbuch, ein
Liebesbuch.
Jesus
konnte lesen, er las wie keiner Gottes Liebe. Jesus konnte auch schreiben.
Einmal schrieb er mit seinem Finger auf die Erde, als wütende Männer eine Sünderin
verurteilen wollten. Er schrieb mit seinem Finger auf die Erde und am Ende warf
keiner den Stein und die Wut verebbte und die Sünderin ging erlöst. Jesus
schrieb mit jenem Finger auf die Erde, mit der auch böse Geister austrieb,
Blinde heilte, das Brot brach, das Reich Gottes, den Himmel auf Erde brachte.
Was Jesus
auf die Erde schrieb, wird nirgends gesagt, ist nirgends zu lesen. Was Gott in
euer Leben schrieb und schreibt, wird manchmal geheimnisvoll sein, eben erst zu
entziffern und zu lesen, eine Aufgabe. Was Jesus schrieb, war aber heilvoll.
Was Gott in unsere Liebesbücher schreibt ist heilvoll, er unterbricht zweifelnde
Fragen, beendet Teufelskreise, schenkt Neuanfänge, bewahrt Menschenseelen.
Euer
Freundschaftsbuch voller eurer Konfi-Sprüche, Gottes Worten, mit denen ihr und
er sich verbindet, mit euren Namen, pendelt himmelwärts manchmal im Licht, wird
manchmal durchsichtig durch das Fenster hindurch auf die Welt dahinter,
manchmal auf den blauen Himmel dahinter. Dann sind eure Namen, ihr selbst wie
in Gottes Himmel geschrieben. Amen.
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