Predigt zu Heiligabend 2019
Ortsuche
Gott sucht einen Ort, seinen Ort.
Seit der Schöpfung sucht er ihn. Ein Ort für sich, seine Liebe, seine Kraft,
seine Herrlichkeit. Er sucht ihn durch den Mund der Propheten, durch den Weg
mit seinem heiligen Volk. Er sucht ihn mit mir und mit dir, mit uns, schon
immer und jeden Tag und er sucht ihn bis zum Ende aller Zeiten, wenn Gottes
Gegenwart vollgültig hereinbricht und alles erfüllt, wenn er seine Hütte bei
den Menschen aufgerichtet und alle Menschen aller Zeiten sein Volk sind. Solange
sucht Gott einen Ort, seinen Ort, an dem er da ist, gegenwärtig ist, er auf die
Welt kommt, auf meine und deine, der Ort, an der er sich verschenkt.
Menschen suchen Orte, mehr oder
weniger. An einem bestimmten Ort werden sie geboren, an einem bestimmten Ort sterben
sie, an Orten wohnen sie, meistens an verschiedenen, und alle diese Orte tragen
Namen, sind Wohnorte und Lebensorte, gefühlte und gefüllte Orte - mit dem, was
dort mit und durch Menschen geschieht, Orte, die weit beginnen und ihren Zirkel
immer kleiner ziehen, die im Ort im Ort, im Raum, Zimmer, im Gegenüber am
Tisch, im Wachen nachts im Bett, im Lieblingssessel, im Alleinsein enden.
Menschen sind verortet, immer, irgendwo, daheim, da, abwesend, gesucht,
verloren, zusammen. Menschen sind ortlos, manchmal, äußerlich und innerlich,
entwurzelt, suchend, von Ort zu Ort vage ziehend, auf Lebenswanderschaft, und
Menschen kennen Un-Orte, Schrecklich-Orte, Leidens-Orte, auch Innen und Außen.
Orte, an denen besser nicht zu sein ist, die Schmerz, Verletzung, Demütigung an
sich tragen. Orte, in all den vielen Orten, die Menschen haben, finden und
suchen Menschen.
Gefunden
Gott hat einen Ort gefunden. Weit
zuerst ist zu hören, dass sich alle Welt schätze ließe, und dass dann aus der
Höhe für die Erde was geschehe, dass die Engel gen Himmel führen. Gott hat
einen Ort gefunden. Immer näher: da Quirinius Stadthalter in Syrien war, wo
zwei Menschen auszogen aus einem Land in das andere Land, vom galiläischen ins
judäische, wo es immer konkreter wird, wo es der eine Orte den anderen
wechselt: von Nazareth nach Bethlehem. Von Wegen und Straßen, Gegenden und von „auf
dem Feld in der Nähe“ ist die Rede.
Und von keinem Raum in der Herberge
ist die Rede. Als würde Gott im letzten Augenblick suchen und doch nicht
finden, als würde er den Fokus seines Weges im Kosmos, zwischen Höhe und Erden,
in den Gegenden von Ländern immer stärker konzentrieren und fast finden und
dann doch nicht finden: Kein Raum, kein Platz kein Ort für Gott in dieser Welt.
Und dann findet Gott doch, hat er
gefunden. In Windeln gewickelt hat er sich, zu schützen sich als
Frischgeborener, und dann hat Gott sich hineingelegt in jene Krippe, in jenen
Futtertrog, der im Notbehelf des Stalles, zufällig und absichtlich da stand,
wahrscheinlich dreckig, voll Heu und voll Stroh, zweckentfremdet. Wo sonst
Tiere daraus essen, hat er sich hingelegt, ins Grobe, Gebrauchte, Abgenutzte, für
diesen Anlass Ungewöhnliche, in diesen hölzernen länglichen offenen Behälter.
Gott hat seinen Ort gefunden.
Ich Futtertrog
Gott sucht und findet mich. Von Ferne
kommt er mir nah, vom weit Abstrakten werde ich sein Konkretes. Im Suchen
meiner Orte, im Bewohnen, Ziehen, Bleiben sucht Gott mich jede Weihnacht und
findet mich.
Im Futtertrog, in meinem Futtertrog.
Genau da, wo er an mir diese Erfahrung macht: Kein Raum. Kein Raum bei meinem
Menschen, da findet er mich. Kein Raum für Gott, kein Platz im Leben für ihn,
zu besetzt bin ich mit anderen Gedanken, mit mir und meinem gewollten Leben, zu
abgeschirmt, zu unzugänglich, zu wenig Raum. Da findet mich Gott, wie damals.
Gott findet mich nicht an meinen mir
üblichen, gewohnten Orten, an denen ich vielleicht denken mag, da könnte er
mich finden, da würde er mich suchen. Er findet mich an meinem Not-Ort, an
meinem Ausweich-Ort, an meinem unverhofften, überraschenden, eigentlich für die
Begegnung mit Gott scheinbar ungeeigneten, unpassenden, ja unbrauchbaren Orte,
dort sucht und findet mich Gott. In meinem Futtertrog.
In weiße Lebens-Windeln gewickelt
legt Gott sich hinein an diesem meinen Ort. Ich, mein Stück vom Leben muss nur
hohl genug sein, hohl, offen, länglich muss ich ein Behälter werden für ihn,
wie jener merkwürdige Futtertrog von damals. Und Gott legt sich hinein an diese
meine hohle Stelle, ja, vielleicht wird sie erst hohl und empfänglich durch
sein Hineinlegen, wie damals, er macht mich ihm zart gefügig, ich werde
geformt, gemacht, zum Trog seiner Liebe, seiner Gnade, seiner Herrlichkeit,
seiner lebenslangen Suche.
Krippe werden
Und wie sich damals in jener einen
Nacht der einfache Futtertrog, das Unpassende verwandelt hat zur Krippe für
Gottes Sohn für alle Zeit, und wo seitdem Menschen den dürren Futtertrog ausschmücken,
Bilder von ihm malen, den holden Knaben mit lockigen Haar hineinsingen,
drumherum Figuren, Holzställe, Berge, ganze Landschaften stellen und sie das Ganze
dann Krippe, ja Weihnachtskrippe nennen.
So auch ich und wir, verwandeln uns
an Weihnachten, vom Futtertrog, vom hohlen Behältnis für Gottes Hineinlegen in
die Krippe zu seiner Krippe in dunkler Nacht, zu Menschen, die er hohl gefunden
hat, die er zu seinem wunderbaren Ort macht, zu einem zutiefst von ihm
erfüllten. Amen.
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