Donnerstag, 10. Januar 2019

Leerstelle Frieden


„Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15)



Jährliches Suchen

Im neuen Jahr werden Menschen wieder suchen und finden, Dingen und Vorhaben nachjagen, manches bekommen und manches verfehlen. Menschen werden suchen, mit dem Herzen suchen, mit den Augen Ausschau halten, mit ihrem Leben Sehnsucht haben. Sie werden finden und verlieren, sie werden finden, was sie erwartet haben und auch was sie eigentlich nicht gesucht haben, sie werden verlieren Entbehrliches, Beiläufiges und Wertvolles. Und Menschen werden auch im noch neuen Jahr gemeinsam auf dem Weg sein, sie werden eine Suchgemeinschaft sein und auch eine Findegemeinschaft, zusammen und jeder für sich.

In dieses jährliche Suchen und Finden klingt die Jahreslosung mit hinein, will sie. Sie hat am Ende ein Ausrufezeichen. Als sei sie mehr als nur eine Option, als sei sie eine Aufforderung, ein Wunsch, eine nachdrückliche Bitte: In allem Suchen und Finden, mach auch dies: Suche Frieden und jage ihm nach.



Leerstelle

Was man sucht, hat man nicht, zumindest nicht so, wie man es gerne hätte. Man sucht, was man verloren hat, was man vermisst, was man braucht, was gefunden werden muss oder soll. Frieden soll man suchen, weil er vielleicht verloren ist, oder: weil er an vielen Stellen droht, verloren zu gehen, weil man ihn nicht hat, nicht auffindet, weil man ihn vermisst, weil man Sehnsucht nach ihm hat, weil man ohne ihn eine Leerstellespürt. Menschen müssen den Frieden suchen, vielleicht weil er klein ist und unscheinbar und etwas, was eben nicht auf der Hand liegt und was nicht einfach da ist, sondern was man suchen muss, etwas, was man beharrlich, vorsichtig, nachfragend, schauend suchen muss, etwas, nach dem man im Leben, in eigenem, im gemeinsamen, im gesellschaftlichen jeden Lebens-Stein umdrehen muss und schauen muss, ob Frieden nicht dort sei.

Der Friede ist so klitzeklein wie ein Hirsekorn, hat mal die Theologin Dorothee Sölle geschrieben. Deswegen muss man ihn suchen.



Lebensnotwendig

Und man soll ihm nachjagen. Vielleicht weil Menschen in ihrer Lebenssuche auch immer im Kampf stehen, im Wettbewerb, sogar im Krieg, und deswegen jagen leider zur menschlichen Existenz gehört. Aber dem Frieden nachjagen meint eigentlich das Gegenteil und viel mehr. Frieden meint: Etwas anderes werden zu lassen als Jagen, als Kampf und als Krieg.

Nachjagen erinnert daran, dass früher die Jäger - und auch die Sammlerinnen – sich auf die Jagd gemacht haben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, ohne Jagd wären sie verhungert. So war Nachjagen lebensnotwendig und so ist dem Frieden nachjagen auch lebensnotwendig, weil Frieden lebensnotwendig ist. Und dem Frieden nachjagen bedeutet auch den Friede aufsuchen, ja fast auflauern, ihm über die Steppen des Lebens nachzugehen, beharrlich, zielstrebig, mit langem Atem und ihn dann für sich bekommen.

Und hier bricht das Bild; denn der Frieden, dem man nachjagt, wird dann, wenn man ihn hat, nicht erlegt oder getötet, sondern er wird verwirklicht, soll Leben und lebendig werden. Menschen sollen von Frieden leben, dem sie nachgejagt sind.



Dynamik

In der Jahreslosung steht nicht: Suche den Frieden, sondern suche Frieden. Allgemein ohne bestimmten Artikel. Frieden. Frieden suchen und ihm nachjagen, ist ein allgemeiner Auftrag und der Frieden wird dann bestimmt, ein bestimmter Frieden in dem bestimmten, je eigenem Leben von Menschen, zwischen Menschen, im Leben von Gemeinschaften und Gesellschaften. Frieden ist kein Zustand, sondern eine Dynamik, eine Lebensdynamik. Eine Lebensdynamik, in der Menschen liebevoll mit Fehlern umgehen, versöhnlich mit Schuld, rücksichtsvoll mit eigenen Bedürfnissen, aufmerksam für den anderen und ehrfurchtsvoll mit dem allen gemeinsam Geschenktem.

Wer dieser Dynamik vertraut, auf sie setzt, beim anderen sucht, bei dem wird Frieden und es ist Arbeit dieser Dynamik im Leben Raum zu lassen, es ist ein mühsames Suchen und fleissiges Jagen.



Gottes Frieden

Die Jahreslosung hat eine für mich wunderbare Voraussetzung, unser Suchen und Jagen hat eine gedankliche und reale Voraussetzung, ohne die die Jahreslosung, ohne die unser Suche und Nachjagen keinen Sinn machen würde. Diese Voraussetzung ist: Es gibt Frieden. Er ist da. Es gibt ihn. Deswegen kann, darf und muss man ihn suchen. Weil es ihn gibt, kann er gesucht werden, lässt er sich finden, kann ihm nachgejagt werden, ist er das Lebensnotwendige, ja ist er Leben. Für Christen entspricht dies dem allen Frieden vorgängigen Frieden Gottes. Gott hat Frieden mit seinem Menschen geschlossen, Gottes Frieden ist da, deswegen können wir ihn suchen und finden, ihm nachjagen und ihn leben. Wir bekommen ihn im Segen zu gesprochen, er wird in der Begegnung unter seinem Wort unter uns aufgespannt, er ist die große Verheißung des Lebens, er ist die Dynamik des Heiligen Geistes. Er ist da. Gott hat ihn für uns am Kreuz mit sich und seinen Menschen errungen und in Christus für alle für immer gefunden. Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen