Montag, 29. Juli 2019

Ins Leben legen


Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis (28. Juli 2019)



1. Petrus 2, 2-10

2 und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil, 3 da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. 4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. 5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.

6 Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.« 7 Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die aber, die nicht glauben, ist er »der Stein, den die Bauleute verworfen haben; der ist zum Eckstein geworden« (Psalm 118,22) 8 und »ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Jesaja 8,14). Sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. 9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht; 10 die ihr einst nicht sein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).



Nicht müde werden

Ins Leben gelegt. Bekommen Menschen einiges. Vieles. Vielleicht ist alles ins Leben gelegt. Ins Leben gelegt bekommen Menschen Fragen, Sorgen, Unfälle, ihre Eigenarten, Glücksmomente, andere Menschen. Ins Leben gelegt in all den Jahren eines Lebens, an all den Orten des Lebens, in den Tagen, Stunden, Momenten, zuhause, in fremden Zimmern, unterwegs. Hineingelegt und davon überwältigt, hineingelegt und dann damit leben müssend, hineingelegt und sich daran abarbeiten, abmühen, damit ringen, damit zurechtkommen. Hineingelegt und es schmeckt bitter, fad, stellt in Frage, ist wunderschön, erhebt, verletzt, macht ratlos.

Hineingelegt als sei der Menschen Leben etwas, worin man etwas hineinlegt, als sei es eine langsam zu füllende Form, in der das ein und das andere hineinkommt. Von wo kommt es hinein? Wer legt es einem ins Leben? Und wer nimmt es wieder raus, wenn es sein muss? Und manches bekommen Menschen wirklich wieder hinaus, und manches niemals und manches lebt wie unbemerkt bei ihnen weiter, manches bleibt als lästiges Ding, als schöne Erinnerung, als Erinnerung, dass alles scheinbar wie gegeben ist, zu nehmen ist.



Dem Wunder

Nicht zufällig, nicht nur so hineingeraten, sondern absichtlich, mit Bedacht und Plan wird Jesus Christus Menschen ins Leben gelegt. Er wird von Gott wie in die Hand genommen, sein Plan vom Himmel für Menschen auf Erden. Er wird auserwählt aus Abermillionen Möglichkeiten zwischen Gott und Mensch, erprobten und rein theoretischen. Er wird auserwählt als der eine, als das Angesicht der Freundlichkeit Gottes, als der Zeitmensch, der Heil eröffnet, als heiliges Wort für Jedermann. So wird Jesus Christus ins Leben gelegt.

Und Menschen sehen es erst nicht, als sei es gar nicht möglich, und Menschen stolpern unverhofft über ihn, Hochbetagte und ganz Junge, Weiße, Dunkelhäutige, Frauen, Männer und Menschen stoßen sich an ihm, stoßen sich an Gott, werden aufgerüttelt, sehen darin keinen Wert, ärgern sich und lassen ihn liegen, und Menschen werden von ihm berührt, warum und wie auch immer, werden berührt von dem, was mit ihm in ihrem Leben liegt, hineingelegt wurde und verbinden ihn mit sich, entdecken seinen unerschöpflichen Reichtum und beginnen zu glauben, glauben schon, dem leisen Wunder ihres Lebens.





Leise wie einem Vogel

Und es ist so, dass er, der für ihnen aufgehende Christus, selbst zu ihnen spricht, darf ich in deinem Leben bleiben, bei dir, hineingelegt, berührt, mich schenkend, darf ich bei dir bleiben, Mensch, und dich verwandeln, dein Leben, und er hört vielleicht ein zartes Ja, und Jesus Christus entfaltet sich, und Menschen wachsen, werden als ganz normale Kleingroße groß, schmecken Leben, schmecken Kostbarkeit, schmecken eigentümlich noch im Bitteren ein Stück von ihm. Er will in dir werden, er wird sich dir erweisen, er wird dich erbauen, und du wirst ablegen manches Böses, wirst heiler an deiner Seele, wirst spüren, wie es wohltun kann, ihn mit sich zu wissen, wie teuer und kostbar er dir wird, auch im Zweifeln und in manchen dunklen Nächten, wie du warten, staunen, still in dir jubilieren lernst.

Er, Christus, wird dir Grund zum Leben, Grund zu sein und Grund unter dir, wie ein Grundstein, Eckstein, der dir dein Leben, das manchmal in bestimmten Stunden so zerstreut ist, zerstreut wird, zusammenhält, immer wieder mir dir zusammenfügt, der dir unsichtbar dein Leben trägt, befestigt, einfügt in Größeres, der dir zu einem lebendigen Stein wird, gehärtet und lebendig durch seinen Tod und seine Auferstehung, hindurch durch dein Elend und Glück.



Die Hand hinhalten

Dem Wunder die Hand hinhalten. Es wird flüchtig sein, aber es wird da sein. Jesus Christus ins Leben gelegt, die Liebe bekommen. Du wirst kostbar sein, auserwählt, wunderschön in Gottes Augen. Nicht alles wird dir gelingen, aber er wird nie zulassen, dass du ganz zu Schaden kommst. Du wirst den Geist in dir haben, wunderbare Worte hören und in deinen Worten wunderbare Worte weitersagen können, andere trösten, anderen etwas von Christus unauffällig vorleben. Du wirst Königin sein, Königin deiner Selbst, deines Lebens, auch mit armen Bettlerkleidern an, du wirst heilig sein mitten in deinem staubigen Alltag, Gott in dir tragen, gebären, hinaussetzen und manches Licht im Dunkel sehen. Du wirst weiter elendig sündigen, an Erwartungen scheitern, du wirst aber in Gnade leben, seine Lieder singen, von seinen Menschen dich berühren lassen, ihm so manchen Gedanken und manches Gebet opfern, für andere vor ihm eintreten und deine Welt mit seiner verbinden.

Du wirst wie er ein lebendiger Stein. Ein glänzend wunderschönes Paradox, dir hineingelegt in dein eigenes Leben, in das unendliche Leben Gottes. Du wirst Gott ganz gehören, und er wird dir gehören. Du wirst sein eigen sein, du selbst, du wirst nichts haben und mit ihm alles, du wirst haben immer ein Früher, und einst, aber auch ein Jetzt, du wirst immer der Alte sein und neugeboren.

Wir sind einander ins Leben gelegt. Als lebendige Steine, eingefügt in Gottes Reich. Wir sind einander ins Leben gelegt, zufällig, ausgesucht, gegeben, mit und ohne Reibung, jetzt hier im Gottesdienst, jetzt hier in unseren Kirchenbänken, links und rechts von uns, ferner und näher, verbunden an Leib und Seele, verbunden untereinander, verbunden durch Hineingelegtes, durch sein Wort, das niemals leer zu ihm zurückkehrt, durch Wunder, die das Leben schreibt, durch ihn, Christus. Einander ins Leben gelegt sind wir alle sein Volk, seine heilige Schar, seine geliebten Könige aus Fleisch und Blut, eine geistliche Gemeinschaft auf dem Weg. Bereit, ihn zu loben mit allem, was in uns liegt. Amen.