Donnerstag, 17. April 2014

Hässlichkeit tragen



Predigt an Karfreitag (19.4.2014) zu Jesaja 53

Hässlich
Hässlich stößt ab, ekelt, erschreckt, fasziniert widerlich, lässt hin- und schnell wieder wegschauen. Menschen lieben das Schöne, das Ebenmäßige, das wohl Geratene, das, was attraktiv ist, was anzieht, was berührt, bewundert wird, was Sehnsucht nach Erfüllung in wachruft.
Karfreitag ist hässlich, ein hässlicher Tag, nicht schön anzuschauen, nicht schön daran zu denken: Ein Mensch, Jesus, geschlagen, blutig, entkräftet, nackt, ans Kreuz genagelt. Karfreitag ist nicht ebenmäßig, nicht wohlgeraten, nicht ordentlich, kriegt man auch kaum hin; ist nicht gut gekämmt, entspannt, nicht Idealmaß. Karfreitag trägt ein hässliches Gesicht, eine Fratze. Die uns da entgegenschaut.

Wie so manche Tage ein hässliches Leben uns entgegenschaut, begegnet, in anderen, an uns selbst, an unserer Seele. Hässlich gemacht, geworden. Ein Leben irgendwie schräg, ungeordnet, kaputt, geschlagen, verwundet. Leben misslungen, Leben missbraucht, leben verwirkt. Ein Leben, das durch Lebensschminke, Seelenkitt, durch beschwörendes „Ach, es ist doch schön, es wird“ nur sehr schwer jenen Glanz und jenes Licht wiederfindet, ausstrahlt, das Einer auf es mal gelegt hat. Ein Leben das uns manchmal selbst anekelt, abstößt, erschreckt, das wir widerlich finden.
Wir hören den Predigttext für den heutigen Karfreitag aus dem biblischen Buch Jesaja: Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Er hat sein Leben in den Tod gegeben hat gegeben und ist den Übeltätern gleichgerechnet.

Tragen
Menschen ertragen Hässlichkeit, an sich und an anderen. Nicht leicht. Aber sie tun es. Menschen ertragen einander. Sie versuchen es. Menschen tragen einander manchmal Lasten, sie tragen Einkaufstüte ein kurzes Wegstück, sie tragen Fragen und Sorgen eine zeitlang mit, sie tragen geteilte Geheimnisse miteinander herum, sie tragen durch schlechte Tage hindurch, teilen Wunden, Schicksal, Lasten, Liebe, Krankheit, Sterben, Hoffnung
Menschen tragen manchmal schwer, sie schleppen so viel mit sich herum, an Schuld, an Uneingelösten, an Versäumten, an Verlorenen, an Verletzungen, an Leiden, an Leere, an ausstehender Hoffnung. Menschen gehen an dem, was sie tragen müssen, manchmal zugrunde, vor die Hunde, ganz innen drin und langsam.
Manches ist unerträglich, nicht zu tragen. Manches, was zu tragen ist klebt, klebt an Menschen, und Menschen bekommen es einfach nicht los, es klebt an ihnen als sei es fest an ihnen verhaftet, als sei es Teil ihrer Person, Teil ihres Wesens, Teil ihres Schicksals., als gehörte dieser Schmerz, diese Last, diese Tat, diese Schuld, diese Wunde zu ihnen, ganz zu ihnen und keiner könne dafür eintreten, keiner könne wirklich mittragen, keiner könne es ganz wegnehmen, und der Wunsch, die Not, dass einer doch es wegnehme, einfach mal wegnehme und die Last nicht mehr ertrüge, ist bitter, unermesslich.
Wir hören den Predigttext aus dem Propheten Jesaja weiter: Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Er trägt [durch seinen Wunden] ihre Sünden. Er war für die Missetat meines Volks geplagt.  Er hat die Sünde der Vielen getragen und für die Übeltäter gebeten. Die Strafe liegt auf ihm. Er hat sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat. [Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben.]

Aufhellen
Jesus ist hässlich am Kreuz. Da ist nichts schön zu sehen. Da wird einer, auf dem Gottes Glanz und Licht liegt, der wunderbare Worte sprach und spricht, der die neue Schöpfung in sich trug und trägt, da wird einer, in dem alle Hoffnung hineingeboren war ist, der Menschen das Schönste für ihre Seelen brachte und bringt, der nichts Hässliches in sich kennt und hat, der wird hässlich gemacht, der trägt Hässlichkeit an sich, der trägt Hässlichkeit.
Wenn nicht seine, dann ist das vielleicht unsere, all unsere Hässlichkeit, die er trägt; dann ist das vielleicht unsere Hässlichkeit, unsere Verletzungen, unsere Wundern, unsere Schmerzen, unsere Fragen, unsere Dunkelmomente die er ans Kreuz hinträgt, dort trägt. Vielleicht wird der Wunsch, die Sehnsucht, das Bedürfnis, die Not:
Bitte!, bitte, jemand möge meine Hässlichkeit, mein manchmal so abgrundtief hässliche, verwundetes, schuldbeladene Leben anschauen; jemand, einer, möge bitte die schräge wirre unansehnliche Gestalt meines Lebens doch irgendwie liebenswert und schön finden; jemand, wenigsten einer möge doch bitte meine Hässlichkeit ertragen, ihr standhalten, sie tragen, endlich wegnehmen. Vielleicht wird diese Not am Kreuz durch Jesus, den hässlich Gekreuzigten erhört, erfüllt, wirklich, dunkel und Licht bringend.
Wir hören die letzten Worte aus unserem Predigttext: Er wird Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. Er wird das Licht schauen und die Fülle haben. Den Vielen wird er Gerechtigkeit schaffen. Auf dass wir Frieden hätten und wir geheilt sein.
Amen.

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