„Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15)
Jährliches Suchen
Im neuen
Jahr werden Menschen wieder suchen und finden, Dingen und Vorhaben nachjagen,
manches bekommen und manches verfehlen. Menschen werden suchen, mit dem Herzen
suchen, mit den Augen Ausschau halten, mit ihrem Leben Sehnsucht haben. Sie
werden finden und verlieren, sie werden finden, was sie erwartet haben und auch
was sie eigentlich nicht gesucht haben, sie werden verlieren Entbehrliches,
Beiläufiges und Wertvolles. Und Menschen werden auch im noch neuen Jahr gemeinsam
auf dem Weg sein, sie werden eine Suchgemeinschaft sein und auch eine
Findegemeinschaft, zusammen und jeder für sich.
In dieses
jährliche Suchen und Finden klingt die Jahreslosung mit hinein, will sie. Sie
hat am Ende ein Ausrufezeichen. Als sei sie mehr als nur eine Option, als sei sie
eine Aufforderung, ein Wunsch, eine nachdrückliche Bitte: In allem Suchen und
Finden, mach auch dies: Suche Frieden und jage ihm nach.
Leerstelle
Was man
sucht, hat man nicht, zumindest nicht so, wie man es gerne hätte. Man sucht,
was man verloren hat, was man vermisst, was man braucht, was gefunden werden
muss oder soll. Frieden soll man suchen, weil er vielleicht verloren ist, oder:
weil er an vielen Stellen droht, verloren zu gehen, weil man ihn nicht hat,
nicht auffindet, weil man ihn vermisst, weil man Sehnsucht nach ihm hat, weil
man ohne ihn eine Leerstellespürt. Menschen müssen den Frieden suchen,
vielleicht weil er klein ist und unscheinbar und etwas, was eben nicht auf der
Hand liegt und was nicht einfach da ist, sondern was man suchen muss, etwas,
was man beharrlich, vorsichtig, nachfragend, schauend suchen muss, etwas, nach
dem man im Leben, in eigenem, im gemeinsamen, im gesellschaftlichen jeden Lebens-Stein
umdrehen muss und schauen muss, ob Frieden nicht dort sei.
Der Friede
ist so klitzeklein wie ein Hirsekorn, hat mal die Theologin Dorothee Sölle
geschrieben. Deswegen muss man ihn suchen.
Lebensnotwendig
Und man
soll ihm nachjagen. Vielleicht weil Menschen in ihrer Lebenssuche auch immer im
Kampf stehen, im Wettbewerb, sogar im Krieg, und deswegen jagen leider zur
menschlichen Existenz gehört. Aber dem Frieden nachjagen meint eigentlich das
Gegenteil und viel mehr. Frieden meint: Etwas anderes werden zu lassen als Jagen,
als Kampf und als Krieg.
Nachjagen
erinnert daran, dass früher die Jäger - und auch die Sammlerinnen – sich auf
die Jagd gemacht haben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, ohne Jagd wären
sie verhungert. So war Nachjagen lebensnotwendig und so ist dem Frieden
nachjagen auch lebensnotwendig, weil Frieden lebensnotwendig ist. Und dem
Frieden nachjagen bedeutet auch den Friede aufsuchen, ja fast auflauern, ihm
über die Steppen des Lebens nachzugehen, beharrlich, zielstrebig, mit langem
Atem und ihn dann für sich bekommen.
Und hier
bricht das Bild; denn der Frieden, dem man nachjagt, wird dann, wenn man ihn
hat, nicht erlegt oder getötet, sondern er wird verwirklicht, soll Leben und
lebendig werden. Menschen sollen von Frieden leben, dem sie nachgejagt sind.
Dynamik
In der
Jahreslosung steht nicht: Suche den Frieden, sondern suche Frieden. Allgemein
ohne bestimmten Artikel. Frieden. Frieden suchen und ihm nachjagen, ist ein
allgemeiner Auftrag und der Frieden wird dann bestimmt, ein bestimmter Frieden
in dem bestimmten, je eigenem Leben von Menschen, zwischen Menschen, im Leben
von Gemeinschaften und Gesellschaften. Frieden ist kein Zustand, sondern eine
Dynamik, eine Lebensdynamik. Eine Lebensdynamik, in der Menschen liebevoll mit
Fehlern umgehen, versöhnlich mit Schuld, rücksichtsvoll mit eigenen
Bedürfnissen, aufmerksam für den anderen und ehrfurchtsvoll mit dem allen
gemeinsam Geschenktem.
Wer dieser
Dynamik vertraut, auf sie setzt, beim anderen sucht, bei dem wird Frieden und
es ist Arbeit dieser Dynamik im Leben Raum zu lassen, es ist ein mühsames Suchen
und fleissiges Jagen.
Gottes Frieden
Die
Jahreslosung hat eine für mich wunderbare Voraussetzung, unser Suchen und Jagen
hat eine gedankliche und reale Voraussetzung, ohne die die Jahreslosung, ohne
die unser Suche und Nachjagen keinen Sinn machen würde. Diese Voraussetzung
ist: Es gibt Frieden. Er ist da. Es gibt ihn. Deswegen kann, darf und muss man
ihn suchen. Weil es ihn gibt, kann er gesucht werden, lässt er sich finden,
kann ihm nachgejagt werden, ist er das Lebensnotwendige, ja ist er Leben. Für
Christen entspricht dies dem allen Frieden vorgängigen Frieden Gottes. Gott hat
Frieden mit seinem Menschen geschlossen, Gottes Frieden ist da, deswegen können
wir ihn suchen und finden, ihm nachjagen und ihn leben. Wir bekommen ihn im
Segen zu gesprochen, er wird in der Begegnung unter seinem Wort unter uns
aufgespannt, er ist die große Verheißung des Lebens, er ist die Dynamik des
Heiligen Geistes. Er ist da. Gott hat ihn für uns am Kreuz mit sich und seinen
Menschen errungen und in Christus für alle für immer gefunden. Amen.
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