Predigt am Buß- und Bettag 2018 (21.
November 2018)
Ich bedaure nichts
Das singt Edith Piaff auf Französisch
und man mag es ihr glauben. Es mag auch der Sohn des Vaters aus der Geschichte
des verlorenen Sohnes denken, als er aufbricht. Und wie mag das in unserem
Leben sein? Bereuen wir auch nichts? Zumindest die wesentlichen Dinge und
Schritte und Taten im Leben? Wenn wir unser Leben so entlang gehen am heutigen
Buß- und Bettag? Bedauern wir nichts? Wo beginnt die Reue?
Reue beginnt
Ich glaube, die Reue ist es, die mit
uns beginnt. Sind wir davon überzeugt, dass wir richtig und gut gehandelt
haben, solange empfinden wir keine Reue. Brauchen wir auch nicht. Geht auch
nicht. Aber in dem Moment, wo wir die Folgen unserer Taten oder unseres Lassens
anschauen und sie beginnen zu bedauern, ist das schon die Reue. Hat uns etwas
berührt, angestoßen, die Augen ein wenig, aber anhaltend geöffnet.
Für den verlorenen Sohn beginnt die
Reue mit ihm in dem Satz bzw. in seinem Gedanken: „Wie viele Tagelöhner hat
mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will
mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe
gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“
Die Reue beginnt mit dem verlorenen
Sohn, in dem sie ihm seine erbärmliche Lage klar vor Augen führt. Dort beginnen
für den verlorenen Sohn die Reue und der Weg zurück, die Umkehr. Vielleicht
beginnt für uns auch dort die Reue mit uns: Indem sie uns die erbärmliche Lage
vor Augen führt, eine Lage, vor der wir die Augen nicht verschließen können,
die wir auch nicht mehr verdrängen oder umdeuten können, die uns ganz klar macht:
Das Erbärmliche, das Schlimme hängt mit dir und deinem Tun zusammen, du hast es
verursacht, du bist schuld daran.
Zerknirscht
Wenn dann darüber Trauer einsetzt,
Bedauern, das Gefühl, das darf eigentlich nicht sein, so ist nicht Leben. Wenn
dann man über die erbärmliche Lage wie innerlich betrübt, zerknirscht ist, so
dass man eigentlich wieder diese Lage rückgängig machen möchte, ja ungeschehen,
dann ist die Reue mit einem schon weiter gegangen, dann bereut man. Da ist man
schon in dem Gefühl oder in der Erkenntnis über das eigene Tun, das ein Fehler
war, das Sünde war, das nicht dem Leben und der Liebe gedient hat.
Dann hat man in seinem Kopf
vielleicht auch schon das Gefühl, den Gedanken, umzukehren, sich aufzumachen,
so wie der verlorene Sohn, Reue zu zeigen, zu bekunden, sich zu entschuldigen
und soweit es geht, auch dafür grade zu stehen, was war, und forthin, nicht
mehr zu sündigen, es nicht mehr mit sich soweit kommen zu lassen, dass man
überhaupt Reue empfinden muss über etwas.
Dann kann man darauf hoffen, dass
andere und irgendwie auch das Leben einem verzeiht, die Last von Schuld nimmt
und man auch mit erbärmlichen Lagen, die nicht rückgängig gemacht werden
können, eben lernt, lebt.
Es reut Gott
Vielleicht war es einmal der Gedanke
Gottes, über all das Übel und Unheil der Menschen den Stab zu brechen und all
das Unrecht sich austoben zu lassen und zu Verderben, Vergeltung und Strafe
werden zu lassen. Man kann ihm kaum diesen Gedanken verübeln. Wie könnte man
auch.
Aber dennoch spricht unsere Bibel von
der Reue Gottes. Seiner Reue über das gedachte, geplante und auch manchmal indirekt
geschaffene Übel. Der Grund seiner Reue liegt in seiner Güte, von der er sich
immer wieder überreden lässt, an seinen Menschen, an seiner Schöpfung und an
uns trotzallem festzuhalten.
Der Grund seiner Reue ist, dass er
das Leben liebt und dass er keine „erbärmliche Lage“ für niemanden und nichts
will und dass er selbst immer wieder umkehrt, wenn ihn sein Zorn droht zu
packen und selbst Anteil zu haben am Übel. Dann kehrt Gott zu sich selbst um,
zu seiner ewigen und treuen Liebe und es reut ihn mancher dunkler Gedanke.
Anders als wir braucht er sich aber nicht
zu bessern, geschweige denn müsste er sich entschuldigen. Denn er ist der
barmherzige Vater, der alle verlorenen Söhne und Töchter in seine Arme schließt
und ihnen allen Lebenswandel verzeiht und mit ihnen ein Lebensfest feiern möchte.
Wie dunkel die Gedanken des barmherzigen Vaters gewesen sein mögen, wissen wir
nicht. Am Ende und im richtigen Augenblick bleibt seiner Liebe treu und liebt.
Dass Gott seine dunklen Gedanken über
uns reuen, ist erschreckend und erhebend zugleich. Wir Menschen können
eigentlich nur ihm diese Gedanken und seine Reue lassen, müssen es und müssen darauf
hoffen und darum bitten, dass er immer unser erbarmender, liebender und
gnädiger Gott ist und bleibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen