Predigt zum 118. Jahresfest des
Diakonissenhauses Freiburg (17. Juli 2016)
In welche Richtung, Herr?
Gegen den Strom: Auf der Vorderseite
unseres Liedblattes dazu vielleicht ein passendes Bild, das Parament aus der
Kapelle, ein Fisch schwimmend und Menschen gehend: vielleicht gegen den Strom.
Gegen den Strom: Anders schwimmen, anders gehen, in Bewegung sein, handeln,
denken, leben. In eine andere Richtung. Gegen den Strom leben: sein Ding
machen, Exot sein, Gegenentwurf sein, kontrafaktisch leben, sich reiben, anstoßen,
anecken, ausweichen, Augen zu und durch, einsam, mühsam, Kraft zehrend, heldenhaft,
geboten.
Wie schwimmt man, wie geht man, wie
lebt man gegen den Strom? Und was ist der Strom, die Masse, die Mehrheit, gegen
die man sich bewegt? Der Mainstream, der Trend, die Angepassten. Gibt es die,
jenseits der Entartung von Massenaufläufen dunkler Zeiten und Ellenbogenmenschen?
Die Masse: Normale? Gibt es die Stromlinienförmigen. Wirklich? Gehen nicht alle
irgendwie in eine Richtung, in ihre, wir alle in verschiedene Richtungen,
manche gemeinsam. In welche Richtung gehen wir? Mit unserm Leben, mit unseren
Denken, Handeln, Tun? In die richtige Richtung, in die falsche? Gegen den
Strom? Wohin? Was gibt uns Kraft dazu? Wer sagt uns das wohin und gibt und dazu
Kraft, Vertrauen und Geduld?
Ungewöhnlich
Jesus war, ist anders. Sein Art zu
leben, zu sprechen, zu denken, zu lieben; sein Sinn vom Leben, sein Auftrag,
sein Lebensstil waren anders, seine Richtung im Leben. Gott ist anders, anders
in diesem Jesus. Ein ungewöhnlicher, verrückter Gott, der Mensch wird, der
diesem Jesus Woher und Wohin, Richtung ist. Verrückt, anders ist der Weg, den
Jesus ging und geht: Hineingeboren in eine abgelegene Krippe, genagelt ans
Kreuz, verlassen im Garten Gethsemane, wandernd ohne Platz für sein Haupt, Rast
machend am Tisch mit Ausgegrenzten, lebendig in der Gemeinschaft von Sündern.
Ein Weg gegen den Strom? Gegen gewöhnliche Bilder von Gott und die Menschen.
Ungewöhnlich, was Jesus tat und sagte:
Kranke hat er geheilt, Stummen Worte geschenkt, den Tod überwunden.
Ungewöhnlich seine Worte, irgendwie Worte gegen den Strich, gegen den Strom:
Von der Hand an den Pflug, den Blick nur nach vorne; vom Verlassen deren, die
man liebt, die Toten nicht beerdigen, der Zukunft Gottes entschlossen entgegen
leben; Wort, so hart und verheißungsvoll: sein Kreuz auf sich nehmen, ihm
folgen, solidarisch leiden; Worte von einem schmalen Weg ins Leben, von einer
engen Pforte hinein in den Himmel, von wenig Brot, das sich vermehrt, Worte vom
Nadelöhr, durch das nur die kommen, die ihm folgen, von unsere Seele, um die er
sich dreht.
Vorwärts
Wir sind im Mutterhaus. Hier lebten
und leben Diakonissen. Mit Haube und Tracht, mit einem anderen Leben. Früher
gewohnt im Bild der Städte und Dörfer, heute ungewöhnlich, irgendwie aus der
Zeit gefallen, bloße Tradition? In der Kapelle der Diakonissen am Altar dieses
Parament. Es hängt da in der Sommer- und Trinitatiszeit und wir sitzen jetzt
hier.
Gegen den Strom: Ein Fisch, der in
die entgegengesetzte Richtung schwimmt, scheinbar, wirklich, weil die Wellen
darunter in die Richtung laufen, wie wir schreiben, fahren, denken: von links
nach rechts. Der Fisch gegen diese Richtung. Christen sollen gegen den Strom
leben. Darunter im Bild fünf Gestalten, Figuren, schemenhafte Menschen, hell
und dunkle, verschiedene. Zwei von ihnen haben einen Stock. Diese Fünf sind auf
dem Weg, woher und wohin wissen wir nicht, sie wissen es. Wanderer auf dem Weg
durch Leben und Zeit. Ihre Körper gebeugt, sie gegen entgegen, irgendwie einer
Richtung entgegen, gegen den Wind in Raum und Zeit, im Leben, sie ducken sich,
schützen sich, gehen vorwärts trotzend; gehen gemeinsam, die Gestalten
vermischen, schützen sich gegenseitig, bergen sich, gehen ihren Weg, gegen den
Wind, der ihnen bringt, was kommt.
Ein grünes Parament, Ein Bild für die
Trinitatiszeit, jene Zeit im Sommer, die Zeit der wachsenden Saat, des Kornes,
das in die Erde fällt und stirbt, damit es Frucht bringt zu seiner Zeit. Zeit
für die Gemeinde nachzudenken, was es bedeutet, als Christ gesandt zu sein, auf
dem Weg zu sein, in eine Richtung dem Herrn alleine folgend unterwegs zu sein
und zu bleiben, auch gegen den Wind, gegen den Strom. Reihen wir uns ein in
diese fünf Gestalten? Sind wir eine von ihnen? Wollen wir es sein? Werden wir
es?
Entgegenkommend
Ruhig hängt das grüne Parament,
statisch, beharrlich am Altar, stoisch gegen manch andere Bilder des Lebens. Es
trägt auf sich zwei Bilder, die eigentlich eins sind, in eins gehören. Nur
getrennt durch die Wellen, die scheinbar die Richtung angeben. Zusammen
geschaut wird die Frage nach rechter Richtung selbst anders, fast paradox. Der
Fisch, der gegen den Strom, schwimmt, kommt nun den fünf Gestalten, die gegen
den Wind gegen, entgegen. So, wie wir als Christen sein sollen, das kommt uns
entgegen, unser eigenes Gegenbild von Gott gewollt kommt uns entgegen. So sehr
wir auf dem Weg sind, bleibt das unsere Aufgabe, bleibt das in uns auch
widerständig, für uns herausfordernd: Gott, den Ungewöhnlichen, den
Non-Konformisten, den der Mensch wird im anderen, zu suchen. Er kommt uns aber
im gleichen Moment entgegen, wir und er gehen, leben aufeinander zu. Er ist immer
und bleibt in allem Widerständigen ein zutiefst entgegenkommender Gott, gegen
alles andere für uns, für uns gegen den Strom. Amen.
Fürbitten
Einleitung Kunath
Was keiner wagt, das sollt ihr wagen
was keiner sagt, das sagt heraus
was keiner denkt, das wagt zu denken
was keiner anfängt, das führt aus
Wenn keiner ja sagt, sollt ihr's
sagen
wenn keiner nein sagt, sagt doch
nein
wenn alle zweifeln, wagt zu glauben
wenn alle mittun, steht allein
Wo alle loben, habt Bedenken
wo alle spotten, spottet nicht
wo alle geizen, wagt zu schenken
wo alles dunkel ist, macht Licht.
Lothar
Zenetti (geboren 1926 in Frankfurt)
VATERUNSER
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