Predigt zur Eröffnung der Bibelwoche
2013 (27.1.2013) in St. Michael
Nie ganz sicher
„Der Tod ist nicht mehr
sicher.“ Menschen, die geboren wurden und sterben, die leben und glauben, die
evangelisch oder katholisch sind, treffen sich in der nächste Woche an vier
Abenden. Sie lesen im Markusevangelium und suchen aus ihm zu schöpfen, was sie
tröstet im Leben wie im Sterben. Sie begegnen einander unter diesem einem Satz:
„Der Tod ist nicht mehr sicher!“
Nicht mehr sicher. Das macht ein ungutes, komisches
Gefühl. Wir wollen es gerne sicher haben. Morgens wenn wir aufstehen, soll die
Erde sich noch drehen und meine Nachbarn da sein. Abends im Bett soll ich
behütet werden vor allzu großen Sorgen und wilden Gedanken. Wir brauchen es
sicher. Unser tägliches Brot. Eine Aufgabe. Den gewohnten Gang der Dinge. Jemand,
der uns liebt und beschützt. Gott im Himmel. Dass nichts Schlimmes passiert.
Wir nicht stürzen. Die Hoffnung und den Glauben nicht verlieren. Die wesentlichen
Sachen feststehen. Und wir uns sicher und geborgen fühlen.
Wir merken, sehen, ahnen, spüren aber auch, nichts ist ganz
sicher. Auch wenn wir unendlich viele Geländer aus Worten, Zusicherungen,
Gewissheiten, Garantien bauen. Das Leben ist und bleibt mit gewissen Risiken und
Wagnissen behaftet, mit Unsicherheiten und Unwegsamkeiten durchsetzt, mit Zufall
und Unverhofften vermischt, die uns grausam oder wunderbar treffen, die uns
Angst oder Hoffnung machen. Das Leben ist nicht sicher, nie ganz. Es ist
eingespannt zwischen Festem, Gewissem, Sicherem und Losem, Freiheit und Lebendigkeit.
Und je mehr Menschen sich absichern, sich versichern,
versuchen, jedes Risiko zu minimieren, alles sicher zu wissen und zu haben,
umso mehr passiert es: Leben wird trotzdem und gerade an einem bestimmten Punkt
zum Wagnis, die Angst überwältigt, die Frage nach Geborgenheit und Vertrauen
stellt sich, nach dem, was mich bei allem, was ist, geschieht und wird, bei
sich bergen kann.
Ich bin mir sicher
Der Tod, der ist sich sicher. Er ist sich sicher, dass immer
wieder Schlimmes passiert und der Zufall Unglück bringt. Der Tod ist sich
sicher, das Schicksalsschläge Menschen Sinn und Glück brechen, dass Menschen
Mut und Hoffnung verlieren; dass Unverhofftes verwirrt und Unsicherheit Panik
macht, dass Menschen Freiheit ausnutzen und das zu große Risiko suchen, um sich
lebendig zu spüren, dass Krankheit Verzweiflung bringt, Neid und Hass wie Pilze
aus dem Boden sprießen und wir einander kaum aushalten.
Der Tod ist sich sicher, dass Menschen einander die Hölle
bereiten, dass sie lieber Argwohn als das Vorteilhafte denken, mehr das
Schlechte als das Gute sehen, eher Hass als Liebe fühlen. Der Tod ist sich
sicher, dass Kinder in Zimmern verwahrlosen; Ehepartner sich anschweigen; man
Spaß am Mobbing findet, Worte wunderbar verdreht werden können, Augen die Lust
aus sich setzen, man sich selbst drangsaliert, die Schöpfung blutet, die Welt
verrückt dem Abgrund zusteuert.
Der Tod ist sich sicher, dass er nicht nur am Ende da steht
und das Ende von allem Lebendigen ist, dass er der Herr über Lebenslänge ist
und sterben lässt, was jung und alt, krank und gesund, heilig und alltäglich
ist, dass er wirklich der große, mächtige Gleichmacher ist, der am Anfang des
Nichts steht, und an dem keiner vorbeikommt.
Nein, der Tod ist sich auch sicher, dass er mitten im Leben
die Angst vor ihm bringt, ein Stopp ist, das jetzt schon zum dunklen Fragen
bringt, ein Moment des Unausweichlichen, das jetzt schon verzweifeln und nur schwer
leben lässt.
Total verunsichert
Jesus aber hat den Tod verunsichert und er tut es heute noch.
So kann es Menschen geschehen, die aus Markusevangelien Trost und Freude schöpfen
Unverhofft im kindlichen Gewand trat Gott unter uns mit Jesus
auf den Plan. Geboren entlegen, auch für den Tod fast unerkannt. In der Wüste
hat er dem Satan mit Worten getrotzt und ihn ratlos zurückgelassen. Unzählige
böse Geister hat er den Kampf angesagt und sie aus Menschenleibern vertrieben.
Für Frauen und Männern hat er unheilvolle Teufelskreise durchbrochen, Sünde vergeben
und den Neuanfang gewagt.
Menschen, denen der Sinn abhandengekommen ist, die im Dunklen
von Krankheit und Leere wohnten, hat Jesus berührt, zu ihnen gesprochen, sie
geheilt und neuem Leben ermutigt. Er hat innere und äußere Fesseln gelöst,
gebrochene Beziehungen neu geknüpft, Verbindungen geschaffen, wo keine waren,
Augen geöffnet für die Fülle, Seelen und Bäuche wunderbar liebevoll genährt und
nie gefragt, ob das morgen noch geht, ob darüber auch der Abend der Zeit kommt,
ob es ewig währt.
Jesus hat den Tod gehörig verunsichert, als auch zweifelnd,
ängstlich vielleicht, hinein kam in Anfechtung und Schläge, in Verrat und Trug,
in absurde Beschuldigung und in die Wehen der Endzeit; mit Wut hat er gekämpft,
mit der Müdigkeit seiner Jünger und mit seinem heiligen Vater auch. Er blieb
nah, als das Salböl seinen Kopf hinunterrang wie Blut der bittren Zukunft. Er
blieb nah, als er den Seinen die Füße wusch und vor ihren Schweiß und Staub niederkniete.
Er blieb nah, als er das Brot brach und aus dem Kelch des Leides trank und den
Tod nicht einen Hauch zwischen sie kommen ließ. Er blieb nah am Kreuz, wo alles
durch Tod gebrochen fern war.
Der Tod wurde verunsichert, ihm wurde Angst und Bange. Jesus
riskiert sein Leben, weder heroisch noch unbedarft, weder blindlings noch
gesucht. Jesus wagt sein Leben bis auf die allerletzte Sicherheit und wird
auferweckt, birgt uns alle in letzter und erster Sicherheit, in der Sicherheit
eines sich gewiss liebenden Gott.
Der Tod ist überhaupt nicht mehr sicher. Amen.