Freitag, 16. November 2018

Da reute es Gott


Predigt am Buß- und Bettag 2018 (21. November 2018)


Ich bedaure nichts

Das singt Edith Piaff auf Französisch und man mag es ihr glauben. Es mag auch der Sohn des Vaters aus der Geschichte des verlorenen Sohnes denken, als er aufbricht. Und wie mag das in unserem Leben sein? Bereuen wir auch nichts? Zumindest die wesentlichen Dinge und Schritte und Taten im Leben? Wenn wir unser Leben so entlang gehen am heutigen Buß- und Bettag? Bedauern wir nichts? Wo beginnt die Reue?



Reue beginnt

Ich glaube, die Reue ist es, die mit uns beginnt. Sind wir davon überzeugt, dass wir richtig und gut gehandelt haben, solange empfinden wir keine Reue. Brauchen wir auch nicht. Geht auch nicht. Aber in dem Moment, wo wir die Folgen unserer Taten oder unseres Lassens anschauen und sie beginnen zu bedauern, ist das schon die Reue. Hat uns etwas berührt, angestoßen, die Augen ein wenig, aber anhaltend geöffnet.

Für den verlorenen Sohn beginnt die Reue mit ihm in dem Satz bzw. in seinem Gedanken: „Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“

Die Reue beginnt mit dem verlorenen Sohn, in dem sie ihm seine erbärmliche Lage klar vor Augen führt. Dort beginnen für den verlorenen Sohn die Reue und der Weg zurück, die Umkehr. Vielleicht beginnt für uns auch dort die Reue mit uns: Indem sie uns die erbärmliche Lage vor Augen führt, eine Lage, vor der wir die Augen nicht verschließen können, die wir auch nicht mehr verdrängen oder umdeuten können, die uns ganz klar macht: Das Erbärmliche, das Schlimme hängt mit dir und deinem Tun zusammen, du hast es verursacht, du bist schuld daran.



Zerknirscht

Wenn dann darüber Trauer einsetzt, Bedauern, das Gefühl, das darf eigentlich nicht sein, so ist nicht Leben. Wenn dann man über die erbärmliche Lage wie innerlich betrübt, zerknirscht ist, so dass man eigentlich wieder diese Lage rückgängig machen möchte, ja ungeschehen, dann ist die Reue mit einem schon weiter gegangen, dann bereut man. Da ist man schon in dem Gefühl oder in der Erkenntnis über das eigene Tun, das ein Fehler war, das Sünde war, das nicht dem Leben und der Liebe gedient hat.

Dann hat man in seinem Kopf vielleicht auch schon das Gefühl, den Gedanken, umzukehren, sich aufzumachen, so wie der verlorene Sohn, Reue zu zeigen, zu bekunden, sich zu entschuldigen und soweit es geht, auch dafür grade zu stehen, was war, und forthin, nicht mehr zu sündigen, es nicht mehr mit sich soweit kommen zu lassen, dass man überhaupt Reue empfinden muss über etwas.

Dann kann man darauf hoffen, dass andere und irgendwie auch das Leben einem verzeiht, die Last von Schuld nimmt und man auch mit erbärmlichen Lagen, die nicht rückgängig gemacht werden können, eben lernt, lebt.



Es reut Gott

Vielleicht war es einmal der Gedanke Gottes, über all das Übel und Unheil der Menschen den Stab zu brechen und all das Unrecht sich austoben zu lassen und zu Verderben, Vergeltung und Strafe werden zu lassen. Man kann ihm kaum diesen Gedanken verübeln. Wie könnte man auch.

Aber dennoch spricht unsere Bibel von der Reue Gottes. Seiner Reue über das gedachte, geplante und auch manchmal indirekt geschaffene Übel. Der Grund seiner Reue liegt in seiner Güte, von der er sich immer wieder überreden lässt, an seinen Menschen, an seiner Schöpfung und an uns trotzallem festzuhalten.

Der Grund seiner Reue ist, dass er das Leben liebt und dass er keine „erbärmliche Lage“ für niemanden und nichts will und dass er selbst immer wieder umkehrt, wenn ihn sein Zorn droht zu packen und selbst Anteil zu haben am Übel. Dann kehrt Gott zu sich selbst um, zu seiner ewigen und treuen Liebe und es reut ihn mancher dunkler Gedanke.

Anders als wir braucht er sich aber nicht zu bessern, geschweige denn müsste er sich entschuldigen. Denn er ist der barmherzige Vater, der alle verlorenen Söhne und Töchter in seine Arme schließt und ihnen allen Lebenswandel verzeiht und mit ihnen ein Lebensfest feiern möchte. Wie dunkel die Gedanken des barmherzigen Vaters gewesen sein mögen, wissen wir nicht. Am Ende und im richtigen Augenblick bleibt seiner Liebe treu und liebt.

Dass Gott seine dunklen Gedanken über uns reuen, ist erschreckend und erhebend zugleich. Wir Menschen können eigentlich nur ihm diese Gedanken und seine Reue lassen, müssen es und müssen darauf hoffen und darum bitten, dass er immer unser erbarmender, liebender und gnädiger Gott ist und bleibt.

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