Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias (8.1.17) zur Jahreslosung
„Gott spricht: Ich schenke euch ein
neues Herz und
lege einen neuen Geist in euch.“ (Hes
36,26)
Auf Herzen schauen
Ein Jahr lang. So oft wie möglich.
Auf Herzen schauen. In Herzen schauen. Das eigene, wie es in einem schlägt, das
Blut durch die Adern pumpt, wie es von seinen Gefühlen erzählt, von dem, was
uns nahegeht, beseelt. Schauen: Auf die Herzen der anderen, die nah mit uns
leben, denen wir alltäglich begegnen, die ihr Herz uns schenken, die wir mit
denken, wenn wir denken. Die vielen anderen Herzen, die uns im Laufe der Tage,
Wochen, Monate begegnen, nah und fern, in menschlichen Körpern, überdeckt von
Fleisch, Haut, Kleidung, die schlagen in ihrem Lebenstakt, die froh und traurig
sind, die Sorgen und Hoffnung in sich tragen, die vom ersten Herzschlag bis zum
letzen leben. Ein Jahr lang Herzen schauen. Bisschen in sie. Vorsichtig.
Zärtlich. Bestimmt.
Ein Jahr lang Gottes Herz schauen. Seinen
Herzschlag hoffentlich für uns, ein Gefühl für seine Welt, sein innerstes
Wollen und Planen, Trachten und Suchen. Sein Herz ein Jahr lang suchen, fragen,
was es meint, was es in sich trägt, wie es in ihm aussieht. Und wir darin. In
aller menschlichen Zurückhaltung, Bescheidenheit, im Nachgehen Gottes Herz
schauen. Inmitten all dem, was wir noch schauen werden in diesem Jahr, an Unglaublichen
und Alltäglichen, an Schrecklichen und Wunderbaren, an ganz eigenen und
persönlichen und an fremden. Inmitten allem Schauen und Wegschauen, inmitten
aller Pläne, Vorhaben, Vorsätzen, Verzichtserklärungen, Neuansätzen, inmitten
allem Weitermachen Etwas sehen, eine Vision haben, ein Jahr lang.
Hesekiel, aus dessen Buch die
Jahreslosung stammt, sieht mehr als etwas, er sieht viel mehr. Er sieht Herzen,
sein eigenes, das Herz seines Volkes Israel, das Herz der Welt und Gottes Herz.
Er sieht Herzen, innerste, äußerste. Hesekiel hat eine Vision, er schaut
himmlische Trohnwagen, ein Buch, das sein Auftrag wird, er sieht ein Totenfeld,
dessen menschliche Knochen wieder Fleisch, Blut und Leben bekommen. Er sieht einen
neuen Bund. Er sieht Menschen neu werden. Er sieht steinerne Herzen sich
verwandeln in fleischerne. Er sieht erkaltete Herzen, wie sie aus den Leibern
gerissen werden, und wie Herzen von Gott beseelt eingepflanzt werden. Er sieht
Gottes Herz, wie dieses eine Vision hat: Wie endlich wieder Menschen seine
Menschen werden und wie endlich er wieder Gott seiner Menschen wird. Hesekiel
sieht Unheil und Heil, Gericht und Rettung. Er schaut klagend und sorgend,
wütend und hoffend, er schaut Herzen.
Ein Jahr lang Herzen schauen. Wie
Liebende sprechen.
In Dich hineinlegen
Ich schenke dir mein Herz. Ich lege
in dich meinen Geist. Wie Liebende sprechen. Wie Liebende einander geben. Wie
es Liebenden um das Innerste geht, um das Intimste, um das Wichtigste am und
für den Anderen. Es zu wahren und zu bewahren. Es neu zu machen, damit alte
Furcht schwindet. Es zu beleben, damit Vergangenes nicht quält. Es zu
verwandeln, wo es droht, zu ersterben. Es zu halten, wo es stürzt.
Rettend: Ich lege in dich meine
Liebe, meine Sätze, meine Worte, meine Gedanken, meine Geschichten, meine Angst
und meine Hoffnung, meine Sorge und mein Sorgen, mein Sinnen und meine Stille.
Ich lege in dich, in dein Leben, in das Innerste von Dir mich, dorthin, wo du
lebst, wo du atmest, wo du denkst, wo du fühlst, wo du bist, wo du dich
manchmal verkriechst, woher du deine Kreft, dein Strahlen, deine Liebe nimmst,
wo du Ruhe bist und Leidenschaft, wo du du bist - dahin lege ich mich, mein
Leben selbst, das von mir in dich, beseele dich, beatme dich, berge dich,
schenke ich mich dir, damit du bist.
Ich lege mein Herz und meinen Geist
in dich. Ein Jahr lang. Wie Liebende sprechen.
Herz Jesu werden
Wie Liebende sprechen. Herzen
schauen. Gottes Vision, Gottes Herz ist Jesus Christus. Hier lebt, atmet, gibt
sich, empfängt sich Gott. Ein Jahr lang Christus schauen. Sein Herz, sein
Innerstes, sein Denken und Sagen, sein Wollen und Trachten, seinen Geist.
Jesus Christus: Gottes neuer Mensch.
Gottes Mensch, der ihm ganz entspricht, der ganz und gar aus und zu Gott denkt,
redet und lebt. Der Mensch, wie von Gott gedacht, geschaffen, gewünscht. Ein
vollendeter Mensch, ganz bezogen auf Gott, ganz ihm wohlgefällig- Jesus Christus:
ein Mensch, der seine eigene Endlichkeit, seinen Tod annimmt, und selbst das
Sterben unter Leiden aus Gottes Hand noch nimmt, ein Mensch, in dem Gottes
Fülle lebt, zu sehen, zu spüren, zu lesen, zu hören ist, den Gott im Tod nicht
lässt, der ewig lebt und lebendig ist, wo immer Gottes Liebe zur Sprache kommt,
wo immer Menschen sie spüren, wo immer weitergesagt wird, was er in sich sagte
von Gott, was er in sich trug von ihm, was er göttlich zur Welt brachte und lebt.
Jesus Christus: Liebender und Geliebter.
Ein Jahr lang diesen Christus
schauen, nachschauen, nachgehen, nachlesen. Ein Jahr lang in ihm Gottes Herz
schauen, wie es pulsiert und lebt, wie es liebt und für uns schlägt. Ein Jahr
lang Christus behutsam, respektvoll, beharrlich ähnlich werden, seinen
Lebensstil unbeholfen, mutig nachahmen. So werden wie er ist. Nur ein bisschen
und mehr! Etwas von der großartigen Vision Hesekiels leben. Unser Herz wird dem
von Jesus Christus gleicher. Unser neues Herz wird an seinem, es wächst zu ihm
hin, es formt sich nach seinem, er formt es in unserem Körper. Unser Geist
betet sich in seinem ein, wir denke ein bisschen wie er, wir fühlen ein
bisschen wie er, wir gehen ein bisschen seine Wege, wir werden ganz auf Gott
bezogen, leben aus ihm. Unser Herz wird Gott wohlgefällig, göttlicher.
Ein Jahr lang. So oft wie möglich.
Herz Jesu schauen, sein. Das wäre Gottes Geschenk. Das möge er in unsere kommenden
Tagen, Wochen, Monate, in unser Leben legen. Amen.
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