Freitag, 24. Januar 2014

Bindestrich



Predigt zur Eröffnung der Bibelwoche 2014 in St. Michael (26.1.14)

Und
Zwischen dem Geburtsdatum und dem Sterbedatum ist ein Strich. Dieser kleine Strich zwischen den Anfangs- und den Enddaten unseres Lebens ist unser Leben selbst. Es ist das, was zwischen Geburt und Tod liegt, lebt, geschieht, ist. Es ist das, was beides, Anfang und Ende verbindet, eigentlich auf stumme ja fast geheimnisvolle Weise. Es ist wie ein großes UND. Geboren und gestorben.  Es steht für die vielen UNDS in unserem Leben, die sich wie aneinanderreihen, wie verbinden zu einem, zu unserem Leben. Und manche UNDS sind eher ein ODER, weil sie etwas verbinden, was kaum miteinander verbunden werden kann, was auseinanderstrebt oder kaum auszuhalten ist. Und manches UND ist wunderschön, ich UND Du.
In der Bibelwoche, die morgen beginnt, gehen wir eine Woche lang mit Josef aus dem „alten Testament“ sein Leben entlang. An vier Abenden folgen wir ihm in sieben Textabschnitten aus seiner biblischen Geschichte des ersten Mosebuchs. Und in jeder Überschrift zu diesen sieben Textabschnitten ist von einem UND die Rede: Geliebt und gehasst, geschätzt und bloßgestellt, gefragt und beauftragt, gefürchtet und mächtig, erkannt und gnädig, versöhnt und versorgt. Die ersten drei UND-Paare sind gegensätzlich und zerreißen Josef, stürzen ihn in Unglück: Statt geliebt, geschätzt, gefragt wird er gehasst, bloßgestellt und vergessen; das vierte UND-Paar bedeutet die Lebenswende: Josef wird befördert und beauftragt. Und dann erfährt sein Leben eine zunehmende Vollendung, die UNDS werde immer verbindender bis endlich Josef in seinem Leben die tragischen UND überwunden hat und alles gut wird: gefürchtet und mächtig, erkannt und gnädig, versöhnt und versorgt.

So letztendlich geradlinig verläuft das Leben von Josef, eine Erfolgsgeschichte auf Umwegen, mit glorreichen Ende und Ziel. Der kleine Strich zwischen Anfang und Ende, zwischen Geburt und Tod ist letztlich wie ein Strich mit Pfeil nach vorne. Wie schön.

Oder im Kreis
Verläuft so Leben zwischen Anfang und Ende? Manchmal habe ich das Gefühl, alles ist drin, alles ist fast zu gleicher Zeit drin. Wie als würden die 7 mal 2 Wörter, die sich bei Josef so geradlinig auf eine Linie verteilen, als würden diese 14 Wörter wie in einem Kreis liegen, sein, und dieser Kreis wäre unser Leben und all diese Wörter würde unser Leben mal da und mal hier seine Gestalt geben, es prägen: mal gehasst, mal versorgt, mal bloßgestellt, mal gefragt, mal erkannt, mal beauftragt, mal gefürchtet, mal geliebt.
Und wo genau die UNDS zwischen den Worten sind, wie sie verbunden sind, ist manchmal undurchsichtig oder lose, oder es geht wirr hin und her, und irgendwie wird ein Faden durch diese Worte gesponnen, ein Faden, der unser Leben heißt, der auch reißt und an Punkten quälend ewig verweilt, bevor einer ihn weiterspinnt.
Von all den 14 Worten sind 12 passiv: ich werde geliebt, ich werde gehasst, ich werde geschätzt, ich werde bloßgestellt, ich werde gefragt, ich werde vergessen, ich werde befördert, ich werde beauftragt, ich werde gefürchtet, ich werde erkannt, ich werde versöhnt, ich werde versorgt; ich werde gelebt. Ich werde gelebt heißt das. Und es trifft unsere eigene Erfahrung im Kreis dieser Worte, alle unserer Wort, im Kreis der Fragen nach unserem Leben: Wie oft erleben wir unser Leben als eines, das gelebt wird, gelebt wird von anderen, von Bedeutsameren, von der Hektik, von vorgemachten Erfolgen, von Ansprüchen, von scheinbaren Notwendigkeiten, von guten Absichten und von Idealen. Nur zwei kleine Worte im ganzen Kreis sind nicht passiv, sondern ganz aktiv: mächtig und gnädig. Ich bin mächtig. Ich bin gnädig. Diese Beiden heben sich deutlich heraus.

Kristallisieren
Josef hat sich als beides erfahren. Er war mächtig und er war gnädig. Er war das eine für das andere. Für ihn ist zwischen Macht und Gnade kein UND oder ein ODER. Für ihn dient die Macht der Gnade, eigentlich kaum in Worte auszudrücken, bestenfalls durch einen Doppelpunkt. MACHT: GNADE. Josef hat seine gewonnene Macht für die Gnade an seinen Brüdern, letztlich an seinem Volk eingesetzt. Er konnte dank seiner Macht gnädig sein. Und so machte er das Motto der Bibelwoche wahr: „ … damit wir leben und nicht sterben.“
Josef hatte aber erlebt, dass seine Macht und seine Gnade nicht von ihm selbst kommen, sondern ihm letztlich von Gott gewährt, geschenkt wurden. Er erlebte und wusste: Macht und Gnade, beide wurzeln in Gott. Gott ist allmächtig und Gott ist gnädig. Aber auch mit Doppelpunkt dazwischen. Gott setzt seine Macht für seine Gnade ein. Er will und kann gnädig sein. Und so macht Gott das Motto der Bibelwoche von sich aus immer und für uns wahr: „… damit wir leben und nicht sterben“.
Mächtig und gnädig sind die im Meer der 14 und noch mehr Worte im Lebenskreis die sich wie herauskristallisieren, aktiv, aber im Grunde die aller passivsten: Nicht wir, Gott allein macht Menschen mächtig und er macht Menschen gnädig. Er bevollmächtigt uns und er begnadet uns. Wir empfangen. So sind wir mächtig und so sind wir gnädig, und leben das Motto der Bibelwoche. Wir können von Gott aus zu anderen, zu uns selbst mächtig und gnädig sein, nicht UND auch nicht ODER oder, sondern mit Doppelpunkt: Das eine um das anderen willen, mächtig um gnädig zu sein, um der Menschen willen, gegen Todesworte von Lebensworten sprechen und so für uns und andere wahr machen „ .. damit wir leben und nicht sterben.“ Amen.

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