Ansprache
zum „Tag der offenen Tür“ des Mutterhauses (10. Mai 2019)
Markus 2, 1-5 und 11-12
1 Und nach
etlichen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im
Hause war. 2 Und es versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch
nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige,
die brachten zu ihm einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn
nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er
war, gruben es auf und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. 5 Da
nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine
Sünden sind dir vergeben …. 11 Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh
heim! 12 Und er stand auf und nahm sogleich sein Bett und ging hinaus vor aller
Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben
solches noch nie gesehen.
Dacharbeiten
Aufs Dach
steigen. Das tun diejenigen, die den Gelähmten zu Jesus bringen. Sie tragen
ihn, sehen keinen Zugang zu Jesus und steigen mit dem Bett und dem Gelähmten auf
das Dach des Hauses. Oben auf dem Dach angekommen graben sie es um und lassen
den Gelähmten durch das geöffnete Dach hinunter zu Jesus. Eine kleine Baugeschichte,
auf dem Dach wird dieses aufgegraben, demontiert.
Aufs Dach
gestiegen wurde auch hier im Mutterhaus in den vergangenen Monaten, nicht nur,
nicht mal vor allem. Es wurde aber demontiert, alte Fenster, alte Türen, alte
Flurdecken und es wurde neu montiert, neue Fenster, neue Türen, neue Flurdecken
und Lichter, und manches mehr. Es war auch eine kleiner bis größere Baugeschichte,
mit Lärm und Strapazen, mit Dreck und fremden Leuten, mit viel Arbeit und Engagement,
mit Geld und Sorgfalt. Jetzt ist diese Baugeschichte im Mutterhaus zu Ende und
der Tag der offenen Tür da.
Innen war
das Haus voll von Jesus, es bestand Raumnot, alle wollten das Wort Gottes hören.
Herablassen
Der
Gelähmte ist der eigentliche Mittelpunkt der Geschichte, des Geschehens, des
Hauses. Er ist stumm, kein Wort ist von ihm zu hören. Er ist krank und passiv.
Er wird gebracht, sein Bett wird getragen, hochgehievt auf das Dach und wird
heruntergelassen. Andere machen das. Sie haben sich des Gelähmten angenommen,
tun das, was er nicht kann: gehen, bewegen. Die Anderen wissen um seine Not und
suchen nach Lösungen für ihn, sie gehen für ihn Umwege, kommen auf alternative
Ideen und schaffen es dann gemeinsam, dass der Gelähmte zu Jesus, zum Ort der
möglichen Rettung kommt. Ihr einziges Ziel ist es, diesen Menschen zu Gott zu
bringen.
Menschen zu
Gott zu bringen. Nicht missionarisch, aber als Aufgabe, in die diakonische Nähe
zu Gott bringen, das ist die Aufgabe unseres Hauses, als umbauter Raum, aber
vor allem durch das, was in unserem Haus geschieht, warum wir hier leben und arbeiten
und warum es gut war, dass wir das nun unter renovierten Bedingungen tun
können.
Menschen zu
Gott bringen, sie wie den Gelähmten zu Gott hinunterlassen, für sie Wege und
Umwege gehen, für sie nach Lösungen und Alternativen suchen, gemeinsam
Lebensbetten tragen und das Ziel verfolgen: Dieser Mensch da, der uns
anvertraut ist, soll, muss zu Gott, der Quelle des Lebens, er muss gehalten
werden im Altern, muss begleitet werden in Desorientierung, muss geborgen sein
im Zugehen auf die letzte Zeit. Und dann nicht selten entdecken, dass wir nicht
die Menschen zu Gott bringen, sondern sie Gott zu uns bringen und wir gemeinsam
durch Raum und Zeit heruntergelassen werden zu ihm.
Dass das räumlich
gut möglich ist, dafür haben wir renoviert, und dafür sei allen, die daran
gearbeitet haben, ganz herzlich gedankt. Der Raum ist voll und das Wort geht
seinen Weg.
Den Himmel sehen
Ab einem
bestimmten Zeitpunkt haben alle im Haus auf den Gelähmten geblickt. Wann sieht man
schon ein Bett mit Menschen durch die Decke hinunter schweben. Alle blickten
auf ihn und er selbst blickte hinunter und mit ihm die, die oben auf dem Dach
durch die Öffnung nach unten auf Jesus sehen. Und Jesus. Der blickt nach oben.
Es ist seine Perspektive. Er blickt auf das Bett, den Gelähmten, die Seile, die
fest fassenden Hände, die glücklich arbeitenden Gesichter der Obenstehenden, er
blickt nach oben auf ihren Glauben, auf den Neuanfang, der gleich beginnt.
Jesus blickt Richtung Himmel, er ist durch das Dach weit geöffnet. Offene Tür
für den Himmel.
Diese
Perspektive Jesu versuchen wir hier einzunehmen, bei allem was unsere Blicke
und Gedanken sonst und immer wieder bindet. Diese Perspektive Jesu versuchen
wir einzunehmen, wenn wir andere, unsere Arbeit anblicken, wir versuchen füreinander
Richtung Himmel, geöffneten Himmel zu schauen.
Der
Gelähmte entdeckt in sicher furchtvollen Blick nach unten Jesus und er sieht im
Herunterblicken seine Rettung nahen, jeder Zentimeter, den er hinuntergelassen
wird, wächst seine Hoffnung. Und dann geschieht sie für ihn: Jesus fängt für
ihn sein Leben neu an, er sagt zu ihm eigentlich Unmögliches: Steh auf, nimm
dein Bett und geh hinaus. Kleine Wunder mögen in diesem Haus geschehen, so
ähnliche wie dem Gelähmten: Komm gut heim. Kleine wichtige Wunderworte. Wenn
wir die Wege der anderen gehen, dann geschehen sie. Diakonie ist Mitarbeit am
Wunder. Und am Ende, der zum Anfang wird, soll wie in der kleinen Baugeschichte
aus der Bibel auch bei unserer kleinen Baugeschichte der Lobpreis Gottes stehen:
„Wir haben solches noch nie gesehen.“
Amen.
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