Predigt an
Karfreitag (19.4.2014) zu Jesaja 53
Hässlich
Hässlich stößt
ab, ekelt, erschreckt, fasziniert widerlich, lässt hin- und schnell wieder wegschauen.
Menschen lieben das Schöne, das Ebenmäßige, das wohl Geratene, das, was attraktiv
ist, was anzieht, was berührt, bewundert wird, was Sehnsucht nach Erfüllung in wachruft.
Karfreitag
ist hässlich, ein hässlicher Tag, nicht schön anzuschauen, nicht schön daran zu
denken: Ein Mensch, Jesus, geschlagen, blutig, entkräftet, nackt, ans Kreuz
genagelt. Karfreitag ist nicht ebenmäßig, nicht wohlgeraten, nicht ordentlich, kriegt
man auch kaum hin; ist nicht gut gekämmt, entspannt, nicht Idealmaß. Karfreitag
trägt ein hässliches Gesicht, eine Fratze. Die uns da entgegenschaut.
Wie so
manche Tage ein hässliches Leben uns entgegenschaut, begegnet, in anderen, an
uns selbst, an unserer Seele. Hässlich gemacht, geworden. Ein Leben irgendwie
schräg, ungeordnet, kaputt, geschlagen, verwundet. Leben misslungen, Leben missbraucht,
leben verwirkt. Ein Leben, das durch Lebensschminke, Seelenkitt, durch
beschwörendes „Ach, es ist doch schön, es wird“ nur sehr schwer jenen Glanz und
jenes Licht wiederfindet, ausstrahlt, das Einer auf es mal gelegt hat. Ein
Leben das uns manchmal selbst anekelt, abstößt, erschreckt, das wir widerlich
finden.
Wir hören den Predigttext für den
heutigen Karfreitag aus dem biblischen Buch Jesaja: Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem
Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine
Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste,
voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor
ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Wir aber hielten ihn für
den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Als er gemartert
ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur
Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer,
tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer
aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen
weggerissen, Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er
gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem
Munde gewesen ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Er hat
sein Leben in den Tod gegeben hat gegeben und ist den Übeltätern
gleichgerechnet.
Tragen
Menschen
ertragen Hässlichkeit, an sich und an anderen. Nicht leicht. Aber sie tun es.
Menschen ertragen einander. Sie versuchen es. Menschen tragen einander manchmal
Lasten, sie tragen Einkaufstüte ein kurzes Wegstück, sie tragen Fragen und
Sorgen eine zeitlang mit, sie tragen geteilte Geheimnisse miteinander herum,
sie tragen durch schlechte Tage hindurch, teilen Wunden, Schicksal, Lasten,
Liebe, Krankheit, Sterben, Hoffnung
Menschen
tragen manchmal schwer, sie schleppen so viel mit sich herum, an Schuld, an
Uneingelösten, an Versäumten, an Verlorenen, an Verletzungen, an Leiden, an
Leere, an ausstehender Hoffnung. Menschen gehen an dem, was sie tragen müssen, manchmal
zugrunde, vor die Hunde, ganz innen drin und langsam.
Manches ist
unerträglich, nicht zu tragen. Manches, was zu tragen ist klebt, klebt an
Menschen, und Menschen bekommen es einfach nicht los, es klebt an ihnen als sei
es fest an ihnen verhaftet, als sei es Teil ihrer Person, Teil ihres Wesens,
Teil ihres Schicksals., als gehörte dieser Schmerz, diese Last, diese Tat,
diese Schuld, diese Wunde zu ihnen, ganz zu ihnen und keiner könne dafür
eintreten, keiner könne wirklich mittragen, keiner könne es ganz wegnehmen, und
der Wunsch, die Not, dass einer doch es wegnehme, einfach mal wegnehme und die
Last nicht mehr ertrüge, ist bitter, unermesslich.
Wir hören
den Predigttext aus dem Propheten Jesaja weiter: Fürwahr,
er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Aber er ist um unsrer
Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Wir gingen
alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf
unser aller Sünde auf ihn. Er trägt [durch seinen Wunden] ihre Sünden. Er war
für die Missetat meines Volks geplagt. Er hat die Sünde der Vielen getragen und für
die Übeltäter gebeten. Die Strafe liegt auf ihm. Er hat sein Leben zum
Schuldopfer gegeben hat. [Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er
soll die Starken zum Raube haben.]
Aufhellen
Jesus ist
hässlich am Kreuz. Da ist nichts schön zu sehen. Da wird einer, auf dem Gottes
Glanz und Licht liegt, der wunderbare Worte sprach und spricht, der die neue
Schöpfung in sich trug und trägt, da wird einer, in dem alle Hoffnung hineingeboren
war ist, der Menschen das Schönste für ihre Seelen brachte und bringt, der
nichts Hässliches in sich kennt und hat, der wird hässlich gemacht, der trägt Hässlichkeit
an sich, der trägt Hässlichkeit.
Wenn nicht
seine, dann ist das vielleicht unsere, all unsere Hässlichkeit, die er trägt;
dann ist das vielleicht unsere Hässlichkeit, unsere Verletzungen, unsere Wundern,
unsere Schmerzen, unsere Fragen, unsere Dunkelmomente die er ans Kreuz hinträgt,
dort trägt. Vielleicht wird der Wunsch, die Sehnsucht, das Bedürfnis, die Not:
Bitte!, bitte,
jemand möge meine Hässlichkeit, mein manchmal so abgrundtief hässliche,
verwundetes, schuldbeladene Leben anschauen; jemand, einer, möge bitte die schräge
wirre unansehnliche Gestalt meines Lebens doch irgendwie liebenswert und schön
finden; jemand, wenigsten einer möge doch bitte meine Hässlichkeit ertragen, ihr
standhalten, sie tragen, endlich wegnehmen. Vielleicht wird diese Not am Kreuz
durch Jesus, den hässlich Gekreuzigten erhört, erfüllt, wirklich, dunkel und
Licht bringend.
Wir hören
die letzten Worte aus unserem Predigttext: Er wird
Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine
Hand gelingen. Er wird das Licht schauen und die Fülle haben. Den Vielen wird
er Gerechtigkeit schaffen. Auf dass wir Frieden hätten und wir geheilt sein.
Amen.
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