Predigt an Exaudi (8. Mai 2016)
Epheser 3, 14-21
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem
Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und
auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark
zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch
den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und
gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite
und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen,
die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen
Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir
bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der
Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Liebe erklären
Dieses Gebet ist wie eine große
Liebenserklärung.
Von Zeit zu Zeit erklären Menschen
sich einander die Liebe. Zärtlich, leise, alltäglich, außergewöhnlich. In ganz
besonderen Momenten und vielleicht braucht aber eine Liebenserklärung auch das
ganze Leben, die ganze Fülle von vielen Tagen, Sätzen, Berührungen, gemeinsamen
erlebten, durchstandenen, wunderbaren Augenblicken. Jemand erklärt jemanden
anderen die Liebe, fühlt sie in sich, überfließend, gewiss, wahrhaftig und
gesteht sie, sagt sich, spricht sie aus, zu, gibt und schenkt sie dem anderen
als Wertvollstes, als Schönstes, lässt den anderen als geliebten Menschen fühlen,
sehen, erstrahlen, diese Liebe empfinden. Das Unsagbare der Liebe, deren
Faszination und Tragkraft, deren Erhebendes und Alltagssattes, wird ausgesagt,
das Unerklärliche erklärt, und bleibet kostbarstes Geheimnis.
Dieses Gebet ist wie eine wunderbare,
kostbare Liebeserklärung. Da betet einer für einen anderen, für uns, die wir
das Gebet hören, dass dieser, dass wir die Liebe bekommen, spüren, in sich haben,
erfüllt davon seien. Er betet selbst erfüllt von Liebe zu dem, der die Liebe
ist, zu Gott, und Gott möge dem anderen, uns, die Liebe schenken.
Eine Liebeserklärung Gottes.
Hingebungsvoll
Hingebungsvoll, voll Liebe, selbst
erfüllt von ihr, betet der Beter dieser Worte. Er betet aus eigener Liebe, sie
erfahren, geschenkt bekommen, er betet in Liebe für die Liebe. Er betet nicht
für seine eigene Liebe, nicht in eigener. Er betet von Gottes Liebe geliebt in
Gottes Liebe für Gottes Liebe.
Er betet kniend, gebeugt, versunken, ehrergiebig,
selbst vollkommen bedürftig, angewiesen, ausgestreckt auf jene Liebe, um die er
bittet, selbst hungrig und durstig nach Liebe, selbst von ihr lebend, sie
gebend, sie erbittend, von dem, der die Quelle der Liebe ist.
Er betet eindringlich, eingehend, dreimal
setzt er mit Gebetsworten immer wieder an, er schreitet in Worten Himmel und
Erde ab, versucht beten in Worten alles zu umfassen, versucht den Glanz zu
sagen, den Reichtum vor Augen zu malen, die wunderbare Kraft selbst spürbar zu
machen, den, für den er betet, hineinzuführen, hineinzusprechen,
hineinzubringen in jene Liebe, aus der er selbst alles schöpft: seine Worte,
seine Gebet, seine Bitten, sich und sein Leben.
Überfließend
Überfließend, überbordend, aus sich
herausgehend, suchend, findend, im höchsten Maße erfüllend ist ihm die Liebe
Gottes, ist die Liebe Gottes. Sie ist alles durchpulsierende Kraft und Macht,
sie kann zart und stürmisch sein, fordernd und selbst hingebungsvoll, erbarmend
und zurechtrückend, gütig und geduldig, herrlich, nahe, unglaublich reich und
bereichernd. Über alles ist sie alles umfassend, alles berührend, alles
umarmend, alles bergend, alles haltend, heilend, befreiend, rettend.
Gottes Liebe erfüllt alles, Zeit und
Raum, Himmel und Erde, kleine und große, Sünder und Heilige, sie ist
überschwänglich, leidenschaftlich, schöpferisch, verändernd und hält geborgen.
Sie ist unerklärlich, unfassbar, wirksam, verleiht Flügel und Wurzeln, in ihr
erklärt sich Gott der Welt, uns, er erklärt sich als der, der er ist, er
erklärt uns die Liebe.
empfangen
Erbeten, gewünscht, zugesprochen gibt
die Liebe Kraft und Stärke. Kraft und Stärke, sie zu empfangen, in ihr zu
leben. Nicht eigene Kraft, nicht eigene Stärke, auch wenn sie in und an uns ist.
Sondern Kraft und Stärke dessen, der Liebe schenkt, der schenkt, dass in uns,
im Herzen Christus selbst einwohnen, sich lebendig einnisten kann. Menschen
ganz bedürftig, angewiesen, ganz offen, vielleicht auch wundgelebt, schmerzlich
aufgebrochen bekommen Gottes Kraft, dass die Liebe Christi in ihnen einwohne,
sich einwurzle, sich dort gründe und dort selbst zum Grund, zum Fundament, zur
Quelle, zur Lebenskraft wird.
Menschen werden immer tiefer in diese
Liebe hineingeführt, kommen hinein, wohnen selbst der Liebe ein, finden sich
ein, finden sich und ihr Leben in dieser Liebe, die nicht ihre ist, aber ihnen
geschenkt ihre wird, sie selbst wird. Das Unfassbare, das Unermessliche der
Liebe, deren Größe, deren Geheimnis, deren unerfindliche, spürbare Macht
verstehen Menschen, erfassen, begreifen sie, so wie Menschen Liebe begreifen,
wenn ein Jemand zutiefst liebt und geliebt wird, die Liebe einen begreift,
umgreift und uns hineinnimmt in sich, in all ihrer wunderbaren Breite und
Länge, Höhe und Tiefe, in ihren alles heilsam umfassenden Raum.
Mit den Augen der von Gott
geheiligten, zu tiefst geliebten Menschen die Liebe selbst dann sehen und von
ihr erfüllt werden. Diese Fülle empfangen und in sich tragen und ihrer wie alle
anderen bedürftig in Höhen und Tiefen, in der ganzen Weite und Enge des Lebens,
um sie bitten, für sie beten, für andere anderen beten, um Liebe für andere
bitten, auch die Liebe Gottes erklären.
Amen.