Ansprache bei „Atem holen“ am 26.
September 2019
"Lobe den HERRN, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." | Ps 103,2, Wochenspruch
zum 14. Sonntag nach Trinitatis)
Seele berühren
Nur ein Gegenüber können wir wirklich ansprechen. Es muss
etwas, zumindest etwas Kleines, zwischen ihm und uns sein, damit Worte und
Blicke, Gesten und Gemeintes ein bisschen Raum haben, um von uns bei ihm anzukommen,
um gesagt und gehört, um gesehen und empfangen zu werden.
„Lobe den Herrn, meine Seele.“ Als wäre meine Seele mir
gegenüber., als müsste ich, sollte ich sie ansprechen, auffordern, ihr etwas
sagen. Mir meine Seele gegenüber. Aber ich bin doch der, der sie hat, die
Seele, meine Seele. Ich bin doch Seele. Aber vielleicht braucht es diesen Augenblick,
indem wir unsere Seele, was immer sie sein mag, gegenüber sind, gegenüberstehen
und sie bitten, sie auffordern, sie bewegen, das in uns bewegen, was in uns
ist, was vielleicht unsere Tiefe, unser Wesentlichstes ist.
An Schmerz erinnern
Vergessen mag eine Gnade sein, am bestimmten Punkten, wenn es
so wird, mit und ohne unser Zutun, dass Schlimmes, Schmervolles, Abgründiges
wir vergessen, so weit vergessen, dass es einer besonderen Erinnerung bedürfte,
es wieder hervorzuholen; es sonst aber vergessen ist. Vergessen ist ungnädig,
wenn Menschen uns entschwinden, wenn sie in ein Vergessen geraten, dass sie zu
anderen macht und doch bleiben sie, weil wir uns erinnern, weil wir gegenwärtig
sind. Vergessen tun wir oft flüchtig, das ein oder das andere und es ist nicht
wichtig, vielleicht nur unangenehm oder hinderlich. Und am liebsten vergessen
wir nicht die schönsten Dinge, Momente und Menschen im Leben. Und manche sind gar
nicht mehr Vergessen, erinnern nur noch und sind und leben ganz im Vergangenen.
Wir unserer Seele gegenüber, wir bitten sie. Unsere Seele
soll nicht vergessen, sie soll ich erinnern. Auch an das Schmerzliche, Schlimme?
Wenn wir unsere Seele aufrufen, nicht zu vergessen, sich zu erinnern, wie
können wir sicher sein, dass nicht eben das Schlimme sich erinnert, hochkommt?
Als ob unsere Seele, wenn sie sich erinnert, wenn sie selbst in die Tiefen des
Vergangenen wie hinuntersteigt, fein säuberlich trennen könnte zwischen dem, was
sie sich erinnert und was nicht, was gut ist und erinnert werden darf und was
schlecht ist und vergessen wird. Das kann sie nicht. Vielleicht darf sie nicht.
Kleinlaut loben
Dadurch erhält vielleicht ihr Lob eine besondere Würde, einen
besonderen Klang, eine besondere Tiefe. Im Lob schwingt auch das Schlimme mit, die
Erinnerung ist ganz, das Lob umschließt auch die Dunkelheit, die Klage und ist
so Lob.
Loben tun wir Kinder, wenn sie etwas sehr gut getan haben,
loben tun wir andere, manchmal auch uns selbst. Zumindest hören wir gerne, wenn
jemand uns lobt. Loben ist Anerkennung, ist motivieren, ist erhöhen von mir und
dir, es ist gut, wo es Grenzen kennt. Loben tun wir mit Worten, mit Gesten, mit
Blicken, manchmal mit ganzen Briefen und Schreiben und Auszeichnungen,
eigentlich auch und irgendwie durch unser Leben loben wir.
Ist dies alles wirklich Lob? Sicher und doch ist loben auch
mehr. Wenn wir den Morgen loben, einen geglückten Augenblick, den anderen
liebend, weil er so ist, wie er ist. Loben, das ist vielleicht dort, wo wir
etwas kleiner sind und das zu Lobende größer, zum Loben gehört vielleicht
Ehrfurcht, das Gefühl, jetzt geschieht mehr als ich, Schöneres, Erhabeneres,
ein Stück kleine Ewigkeit für mich, dann loben wir vielleicht ganz still, durch
einen Atemzug, durch das pure Gefühl und Wissen, das ist jetzt für mich.
Guter Gott
Das Gute nicht vergessen. Auch das ist Teil des Selbstgesprächs
mit unserer Seele. In allem Schlimmen und in allem Klagen, denke an das Gute,
was dir widerfuhr, erinnern dich daran, lass es da sein in dir.
Was tut Gott Gutes? Was ist das Gute für mich, generell und
jetzt. Wissen das Menschen denn immer? Immer so genau? Überblicken sie wirklich
alle Zusammenhänge? „Lobe den Herren …“ Und die Seele schwingt sich auf zur
Erinnerung an das Gute in alten, wunderbaren Worten des Psalmliedes: der dir
deine Sünden vergibt, der dich heilt von Gebrechen, der dich erlöst, der dich
krönt mit Gnade und Barmherzigkeit, der dich fröhlich und gnädig stimmt.
Gott handelt gut an mir, mit mir, vielleicht auch manchmal
nicht, das ist fremd und tief verborgen, aber er will immer gut an mir handeln,
mir Gutes tun. Weil er selbst gut ist, gütig ist, mich liebt und sich meiner
erbarmt, meine im Selbstgespräch befindlich Seele schütz und erinnert, nicht
vergessen lässt ihn, das Gute an ihm.
„Lobe den Herren, meine Seele“ das sagt Gott zu unserer Seele.
Eingedenk, was noch so alles ist. Gott
bringt uns hinein ins Loben, ins Lobsingen, er bringt uns zum Klingen, ins
Beten, ins Anbeten, ins Rühmen, ins heilsame Nicht-Vergessen von IHM.
Amen.