Predigt an
Exaudi (2. Juni 2019)
Epheser 3, 14-21
14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 von
dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat, 16 dass er euch
Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch
seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 dass Christus durch den Glauben in
euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, 18
damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge
und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen könnt, die
alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle
Gottes erlangt habt. 20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles
hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem
sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von
Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
füllen
Menschen
sind erfüllt, erfüllt von Essen und Nahrung, erfüllt von Freude und manchmal
von Hass, erfüllt von Ängsten und Sorgen, erfüllt von Unsinn und Fragen, erfüllt
von Gemeinschaft und anderen Menschen. Menschen sind erfüllt von dem, was sie
umgibt, was sie sehen, hören, wahrnehmen, erfüllt, von dem, was ihnen passiert,
widerfährt, was sie tun und lassen. Nicht alles erfüllt Menschen, aber vieles. Nicht
alles kommt in Menschen hinein, aber einiges. Nicht alles, findet den Weg in Menschen
hinein und bewegt sie, aber das eine und andere schon. Es bleibt nicht
äußerlich, nicht vor Augen, nicht nur da, sondern es kommt nach drinnen in den
Menschen und ist dort, im Kopf, in der Seele, im Herzen, im Gemüt, im Sinn, in
ihrem Leben.
Der Weg von
außen nach innen, ist ein merkwürdiger, ein feiner, vielleicht unergründlicher.
Warum das eine und das andere nicht in Menschen kommt und sie erfüllt. Warum das
eine Menschen kalt lässt und das andere sie erregt und bewegt. Warum das eine
den Menschen berührt, anrührt zu ihm spricht und ihn langsam, plötzlich,
deutlich, nachhaltig erfüllt, und das andere schnell vergessen wird,
nebensächlich und beiläufig ist. Vielleicht weil das Außen das Innere berühren
muss, das Äußere das Innere ausdrücken, anstoßen, irritieren, weiterbringen, in
Frage stellen, bergen, vertiefen, klar machen muss, vielleicht weil dann es beginnt:
Menschen werden erfüllt.
Menschen
werden erfüllt und bleiben doch leer, und merkwürdig: Leere erfüllt sie, und es
ist doch nicht Fülle, weil Entscheidendes fehlt, und wie schön sind jene erfüllenden
Augenblicke, in denen Menschen spüren, sie sind erfüllt, glücklich, angenommen,
beseelt, irgendwie guttuend voll. Und wie flüchtig sind diese erfüllenden Augenblicke
doch, und wie traurig sind Menschen, die leer sind.
niederwerfen
Seine Knie
beugen, nicht nur ein bisschen, sondern so sehr beugen, dass sie einen zu Boden
führen. Seine Knie beugen, sich niederknien, sich runterknien bis auf die Erde,
sich niederwerfen, in Demut in Hingabe. Den Körper hinlegen, sich und sein
ganzes Leben. Vor Gott, dem sich alle Knie beugen sollen, und mit den Händen
vor sich selbst beten, bitten, vielleicht sogar flehen, mit Händen, die sich
ausstrecken, die den ganzen Menschen wie ausrichten, ausrichten mit allen
Sinnen und Lebensinhalten, zu Gott.
So liegend,
lebensliegend, den anderen, für den man bittet, in den Sinn bekommen, in den
Blick, in eigene betende Worte bekommen, für ihn formulieren und ihn in sich
selbst imaginieren, sich ihn vorstellen, nach seinen Fragen fragen, nach seinen
Worten suchen, nach seiner Not tasten, nach seiner Hilfe schauen. Sich selbst in
ihn versenken, selbstvergessen ganz bei sich und ihm und ihn in sich. Auf den
Boden liegen, Kontakt zum Boden haben, zur alten Erde, geschunden, geschaffen,
wie man selbst. Die eigenen Wurzeln spüren: Gott, die eigene Quelle spüren:
Gott, das eigene Woher vernehmen: Gott.
Niederkniend,
vor Gott ausgestreckt den anderen in sich betend, geöffnet werden, geöffnet
sein, eingereiht in die wunderbare Reihe der immer Betenden, der Menschen, die
groß und klein, bekannt und unbekannt vor uns schon immer gebetet haben, geheiligt
durch deren unsichtbare, wahre Gemeinschaft zutiefst erfüllt sein von Jenem Einen,
von Gott.
Ein Gott
selbst in Bewegung, auch irgendwie fleischlich sich in seine Welt hineinkniend,
für sie hoffend, sie erfüllend. Ein Gott in menschlicher Bewegung, Schöpfer und
Namensgeber von allem, was ist, herrlich selbst randvoll von Kraft und Stärke, ein
Gott, der alles ausfüllt, allen Raum und alle Zeit, ein Gott, der die Fülle
selbst ist: überreich, überschwänglich, überfließend voller Liebe zu Menschen
hin.
erhaben
Da ist Jemand,
der kniet sich für uns hin. Ein Text, wie heute Morgen, ein Jemand, der darin
zu uns spricht und will. Ein Jemand, der sich für uns niederkniet, der bittet,
betet, der uns nimmt zu, vor Gott. Der uns erst äußerlich, vielleicht gar
fremd, hineinnimmt in seine Bewegung.
Ein Jemand,
der mir zu Herzen geht, der nach meinem Inwendigen fragt, nach dem, was in mir
wohnt und wohnen soll, um meinetwillen. Ein Jemand, der mich still staunen
lässt, der mich fürchten lässt, der nach meinem Innersten fragt und sucht, nach
dem, was mich wirklich erfüllt und erfüllen mag. Ein Jemand, der mich im Beten
vor Gott bringt, der mich zärtlich bestimmt vor Gott versetzt, verortet, der dort
meine Sorgen nennt, meine Fragen fragt, meine Ängste sagt, meine Sehnsucht in
dürre Worte kleidet. Ein Jemand, der mich endlich verwurzelt, verbindet, fest
gründet dorthinein, wo ich herkommen, wohin ich gehöre, wo ich wer bin, vor mir
und meinem Gott. Ein Jemand, der mich heilsam einordnet in die schöne
Gesellschaft der Heiligen, der Nachfolger und Gottsucher.
Ein Jemand,
der mich betend hineinstellt in jenen Raum, zu dem er spricht, der mir vor Augen
führt, ins Ohr sagt, in den Kopf spielt den Himmel selbst und Gottes Zeit und
Raum, der mich in Gottes Welt stellt, und mich sehen lässt, mich bittet, zu
begreifen, zu erkennen, hineinzugehen in diesen Gottesraum und seine Zeit,
hinein in Gottes Liebeswelt.
Ein Jemand
- und ich werde erhoben, hineingenommen in diese erfüllende Bewegung, die mich
erfüllt. Ich werde erfüllt, bekomme Anteil an Gottes Reichtum, an seiner
Herrlichkeit, an seiner Kraft und Stärke, an seinem Leben, bin ich erhaben,
geistvoll, bin ich erfüllt von Christus. Amen.