Samstag, 24. August 2013

Seelenatem



Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis (25.8.13)

Vom Almosengeben (Matthäus 6, 1-4)
Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Seelenblick
Jesus blickt auf unsere Seele. Durch unseren Körper wie hindurch, hindurch durch alle Kleidungsstücke, Einkleidungen, Daraufgelegtes, durch Antrainiertes, Vorbehalte, Masken, durch Schutzmechanismen, Ängstlichkeiten, Vorstellungen. Jesus blickt auf unser Innerstes, auf das, was und wer wir sind, im Kern, im Wesentlichen, eigentlich, dorthin, wo unser Herz schlägt, unsere Gefühle wohnen, unser Denken einkehrt, unsere Hoffnung Anker hat, wo sich Schmerz und Fragen eingraben, von Wunden heilen, wo unsere Stunden sich wiederfinden, die Begegnungen und Menschen. Auf unsere Seele.
Pass auf auf sie. Gib Acht darauf. Auf deine Seele. Höre ich Jesus sagen. Pass auf deine Seele auf, wie ich auf sie blicke. Gib Acht auf deine Seele, dass ihr nichts passiert, dass ihr nichts geschieht, dass sie nicht Schaden nimmt, plötzlich oder langsam zerbricht, kaputt geht in dir; wenn du lebst und atmest, wenn du gehst und handelst, wenn du versuchst das Rechte zu tun und das Falsche zu lassen, dann habe Acht auf deine Seele. Pflege sie im Beten, im Fasten, im Sorgen, im Richten, im Versöhnen, im Lieben, im Fromm werden. Sie ist Salz der Erde, Licht der Welt, das Selige in dir.
Sie ist die in dir, die Almosen gibt, die sich vom anderen berühren lässt, die sich nicht abwendet von dem in der Gosse, in Not, die blicken lässt mit liebenden Augen, die Mitleid empfindet, sich öffnet, sich hineinkniet, aufhebt, die angerührt gibt, von sich gibt, einen Teil, einen Teil Gefühl, Sorge, Zeit, Tatkraft, die des Körpers Hand in die Tasche greifen lässt und die Almosen, die Münze für den anderen aus der eignen Hand in die des anderen gibt. Es ist deine Seele, die das tut.

Selbstvergessen widerspiegeln
Gibt Acht darauf. Auf deine Hand und die Münze darin. Jesus blickt auf sie und wie schnell spiegeln wir uns selbst in Glanz der Münze, im Glanz der Almosen. Sehen uns darin, wie wir geben, und die anderen, die dies sehen könnten: Sehen uns selbst, die kleine Geschichte unserer Münze, dass wir sie erarbeitet haben, bekommen haben, dass sie unsere ist, irgendwie bleibt, sehen unsere Wünsche, was mit ihr in der Hand des anderen geschehe, unsere Welt - und die anderen, die dies sehen können, sollen, müssen. Und verlieren den Blick. Irgendwie auf tragische Weise sehen, denken, gehen wir zu weit, erliegen der Gefahr, es doch auch, vor allem für uns und die anderen zu tun, heuchlerisch, scheinheilig zu werden, und darüber, dabei unsere Seele selbst zu vergessen, jene Seele, die die Münze, die Almosen uns in die Hand gab und gibt.
Gib Acht auf sie, blickt Jesus: Schau die Münze einfach nicht an, nicht deine Hand, die sie gibt, spiegele dich nicht in ihr wider. Vergiss einfach, dass du es bist, der gibt, dass es deine Hand ist, du weißt es einfach nicht, sei dir selbst verborgen, weil deine Seele, das verborgene in dir im Geben selbst spricht.
Eine Seele, die sich öffnet und schließt, die fasst und loslässt, die gibt und empfängt. Die lebt und lebendig ist im immerwährenden Geben und Nehmen, in einer tiefen Verbundenheit von Seelen. Seelen, die Glück haben im Leben und reicher werden, die Pech haben und ärmer sind, die sich selbst was erarbeitet, die unverhofft ramponiert werden, die mitsterben, wenn liebe Menschen sterben, die klagen, weinen und wieder hoffen, die sich freuen ganz intim in sich, aber über die Augen strahlend, die atmen, aus und ein, im Bekommen und Schenken.
Seele, die den Blick von sich gewandt, nicht auf die anderen, in der gebenden Hand, in der Münze sieht, wie wir alle verbunden sind, wie die Münze letztlich eine tiefere Welt spiegelt: Nähe und Erinnerung, Bitte und Dank, Bedürftigkeit und Glanz, Vergeben und Verzeihen, Seelenteile, Seelenleben selbst. Gibt Acht auf sie. Jesus sieht in der Münze, in der Almosen ein Zeichen der Liebe, einen Atemzug der Liebe, ein Atemzug von Gottes Geist in der Welt.

Zuwendung
Gott schaut unsere Seele an, uns. Das ist himmlischer Lohn, einer immer im Voraus. Er weiß, was unsere Seele ist, was sie fühlt, was sie braucht, was ihr geschieht. Er blickt ins Verborgene, in das, was uns selbst manchmal verborgen ist.  Sein Blick ist nicht entlarvend, argwöhnisch untersuchend, er ist interessiert, leidenschaftlich und immer liebevoll, er blickt in die Tiefe, auf den Seelengrund, und passt im Blicken auf unsere Seele auf.
Gott hat Acht auf unsere Seele. Nichts anderes sagt uns Jesu Blick und sein Bitten. Gott hat Acht auf unsere Seele, sie ist es, die er bedürftig sieht, wie ausgestreckt nach Empfangen hungrig, nach Worten, Zuwendung, Sinn, Halt, nach Liebe. Bedürftig, weil sehnsüchtig, weil verletzlich, weil angewiesen, weil eingebunden im Fluss von Geben und Nehmen.
Gott selbst gibt uns Almosen, aus sich heraus, ein Teil von sich. Und manchmal sind es Almosen und dies genau das ganze Leben für uns Menschenkinder. Gottes Liebe ist angerührt von uns, berührt. Er öffnet sein Herz und gibt daraus überströmend. Es fließt zu uns zurück, was wir jemals gaben. Und gaben wir nichts, oder mit schalen Blick auf die Münze, in der wir uns nur spiegeln, dann können wir hoffen: Vielleicht weiß Gottes Linke manchmal auch nicht was die Rechte tut, und er gibt dennoch und zurück, was wir nicht gaben. Gnadengeschenk für Seelen. Amen.

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