Samstag, 7. Januar 2017

Wie Liebende sprechen



Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias (8.1.17) zur Jahreslosung

„Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und
lege einen neuen Geist in euch.“ (Hes 36,26)

Auf Herzen schauen
Ein Jahr lang. So oft wie möglich. Auf Herzen schauen. In Herzen schauen. Das eigene, wie es in einem schlägt, das Blut durch die Adern pumpt, wie es von seinen Gefühlen erzählt, von dem, was uns nahegeht, beseelt. Schauen: Auf die Herzen der anderen, die nah mit uns leben, denen wir alltäglich begegnen, die ihr Herz uns schenken, die wir mit denken, wenn wir denken. Die vielen anderen Herzen, die uns im Laufe der Tage, Wochen, Monate begegnen, nah und fern, in menschlichen Körpern, überdeckt von Fleisch, Haut, Kleidung, die schlagen in ihrem Lebenstakt, die froh und traurig sind, die Sorgen und Hoffnung in sich tragen, die vom ersten Herzschlag bis zum letzen leben. Ein Jahr lang Herzen schauen. Bisschen in sie. Vorsichtig. Zärtlich. Bestimmt.
Ein Jahr lang Gottes Herz schauen. Seinen Herzschlag hoffentlich für uns, ein Gefühl für seine Welt, sein innerstes Wollen und Planen, Trachten und Suchen. Sein Herz ein Jahr lang suchen, fragen, was es meint, was es in sich trägt, wie es in ihm aussieht. Und wir darin. In aller menschlichen Zurückhaltung, Bescheidenheit, im Nachgehen Gottes Herz schauen. Inmitten all dem, was wir noch schauen werden in diesem Jahr, an Unglaublichen und Alltäglichen, an Schrecklichen und Wunderbaren, an ganz eigenen und persönlichen und an fremden. Inmitten allem Schauen und Wegschauen, inmitten aller Pläne, Vorhaben, Vorsätzen, Verzichtserklärungen, Neuansätzen, inmitten allem Weitermachen Etwas sehen, eine Vision haben, ein Jahr lang.
Hesekiel, aus dessen Buch die Jahreslosung stammt, sieht mehr als etwas, er sieht viel mehr. Er sieht Herzen, sein eigenes, das Herz seines Volkes Israel, das Herz der Welt und Gottes Herz. Er sieht Herzen, innerste, äußerste. Hesekiel hat eine Vision, er schaut himmlische Trohnwagen, ein Buch, das sein Auftrag wird, er sieht ein Totenfeld, dessen menschliche Knochen wieder Fleisch, Blut und Leben bekommen. Er sieht einen neuen Bund. Er sieht Menschen neu werden. Er sieht steinerne Herzen sich verwandeln in fleischerne. Er sieht erkaltete Herzen, wie sie aus den Leibern gerissen werden, und wie Herzen von Gott beseelt eingepflanzt werden. Er sieht Gottes Herz, wie dieses eine Vision hat: Wie endlich wieder Menschen seine Menschen werden und wie endlich er wieder Gott seiner Menschen wird. Hesekiel sieht Unheil und Heil, Gericht und Rettung. Er schaut klagend und sorgend, wütend und hoffend, er schaut Herzen.
Ein Jahr lang Herzen schauen. Wie Liebende sprechen.

In Dich hineinlegen
Ich schenke dir mein Herz. Ich lege in dich meinen Geist. Wie Liebende sprechen. Wie Liebende einander geben. Wie es Liebenden um das Innerste geht, um das Intimste, um das Wichtigste am und für den Anderen. Es zu wahren und zu bewahren. Es neu zu machen, damit alte Furcht schwindet. Es zu beleben, damit Vergangenes nicht quält. Es zu verwandeln, wo es droht, zu ersterben. Es zu halten, wo es stürzt.
Rettend: Ich lege in dich meine Liebe, meine Sätze, meine Worte, meine Gedanken, meine Geschichten, meine Angst und meine Hoffnung, meine Sorge und mein Sorgen, mein Sinnen und meine Stille. Ich lege in dich, in dein Leben, in das Innerste von Dir mich, dorthin, wo du lebst, wo du atmest, wo du denkst, wo du fühlst, wo du bist, wo du dich manchmal verkriechst, woher du deine Kreft, dein Strahlen, deine Liebe nimmst, wo du Ruhe bist und Leidenschaft, wo du du bist - dahin lege ich mich, mein Leben selbst, das von mir in dich, beseele dich, beatme dich, berge dich, schenke ich mich dir, damit du bist.
Ich lege mein Herz und meinen Geist in dich. Ein Jahr lang. Wie Liebende sprechen.

Herz Jesu werden
Wie Liebende sprechen. Herzen schauen. Gottes Vision, Gottes Herz ist Jesus Christus. Hier lebt, atmet, gibt sich, empfängt sich Gott. Ein Jahr lang Christus schauen. Sein Herz, sein Innerstes, sein Denken und Sagen, sein Wollen und Trachten, seinen Geist.
Jesus Christus: Gottes neuer Mensch. Gottes Mensch, der ihm ganz entspricht, der ganz und gar aus und zu Gott denkt, redet und lebt. Der Mensch, wie von Gott gedacht, geschaffen, gewünscht. Ein vollendeter Mensch, ganz bezogen auf Gott, ganz ihm wohlgefällig- Jesus Christus: ein Mensch, der seine eigene Endlichkeit, seinen Tod annimmt, und selbst das Sterben unter Leiden aus Gottes Hand noch nimmt, ein Mensch, in dem Gottes Fülle lebt, zu sehen, zu spüren, zu lesen, zu hören ist, den Gott im Tod nicht lässt, der ewig lebt und lebendig ist, wo immer Gottes Liebe zur Sprache kommt, wo immer Menschen sie spüren, wo immer weitergesagt wird, was er in sich sagte von Gott, was er in sich trug von ihm, was er göttlich zur Welt brachte und lebt. Jesus Christus: Liebender und Geliebter.
Ein Jahr lang diesen Christus schauen, nachschauen, nachgehen, nachlesen. Ein Jahr lang in ihm Gottes Herz schauen, wie es pulsiert und lebt, wie es liebt und für uns schlägt. Ein Jahr lang Christus behutsam, respektvoll, beharrlich ähnlich werden, seinen Lebensstil unbeholfen, mutig nachahmen. So werden wie er ist. Nur ein bisschen und mehr! Etwas von der großartigen Vision Hesekiels leben. Unser Herz wird dem von Jesus Christus gleicher. Unser neues Herz wird an seinem, es wächst zu ihm hin, es formt sich nach seinem, er formt es in unserem Körper. Unser Geist betet sich in seinem ein, wir denke ein bisschen wie er, wir fühlen ein bisschen wie er, wir gehen ein bisschen seine Wege, wir werden ganz auf Gott bezogen, leben aus ihm. Unser Herz wird Gott wohlgefällig, göttlicher.
Ein Jahr lang. So oft wie möglich. Herz Jesu schauen, sein. Das wäre Gottes Geschenk. Das möge er in unsere kommenden Tagen, Wochen, Monate, in unser Leben legen. Amen.

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