Predigt am Vorabend der Konfirmation
2012 (28.4.2012)
Auf den Füßen gelandet
„Glauben verleiht Flügel“. Jetzt ist es fast rum. Vor gut 8
Monaten habt ihr euch hier im Gottesdienst vorgestellt, mit Namen und eurer
Schuhgröße, eure durchsichtigen Fußabdrücke haben kleine Flügel bekommen und
hängen seitdem der Größe nach sortiert hier am Kirchenfenster und tanzen im
Licht und spiegeln sich im Chorraum wider.
Nach dem Fliegen landet man. Die Konfirmandenzeit ist vorbei.
Ihr habt gelernt, im Glauben zu fliegen. Eure Flugzeit ist vorbei. Jetzt landet
ihr. Ihr landet nach dem Himmelsflug mit euren beiden Füßen auf der Erde. So
wie die sechs Füße der drei jugendlichen Beine auf dem Bild eures Liedblattes.
Diese sechs Füße und Beine stehen für euch. Man könnte das Bild auch
andersherum halten. Ich habe es fixiert. Eine Blickrichtung vorgegeben. Die
drei Jugendlichen spiegeln sich. Man sieht ihren Kopf und ihren Oberkörper im
Wasser gespiegelt. Zum Oberkörper passen die Beine. Obwohl etwas fehlt, wissen
wir die drei spiegeln sich selbst.
Sich spiegeln
Spiegel sind Alltag. Man schaut rein, mal gern, mal ungern.
Morgens beim Zähneputzen, abends mit müden Augen, zum Rasieren, zum
Abschminken, zum Haare kämen, zum Zurechtrücken. Durch den Spiegel kennen wir
uns, sehen wir unser Aussehen, gefallen uns oder auch nicht. Wenn es keinen
Spiegel gäbe, dann wüssten wir nicht genau, wie wir aussehen, wären wir darauf
angewiesen, dass andere uns beschreiben, ein Bild von uns malen. Die Welt ist
aber voller Spiegel, voller Spiegelflächen. Und es gibt Fotos, die man von sich
macht, digital, tausende, in allen Posen und zu jeder Gelegenheit. Sie sind wie
kleine Spiegel, in ihnen werden wir festgehalten, und eure Eltern sammeln sie,
seit ihr geboren wurdet. Und es gibt Filme, die bewegten Bilder, dank Super 8
heutzutage jedem möglich. Wir können uns selbst rennen, sitzen, leben sehen.
Und über Blogs und Youtube spiegeln wir uns ins weite Netz und schauen einander
beim leben zu.
In der Pubertät werden die Spiegel wichtiger, langsam, auch
wegen der Pickel. Der Hormonspiegel steigt. Ihr sucht euch selbst, wer ihr
seid, und alle suchen notgedrungen mit. Und nach und nach entdeckt ihr, was wir
Erwachsene auch entdeckt haben: Um sich selbst zu finden, braucht man andere, braucht
man weniger Spiegel, als die Gesichter der anderen, in denen spiegelt sich
wider, wer man selbst ist. Indem man angeschaut wird, wird man, im Blick des
anderen, in dessen Augenblick. Auf dem Weg zur Liebe.
Im Spiegel Gottes
Man soll sich kein Bild machen. Gott ist besorgt. Um
Menschen. Um Euch. Man soll keinen Menschen festlegen auf ein bestimmtes „So
bist du“, nicht einengen, nicht beschränken. Auch man sich selbst nicht, sich
nicht festlegen auf ein bestimmtes eigenes Spiegelbild: So bin ich. So soll ich
sein. Wir sind mehr, als wir sehen. Vielmehr. Gott weiß darum. Er sieht mehr in
uns. Kein Zerrbild von uns kann verhindern, dass er in uns sein geliebtes
Geschöpf sieht. Er achtet unsere Freiheit. Er schützt sie. Er weiß, wer Ihr im
Kern seid und dass sich das nie abbilden lässt. Er sieht eure Seele. Er weiß,
dass Ihr Unikate seid und er bewahrt euch eure Eigenart.
Ja, er selbst spiegelt sich in euch. So wenig wir wissen, wie
Gott aussieht, so sehr mag er sich in uns spiegeln, mag er in uns erkennbar
werden, nie vollständig, aber immer als jemand, der uns im Voraus liebt, der
uns einen Sinn schenkt, der uns Ursprung und Ziel ist, der uns als seine
Ebenbilder sieht, Seelenmenschen, die dazu bestimmt sind, in Gemeinschaft mit
ihm zu leben. Das ist so etwas wie unser gemeinsamer alltäglicher Weg von der
Erde zum Himmel.
Euer Konfirmandenunterricht ist ein Stück dieses Weges. Von
der Erde zum Himmel. Wie im Rückspiegel blickt ihr zurück: Was war da an den
Samstagen und Mittwochen? Wir sehen immer uns: Ihr euch, die Eltern sich, ich
mich, wir uns zusammen. Wer waren wir? Hat sich Gott in alldem widergespiegelt?
Letztlich ging und geht es um eure Seele, sie zu entdecken, sie zu bewahren, sie
zu beschützen, sie zu pflegen und ihr Flügel zu verleihen.
Bevor sich das ganze erfüllt, und wir uns ganz selbst sehen,
uns und Gott, ist zu leben, im Hier und Jetzt, auf der Erde, mit sich, mit den
anderen, mit Gott. Dafür bleiben uns Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei. Sie
sind wie innere Spiegel, durch die Gott in uns hineinfällt, wir uns selbst und
andere als die sehen können, die sie sein sollen: vertrauenswürde Menschen.
Menschen mit Hoffnung und geliebte Menschen. Das ist das wichtigste für unseren
alltäglichen Weg von Erde zum Himmel: geliebte Menschen zu sein und vor jedem
Spiegelblick steht fest für euch: Gott liebt euch.
Den Himmel
widerspiegeln
Das Bild auf dem Liedblatt hat etwas Zufälliges, etwas Spielerisches,
ja etwas Leichtes. Warum sind die drei da gelandet mit ihren Füßen? Was machen
die da? Wir können sie nicht ganz sehen, wir setzen sie im Kopf zusammen zu
ganzen Menschen, Unterkörper und Oberkörper und ein Stück fehlt immer noch. So
ist es bei allem. Wir sehen nie das Ganze, wir setzen unsere Bilder zusammen
und ergänzen uns. Gott mag euch immer ergänzen, wenn ihr euch unvollständig
seht oder fühlt, mit Lücken oder Fehlern oder Selbstzweifeln. Er mag euch dann
zu ganzen Menschen machen, nicht perfekte, aber zu solchen, die sich geborgen,
getragen, geschätzt fühlen. Er mag euch dann mit seinem Blick ganz machen, mit seinem
Blick der Liebe.
Die drei Jugendlichen spiegeln sich. Das Wasser ist
zufälliger Ersatzspiegel. Wir wissen nicht, ob sie selbst sich im Spiegel des
Wassers ansehen. Sie spiegeln sich aber und sie sehen sich im Wasser. Sie sehen
auf den Grund, in die kleine Tiefe ihrer selbst. Sie sehen ein bisschen
Schlamm, Lebensschlamm. Wie bei jedem. Sie sehen kleine Steine, Lebenssteine,
zwischen Diamant und Stolperstein. Wie bei uns. Sie sehen ein Blatt auf der
Oberfläche herbeischwimmen Hoffnung gilt Menschen. Sie sehen den Erdboden. Von
dort sind sie genommen. Aus Erde. Dort stehen und leben wir. Und sie sehen die
Wolken, sanftes Blau und den Himmel, im Wasser, im Spiegel, in sich. Der Himmel
spiegelt sich in ihnen wider. So wie bei euch. Ihr seid gelandet, mit beiden
Füße auf der Erden und den göttlichen Himmel in euch. Amen.
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