Predigt am 13. Sonntag nach
Trinitatis (10.09.17)
Markus 3, 31-35
Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten
zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm:
Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach
dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder?
Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das
ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist
mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Von Draußen gesehen
Von Draußen kommen die Stimmen,
bekannte, vertraute Stimmen. Von draußen kommen die Stimmen und über die Ohren
und die Münder der anderen dringen sie nach Innen. Von Draußen kommen die Stimmen
nach Innen und Draußen bleiben sie stehen. Von irgendwoher kamen sie und fragen
nach Jesus, suchen ihn, schicken sie nach ihm, lassen sie Worte von Draußen nach
Innen sagen.
Die Worte sagen, wer Jesus ist. Von
Draußen, von außen wird Jesus zugeschrieben, wer er ist, vielleicht auch was er
ist. Die Worte nennen Jesus Bruder, Sohn. Sie sagen: Siehe, schau, wer du bist.
Du bist Bruder und Sohn, du bist ein Teil der Familie, unserer Familie. Du
gehörst zu mir, du bist Bruder, du bist Schwester. Du bist mein Bruder, du bist
mein Sohn.
Von Draußen, von Außen wird gesagt,
wer ich bin. Wie oft mag das passieren. Dass andere von Außen sagen, das andere
als wahrlich Außenstehende sagen, meinen, wer ich bin, wer ich sein soll, wie
ich bin: Du bist der, der. Du bist die, die. Vielleicht sogar von Draußen nach
Innen: Du gehörst zu mir, Du bist mein. Und so sehr die Stimmen vielleicht von
dort zu mir hinein klingen, andere wie die Jünger im Kreis sie an mich bringen,
zu mir transportieren und jenes „siehe“ sagen, siehe, der bist du doch, so sehr
gibt es die da Draußen - und mich hier Innen.
Nach Innen gehen
Jesus stellt Fragen. Eigentlich ist
doch klar, wie es ist, wer sein Bruder, wer seine Mutter, wer seine Schwester
ist. Aber eben nur eigentlich. Eigentlich ist es vielleicht anders. Jesus
stellt Fragen, kleine und scheinbare einfache: Wer ist? Und Jesus macht
sichtbar, macht deutlich, dass da zwischen Draußen und Drinnen vielleicht eine
feine Grenze liegt, ein Unterschied ist, die Frage nach dem, was eigentlich
ist, liegt. Jesus stellt die Frage nach dem Eigentlichen, er geht in die Tiefe
weg, weit weg vom bloß Selbstverständlichen, von dem, wie es vordergründig ist,
und er eröffnet Horizonte, öffnet leicht die Türe zum Blick über das
Vordergründige, scheinbar Selbstverständliche hinweg und führt in das Innere,
in das Innere von allem hinein.
Es ist, als würde er durch sein
Fragen die Sicht auf Gott lenken, konzentrieren: Wer ist eigentlich und
wirklich mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter und mein Vater? Nicht
gefragt ist, wer ich bin, sondern wer es ist vor Gott, wer ihr seid. Von Innen,
im Wesentlichen gesehen: Wer ihr wahrhaftig seid.
Ihr: Die Ihr in Familien geboren
seid. Ein jeder von euch. Jeder von seiner Mutter und jede von seinem Vater,
hineingeboren in einen bestimmten Lebenszusammenhang, in eine vorgegebene
Lebensgemeinschaft, mit Brüdern und Schwester, wie ihr auch gezeugt und
geboren, vielleicht auch ohne, aber immer mit Vätern und Müttern vor euch, mit
Leben, in das ihr hineinkommt, da ihr nicht gewählt habt, sondern das euch
gegeben wird. Familie: auch wenn Realität manchmal so anders ist, Ort einer
Gemeinschaft, einer verbindlichen, verlässlichen, von Liebe und Vertrauen
getragenen Gemeinschaft.
Im Kreis sitzen
Jesus ist Innen, und er schaut in den
Kreis derer, die um ihn sitzen, die seine Worte hören und als Lebensbrot
nehmen. Er schaut ins Gesicht all derer, die ihm folgen, die von Gott berührt
sind, die Heil suchen und er sieht sie als die, die sie sind: Er sieht sie als
seine Brüder und Schwestern. Die Frage ist nicht, wer Jesus ist, sondern wer
die sind, die da mit ihm sitzen. Und Jesus beantwortet sie: Es sind seine
Brüder und Schwestern, seine Familie. Wir sitzen in diesem Kreis. Jesus schaut
uns an, er sieht uns als die, die wir sind, und er sagt zu uns, in unser
Gesicht hinein: Du bist mein Bruder. Du bist meine Schwester. Du bist meine
Mutter. Welch ungeheure, wunderbare, erhebende Zusage, ja Zuschreibung, ja
Daseinserklärung: Du bist mein Bruder, meine Schwester. Du bist Jesu Bruder. Du
bist Jesu Schwester. Wahrhaftig. Eigentlich. Wirklich.
Menschen haben immer ihren eigenen
Willen. Sie lernen ihn mit dem Willen anderer in Verbindung zu bringen, werden
eigenwilliger, willenloser, freier und wunderbarer Teil von Willensbildungen,
die über sie hinausgehen, manchmal gehen Wille und Wille ganz eng ineinander
über. Mein Wille hilft mir, dass ich meine Absichten habe, dass ich nach etwas
streben kann, dass ich begehre und mich sehne, dass sich etwas von meinem
Leben, vom Leben anderer von Wollen in die Tat umsetzt, vom Gedanken auch
Wirklichkeit wird.
Gott wollen
Gott hat einen bestimmten Willen. Er
will die Liebe, das Rech Gottes und uns. Wir sind sein Wille, unser Leben,
unser Heilsein, unsere Liebe. Gottes Wille geschehe, damit Wunden verbunden
werden, Krieg in Frieden sich besinne, Seelen bewahrt werden, Kinder wunderbare
Erwachsene werden, Kranken jemand beistehe, Armen Gottes Nähe gilt, Tote
auferstehen und wir alle gemeinsam seinen Geist spüren. Sein Wille geschehe im
Himmel und auf Erden, und Menschen willigen in seinen Willen ein, sind es, die seinen
Willen wirklich machen auf Erden, die still gerufen sind, Gottes Wollen auch Tat
werden zu lassen. Gottes Wille traut ihnen das zu, vertraut ihnen das an. Und
Menschen finden dann in Gottes Willen ihren eigenen und werden selig schon zu
Lebzeiten.
Wir sitzen in jenem Kreis. Wir sind
es, denen Gott sein Wille zutraut, anvertraut, die Gottes Willen tun und sein
Reich, sein wunderbares Reich geliebter Seelen Wirklichkeit werden lassen, wir
die schöne Lebensgemeinschaft Gottes, wirklich Bruder und Schwestern von Jesus.
Amen.
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