Predigt an
Erntedank 2016 (9.10.16)
Von Gott gehalten
„Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen,
kennt auch dich und hat dich lieb.“ (EG 511, 3) Von einer bestimmten Welt haben wir gerade fast
kindlich gesungen, von einer Welt: gekannt, geliebt, gehalten von Gott– und wir
als seine Kinder darin. Diese Welt wird auch in dem bekannten Erntedanklied vor
Augen geführt und im Singen zum Klingen gebracht. Eine Welt, deren Gaben alle
von Gott kommen: eine Welt und seine Menschen, die Gott dafür danken und auf
ihn und seine Gaben ihre Hoffnung setzen. Dieses Erntedanklied war ursprünglich
ein Bauernlied und hatte sechszehn Strophen. Es stammt vom bekannten Dichter
und Journalisten Matthias Claudius. Gehen wir heute seinen vier Strophen des
Liedes „Wir pflügen und wir streuen“ nach. Wir
singen gemeinsam die erste Strophe:
Mildes Wirken
1. Wir
pflügen, und wir streuen
den Samen auf
das Land,
doch Wachstum
und Gedeihen
steht in des
Himmels Hand:
der tut mit
leisem Wehen
sich mild und
heimlich auf
und träuft,
wenn heim wir gehen,
Wuchs und
Gedeihen drauf.
Kehrvers
Alle gute
Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt
ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!
Das Bild eines Bauern:
Er sät den Samen auf das Feld und pflügt ihn unter. Durch die von der Arbeit
auf dem Feld gegerbte Hand des Menschen geht die Saat. In der Saat ist die
Ernte irgendwie schon da, aber die Ernte ist noch nicht im Blick. Der Blick
geht aber ganz auf Gottes Tun, auf seine himmlische Hand: Gott schenkt Wachsen
und Gedeihen, er macht aus dem Samen die Frucht und die Ernte. Im Zusammenspiel
von menschlichen und göttlichen Tun ist das göttliche entscheidend. Was wäre
die Welt ohne Wachsen, Werden und Gedeihen, was ohne Früchte, ohne Ernte, ohne
Ergebnisse, ohne das, was rauskommt. Wenn Gott das wirkt, dann wäre ihm großer
Dank zu schulden.
Wir hier pflügen und
wir streuen nicht wirklich. Wohl keiner von uns. Keiner geht aufs Feld. Wir
leben, wir führen und gestalten unser Leben. Und da streuen und pflügen wir schon,
so manches im Leben, manches kommt in unser Leben, passiert, wird gesät und
untergepflügt an Erfahrung, an Erlebnissen, an Widerfahrnissen, an Guten wie
Schlechten. Und wer gibt dazu das Wachsen, das Gedeihen, dass unser Leben wird,
wächst, sich entwickelt? Vielleicht sind wir angewiesen auf Gott, dass er uns
unser Werden, Entwickeln, Reifen schenkt; damit etwas rauskommt in unserem
Leben. Und vielleicht säen wir nicht einmal den Samen in unserem Leben, sondern
andere, unsere Eltern, die Menschen, die uns begegnen, wohl auch Gott.
Gott wirkt an
menschlichen Leben in besonderer Weise. Er tut es nicht gewalttätig,
übermächtig, sondern so wie wir eben gesungen haben: leise, mild und heimlich
und in den Momenten, wo wir nicht damit rechnen, es nicht vermuten, wo wir
längst die Hände in den Schoß gelegt habe und gedacht haben, wir hätten es
getan. Es ist eine wunderbare Weise, wie Gott in unserem Leben wirkt und Werden
schenkt: Er träufelt sich und sein Tun auf unser Leben, Tropfen für Tropfen
Gedeihen, vorsichtig, zart, unsere Zerbrechlichkeit achtend. Singen wir die zweite Strophe:
Segen entwickeln
2. Er sendet
Tau und Regen
und Sonn- und
Mondenschein,
er wickelt
seinen Segen
gar zart und
künstlich ein
und bringt
ihn dann behände
in unser Feld
und Brot:
es geht durch
unsre Hände,
kommt aber
her von Gott.
Kehrvers
Alle gute
Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt
ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!
Der Blick geht weg vom
Bauern auf dem Feld und weitet sich: Er blickt auf die Wachstumsbedingungen,
auf das, wie Gott das Gedeihen schenkt: Durch Tau und Regen durch Sonn- und
Mondenschein. Alles Wachstumsgaben. Und Claudius hält noch mal fest: Es geht
wohl durch unsere Hand, aber es kommt von Gott her. Es ist unser Leben, aber
Gott gestaltet es, formt es, gibt ihm sein Werden.
Gott wickelt seinen
Segen ein und bringt ihn in unser Leben hinein. Eingewickelter Segen. Menschen
entwickeln. Sie entwickeln Ideen, Dinge, Pläne, Vorhaben, sie entwickeln sich,
vom Kind zum Erwachsenen, von Ungeformten zu einem bestimmten Menschen. Gott
macht das umgekehrt: Er wickelt ein. Er wickelt seinen Segen ein. Als sei sein
Segen etwas ganz Zartes, Kostbares, Wertvolles, was geschützt, bewahrt,
behütet, eingewickelt werden müsste, was dann nach und nach seinen Wert, seine
Kostbarkeit dort entfaltet, entwickelt, wo er eingewickelt wurde.
So sieht Claudius
Gottes Segen. Und Gott schenkt ihn uns. Er wickelt seinen Segen in uns ein, in
unser Leben, in unser Tun, Atmen, Hoffen, Fragen, Zweifel, Geborenwerden und
Sterben, in unser Werden – und im Leben entwickelt sich sein Segen, entwickeln
wir Gottes Segen für uns, auch ganz zart, leise, still und unglaublich kostbar.
Singen wir gemeinsam die dritte Strophe:
Wirklich alles?
3. Was nah
ist und was ferne,
von Gott
kommt alles her,
der Strohhalm
und die Sterne,
der Sperling
und das Meer.
Von ihm sind
Büsch und Blätter
und Korn und
Obst von ihm,
das schöne
Frühlingswetter
und Schnee
und Ungestüm.
Kehrvers
Alle gute
Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt
ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!
Unser Blick weitet
sich noch mehr, er umfasst Alles. Alles kommt von Gott; dieses Alles wird von
Claudius beschritten, umschrieben, räumlich und zeitlich: Alles nah und fern,
alles überall; alles an einem Ding, Alles von einer Art. Und: Alles an Jahreszeiten,
von Frühling bis Winter, alles an Zeiten. Alles, wirklich alles kommt von Gott
her.
Wirklich alles? Schon
der Bauer auf dem Feld mag das schwer mitsprechen, wenn der Hagel ihm die Ernte
nimmt, wenn ein Unwetter ihm die Lebensgrundlage zerstört. Dann mag er
zweifeln, ob alles von Gott kommt, mag er fragen, ob auch das Schlechte von
Gott her ist. Er mag denken und wir mit ihm fragen: Alle gute Gaben kommt her
von Gott, dem Herren, aber was ist gut? Können wir auch das Schlechte, das
Übel, das, was unser Leben schwer und leidvoll macht, aus seiner himmlischen
Hand empfangen, nehmen?
Auch die verschiedenen
Wetter in unser Leben? Können wir neben der Sonne in einem guten Leben, in
guten Zeiten, neben dem Werden des menschlichen Frühlings, wenn wir reifen,
wachsen und unser Leben schönste Blüten treibt, auch die Unwetter von Gott annehmen?
Die Lebensstürme, wenn uns unser Leben durcheinander und aus den Fugen gerät;
den Herbst des Lebens, wenn wir immer mehr das Vergehen spüren und an uns
tragen?
Für Claudius bündelt
sich vertrauensvoll alles in Gott und kommt von Gott her. Gott hält alles in
seiner Hand und vielleicht wird durch Seinen Segen auch das, was uns verdunkelt
und zusetzt, heimlich, still und leise gut. Singen wir die letzte Strophe.
Geschenktes Leben
4. Er lässt
die Sonn aufgehen,
er stellt des
Mondes Lauf;
er lässt die
Winde wehen
und tut den
Himmel auf.
Er schenkt
uns so viel Freude,
er macht uns
frisch und rot;
er gibt den
Kühen Weide
und unsern
Kindern Brot.
Kehrvers
Alle gute
Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt
ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn!
Der Blick wird in der
letzten Strophe wie zusammengefasst. Der Bauer, das Feld und nun die ganze
kosmische Szenerie: Das Feld, das der Bauer bestellt hat, wird durch das
kosmische Tun Gottes zum Feld der Ernte, das Brot kommt von Gott her auf den
Tisch. Diese kosmische Szene des göttlichen Gedeihens versichert uns: wir sind
gehalten zwischen Himmel und Erde, die Sonne wird jeden Morgen aufgehen, der
Mond nimmt nachts seinen gewohnten Lauf, der Wind bringt das seine und der
Himmel tut sich auf. Und: Die Szene hat eine Dynamik, die bei uns mündet, auf
uns zukommt: Gott tut den Himmel auf, auf für uns.
Unser Leben ist ein
von Gott geschenktes, gewährtes, gegebenes Leben. Diese Himmelsgabe fließt in
unser Herzen über, hinein. Darüber, dass wir unser Leben Gott verdanken und er
es erhält und mit Werden segnet, können wir uns freuen, darüber können wir
inmitten allem Schweren frisch und fröhlich sein, ja zaubert dies uns eine Röte
auf die Wangen, die Kindern eignet, wenn sie ihrer Eltern gewiss sich draußen
frei ausleben. Wir sind Kinder Gottes. Voller Dank dafür und mit tiefer
Hoffnung, die vertrauensvoll kindlich und gut begründet ist.
Unser letzter Blick
geht auf die, die uns anvertraut sind, für die wir selbst verantwortlich sind,
auf unsere unmittelbare Mitwelt, hier Kühe und Kinder, dort die uns je auf den
Lebensweg geschenkte Menschen. Sie hat Gott auch im Blick, diesen schenkt Gott
das, was sie zum Leben brauchen, das, was alltäglich und notwendig ist, den Kühen
das Gras auf der Weide und den Kindern das Brot auf dem Teller. Gott kümmert
sich um unsere Menschen, die uns nahe liegen, um ferne und nahe. Das entlastet
uns, der Segen entwickelt sich selbsttätig. Auch wenn unsere Hände das ihre
tun, Gott kümmert sich und schenkt Leben. „Er
kennt auch dich und hat dich lieb.“ Amen.
Lied „Wir pflügen und
wir streuen“ instrumental
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