Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis
(16. Juni 2013)
Lukas, 15, 1-10
Es nahten sich Jesus aber allerlei Zöllner und Sünder,
um ihn zu hören. Und die Pharisäer und
Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit
ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat
und, wenn er "eins" von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in
der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's
gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er
heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch
mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So
wird auch Freude im Himmel sein über "einen" Sünder, der Buße tut,
mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und
"einen" davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus
und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft
sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich
habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So, sage ich euch,
wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.
Ein Lächeln
Ein sanftes Lächeln liegt auf dem Gesicht
von Jesu, auf Gottes Gesicht. Ein tiefes Lächeln, angestrengt, erschöpft,
beseelt, glücklich: Verlorenes wieder gefunden. Dich, ja dich, wieder gefunden,
im Gestrüpp, im Dickicht, verlaufen, verlebt, verloren. Gefunden.
Gott sucht dich
Gott hat dich gesucht. Gott sucht. Er
zählt täglich, stündlich ab die Menschenkinder und schaut, dass keines von
ihnen fehlt, verloren geht. Er hat sie im Blick, die Menschenschar, die alten und
die jungen, die selbstbewussten und die kleingemachten, die Sünder, die
Verunsicherten, die Abgedrängten, wie sie alle ihr Leben leben, ihre Wege gehen.
Es bleibt ihm nicht verborgen, wenn einer droht verloren zu gehen, rauszufallen
aus dem Heil, dem Kosmos seiner Liebe. Er kennt doch jeden bei Namen und mit
seiner eigenen Geschichte, dich und mich.
Er geht den Verlorenen nach, mit
Fleiß und Mühe. Ihn treibt seine Liebe. Er zündet Licht um Licht an im Dunkel
von Angst, Seelenacht, von Frage und Verlorenheit. Er kehrt den Dreck weg, den
Dreck, den Sünde macht, den Menschen hinterlassen, der uns stolpern, uns verkommt
und verlieren lässt. Er tastet und sucht ab, bis alles ausgeleuchtet, bis alles
gekehrt, bis alles durchsucht, bis jeder Schuldstein umgedreht, an jeder
Lebensecke geschaut, bis er sich hineingegraben hat in unser arg zerfurchtes
Leben, bis er uns sieht, von seinem Angesicht zu unserem, sorgenvoll und von
der Zeit der Suche gekennzeichnet, bis er uns dort gefunden, wo wir uns
verloren haben.
Bis jener seltsam verschachtelte,
liebevolles Satz in unsere Seele fällt: Du bist der, von dem jemand sagt, ich
habe dich verloren. Du bist der, von dem Gott sagt, Mensch, ich habe dich ja
verloren, und jetzt wiedergefunden.
Gott berührt mich
Und mit jenem Satz bückt sich Gott,
kniet er sich nieder auf unsere Erde, so wie der barmherzige Samariter zu dem
anderen, um aufzuheben, wie die Frau die Münze aufzuheben, der Hirte das Schaf,
wie Jesus, der kein eigenes Haus hatte, kein Tisch sein eigen nannte und doch
an so viele sich setze, er selbst, Gott in Menschgestalt einkehrte bei denen,
die im eignen Haus verloren waren und sich an ihren Tisch setze, um mit ihnen ihren
Tisch, ihr Brot, ihre Zeit, Sorgen, Sünde und Leben zu teilen.
Jesus muss in diesem Moment die
Menschen berührt haben, so wie die Frau die Münze, der Hirte das Schaf, Gott
die Verlorenen. Er hebt auf aus dem Schmutz, aus der Verlorenheit, und legt sich
das fast verwirkte Leben auf die Schulter; nichts muss man tun, nicht mal
herauskriechen. Gott hebt einen auf und trägt mich zu sich nachhause, zurück,
legt mich und mein Leben zurück an die richtige Stelle bei ihm, zu den anderen,
die auch hätten verloren gehen können.
Ein Lächeln schweißgefärbt von der
Suche muss in diesem Moment ihn zeichnen. Am Tisch nimmt Jesus Platz, neben
uns, er isst mit uns Sündern, Verlorenen, und wir sitzen da mit allem, was wir
sind, der Last, der Angst, den Zeiten, in den wir uns müde, allein, verlassen
und verloren fühlten, waren. Mit ihm am Tisch sind wir aber gefunden, gesehen,
geliebt, solche, mit denen Gott seine Liebe teilt. Ein Lächeln verzaubert den
Tisch und die Menschen daran.
Gott freut sich
Voll Freude im eigenen Herzen
schultert der Hirte das gefundene Schaf, er und die Frau mit der Münze rufen
Familie und Nachbarn, all die, die um sie sind, zusammen und alle freue sich
mit. Der Himmel lacht auf und die Engel freuen sich über jeden Wiedergefundenen.
Gott freut sich, sich im umfassende Sinne; der, der Himmel und Erde geschaffen
hat, der dich ins Leben rief, der tagtäglich mitleidet und erlöst, der alles am
Ende zum Neuanfang vollendet, der freut sich, in sich und aus sich heraus, ganz
still und einzeln in Herzen gefundener Menschen und solcher, die suchen; freut
sich als Freude zwischen Menschen, untereinander. Verlorenes wiederfinden
steckt an, beglückt, versetzt in ein Frohgefühl. Es ist das Schönste, was unter
Menschen passieren kann. So lacht auch der Himmel freudvoll darüber und Engeln
entlockt es ein Lächeln, vielleicht ausgelassene Freudenschreie, dass sie zu Boten
werden, was da auf Erden passiert: Gott findet dich und mich und er freut sich.
Wie Jesus am Tisch, als er mit Sündern aß, es ein Festmahl wurde, ein
Freudenmahl, an dem Nahrung ganz anderer Natur die Seelen füllte.
Ein Lächeln geschenkt
Gott hat gesucht und er war, als die
Suche begann, als ihm in Herz und Auge fiel, dass du oder ich verloren gehen,
zu tiefst erschrocken, besorgt, hatte so etwas wie Trauer, Wut, Ärger und Hass,
aber immer mehr Liebe in sich. Er sucht und findet und so verwandelt er sich in
Freude hinein, die begann, als das Verlorene mit tiefem Lächeln er in die Arme
schloss. So verwandelt verloren in gefunden, Entfernung in Nähe, Sünde in
Vergebung, Ende in Neuanfang, Angst in Freude und bittere Tränen in ein von
Gott geschenktes Lächeln. Amen.