Predigt am 13. Sonntag nach
Trinitatis (25.8.13)
Vom Almosengeben (Matthäus
6, 1-4)
Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass
ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden; ihr habt
sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, sollst
du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den
Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden.
Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber
Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit
dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene sieht,
wird dir's vergelten.
Seelenblick
Jesus blickt auf unsere Seele. Durch unseren Körper wie
hindurch, hindurch durch alle Kleidungsstücke, Einkleidungen, Daraufgelegtes, durch
Antrainiertes, Vorbehalte, Masken, durch Schutzmechanismen, Ängstlichkeiten,
Vorstellungen. Jesus blickt auf unser Innerstes, auf das, was und wer wir sind,
im Kern, im Wesentlichen, eigentlich, dorthin, wo unser Herz schlägt, unsere
Gefühle wohnen, unser Denken einkehrt, unsere Hoffnung Anker hat, wo sich
Schmerz und Fragen eingraben, von Wunden heilen, wo unsere Stunden sich
wiederfinden, die Begegnungen und Menschen. Auf unsere Seele.
Pass auf auf sie. Gib Acht darauf. Auf deine Seele. Höre ich
Jesus sagen. Pass auf deine Seele auf, wie ich auf sie blicke. Gib Acht auf
deine Seele, dass ihr nichts passiert, dass ihr nichts geschieht, dass sie
nicht Schaden nimmt, plötzlich oder langsam zerbricht, kaputt geht in dir; wenn
du lebst und atmest, wenn du gehst und handelst, wenn du versuchst das Rechte
zu tun und das Falsche zu lassen, dann habe Acht auf deine Seele. Pflege sie im
Beten, im Fasten, im Sorgen, im Richten, im Versöhnen, im Lieben, im Fromm
werden. Sie ist Salz der Erde, Licht der Welt, das Selige in dir.
Sie ist die in dir, die Almosen gibt, die sich vom anderen
berühren lässt, die sich nicht abwendet von dem in der Gosse, in Not, die
blicken lässt mit liebenden Augen, die Mitleid empfindet, sich öffnet, sich
hineinkniet, aufhebt, die angerührt gibt, von sich gibt, einen Teil, einen Teil
Gefühl, Sorge, Zeit, Tatkraft, die des Körpers Hand in die Tasche greifen lässt
und die Almosen, die Münze für den anderen aus der eignen Hand in die des
anderen gibt. Es ist deine Seele, die das tut.
Selbstvergessen widerspiegeln
Gibt Acht darauf. Auf deine Hand und die Münze darin. Jesus
blickt auf sie und wie schnell spiegeln wir uns selbst in Glanz der Münze, im
Glanz der Almosen. Sehen uns darin, wie wir geben, und die anderen, die dies
sehen könnten: Sehen uns selbst, die kleine Geschichte unserer Münze, dass wir
sie erarbeitet haben, bekommen haben, dass sie unsere ist, irgendwie bleibt, sehen
unsere Wünsche, was mit ihr in der Hand des anderen geschehe, unsere Welt - und
die anderen, die dies sehen können, sollen, müssen. Und verlieren den Blick.
Irgendwie auf tragische Weise sehen, denken, gehen wir zu weit, erliegen der
Gefahr, es doch auch, vor allem für uns und die anderen zu tun, heuchlerisch,
scheinheilig zu werden, und darüber, dabei unsere Seele selbst zu vergessen,
jene Seele, die die Münze, die Almosen uns in die Hand gab und gibt.
Gib Acht auf sie, blickt Jesus: Schau die Münze einfach nicht
an, nicht deine Hand, die sie gibt, spiegele dich nicht in ihr wider. Vergiss
einfach, dass du es bist, der gibt, dass es deine Hand ist, du weißt es einfach
nicht, sei dir selbst verborgen, weil deine Seele, das verborgene in dir im
Geben selbst spricht.
Eine Seele, die sich öffnet und schließt, die fasst und
loslässt, die gibt und empfängt. Die lebt und lebendig ist im immerwährenden
Geben und Nehmen, in einer tiefen Verbundenheit von Seelen. Seelen, die Glück
haben im Leben und reicher werden, die Pech haben und ärmer sind, die sich
selbst was erarbeitet, die unverhofft ramponiert werden, die mitsterben, wenn liebe
Menschen sterben, die klagen, weinen und wieder hoffen, die sich freuen ganz
intim in sich, aber über die Augen strahlend, die atmen, aus und ein, im
Bekommen und Schenken.
Seele, die den Blick von sich gewandt, nicht auf die anderen,
in der gebenden Hand, in der Münze sieht, wie wir alle verbunden sind, wie die
Münze letztlich eine tiefere Welt spiegelt: Nähe und Erinnerung, Bitte und
Dank, Bedürftigkeit und Glanz, Vergeben und Verzeihen, Seelenteile, Seelenleben
selbst. Gibt Acht auf sie. Jesus sieht in der Münze, in der Almosen ein Zeichen
der Liebe, einen Atemzug der Liebe, ein Atemzug von Gottes Geist in der Welt.
Zuwendung
Gott schaut unsere Seele an, uns. Das ist himmlischer Lohn,
einer immer im Voraus. Er weiß, was unsere Seele ist, was sie fühlt, was sie braucht,
was ihr geschieht. Er blickt ins Verborgene, in das, was uns selbst manchmal
verborgen ist. Sein Blick ist nicht
entlarvend, argwöhnisch untersuchend, er ist interessiert, leidenschaftlich und
immer liebevoll, er blickt in die Tiefe, auf den Seelengrund, und passt im Blicken
auf unsere Seele auf.
Gott hat Acht auf unsere Seele. Nichts anderes sagt uns Jesu
Blick und sein Bitten. Gott hat Acht auf unsere Seele, sie ist es, die er
bedürftig sieht, wie ausgestreckt nach Empfangen hungrig, nach Worten, Zuwendung,
Sinn, Halt, nach Liebe. Bedürftig, weil sehnsüchtig, weil verletzlich, weil
angewiesen, weil eingebunden im Fluss von Geben und Nehmen.
Gott selbst gibt uns Almosen, aus sich heraus, ein Teil von
sich. Und manchmal sind es Almosen und dies genau das ganze Leben für uns
Menschenkinder. Gottes Liebe ist angerührt von uns, berührt. Er öffnet sein
Herz und gibt daraus überströmend. Es fließt zu uns zurück, was wir jemals
gaben. Und gaben wir nichts, oder mit schalen Blick auf die Münze, in der wir
uns nur spiegeln, dann können wir hoffen: Vielleicht weiß Gottes Linke manchmal
auch nicht was die Rechte tut, und er gibt dennoch und zurück, was wir nicht
gaben. Gnadengeschenk für Seelen. Amen.
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