Samstag, 23. September 2017

Der Liebe er folgt



Predigt am 15. Sonntag nach Trinitatis (24. 09. 2017)

Lukas 18, 28-30
Da sprach Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der kommenden Welt das ewige Leben.

Und jetzt?
Und jetzt? Petrus Satz hat kein Fragezeichen und doch fragt sein Satz, er hat nach sich wie eine lange Pause, eine Stille: ------ und jetzt. In Petrus Satz schwingt der ganze Petrus mit, der ganze Weg, seit der Ruf Jesu ihn traf, er aufbrach, er losging, seit er mit Jesus Zeit und Raum teilte, ihm nachging, ihn Tag und Nacht sah, von seinem Bissen Brot aß, mit anderen um seine Worte lagerte. Und jetzt. Und all der Mut von Petrus ist mit zu hören, all der Zweifel, all seine Hoffnung, sein Suchen, sein Schmerz, seine Neugier, sein Entflammtsein, seine stille Angst, der Weg übers Wasser, das Untergehen, die Hand Jesu, ihm zugstreckt.
Es ist keine Frage und doch steckt alles drin, und eine ungeheure Offenheit, die ins Leere oder Volle weist: der Blick zurück, und der Blick nach vorne, die immense Spannung, so viel zu geben und auch bekommen zu wollen, so viel zu lassen und am Ende nicht mit leeren Händen dazustehen, so viel gefolgt zu sein und doch nicht zu wissen, wohin der Weg geht, so sehr ein kommendes Leiden zu fürchten und doch ganz zu hoffen, das Herrliche zu finden. Es ist nur ein Satz, keine Frage, aber irgendwie alles von Petrus: Und jetzt?

Hingebungsvoll
Jesus hört diesen Satz. Er ist ihm vor die Füße gelegt, so wie Petrus ihm am Ufer einst einfach ins Leben kam. Jesus weiß, Petrus hat alles verlassen und er wird noch mehr lassen müssen. Jesus weiß um das Menschen Unmögliche, ganz Jesus zu folgen, seinen Weg zum eigenen zu machen. Jesus weiß, dass es hingebungsvolle Menschen braucht, dass wir Menschen es im Kern doch sind und sein können:
Menschen, die Gott vor Augen, sich trennen, hinter sich lassen, die aufgeben, ihr eigenstes, das, was zu ihnen gehört, was sie ausmacht, was sie zu dem macht, wer sie sind. Menschen, die sich selbst verlassen, sich hingeben, sich vergessen und ganz und gar zu hingebungsvollen Menschen werden, im Kleinen, manchmal im Großen, mit Mut, mit Zittern, tastend, suchend, findend, sich selbst wie veräußern, sich selbst wie hingeben, den kleinen, entscheidenden Schritt tun und sich Gott in die Arme werfen. Sich selbst wie entleeren, von all dem, was sie ausmacht, füllt, beschwert, quält, um ganz leer vor Gott zu werden zu warten, zu harren, bis jenes „Und jetzt“ in ihrem Leben geschieht.
Was wir für das Reich Gottes tun können? Jetzt. Immer wieder. Ein Leben lang. Was für eine anmaßende Frage: Als ob wir was tun könnten, damit Gott sich bewegt, geschieht, da ist, Gott inmitten unserer Wirklichkeit wirklich wird und sein Reich komme. Was wir für das Reich Gottes tun können, für es, seinetwegen? Was für eine für Menschen Leben und Denken übergroße Frage. Unmögliches vielleicht nur: Leiden. Lieben. Leer werden. Alles bekommen. Werkzeug sein.

Voll empfänglich
Inmitten, wenn Menschen, unbeholfen, mutig, verzweifelt, sich Gott hingeben, empfangen sie unendlich viel. Aus dem hingebungsvollen Menschen wird ein ganz und gar empfänglicher. So ist das bei Gott. Unmögliches wird bei Gott wirklich. Wer hingibt, der empfängt. Gott. Die Nachfolge macht das wunderbar aus Menschen, aus ganz normalen Menschen, die Gottes Nähe suchen, die versuchen, sich ihm zu verschreiben, die versuchen, ihm nachzufolgen, die Nachfolge formt aus Menschen solche, die empfangen, die empfänglich sind, die nur mit leeren Händen die Fülle ergreifen.
Und das im Blick Jesus, in dessen Ohr und Sinn der eine Satz des Petrus noch nach halt, sicher, gewiss, verheißen und weit mehr. Weit mehr empfangen: Der Mangel, die Entbehrung, die müden Füße, das Loslassen der Hand des Geliebten, das Leiden weichen, werden wie verwandelt in eine ungeahnte andere Fülle, eine Fülle von Gott her, wie ein Stück vom Himmel, das alles aufwiegt, wie tief empfundene Liebe, wie Schmerz, der neugebiert, wie Trost, der umarmt, wie seligen Glauben.
Und das Jetzt! Jetzt. Garantiert. Jetzt und für immer, nie ohne unsere Zeit, sondern mit und in unserer Zeit. Jetzt, morgen, übermorgen, nächstes Jahr, all unsere Zeit und ewig. Als würden wir jenen einen vollen Gesang von der Ehre Gottes singen uns zur Ehre ---- und Gott meinte uns und das Reich, das uns gilt, das wir tausendfach und mehr von ihm empfangen: „.. wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Erfüllt
So ist das Reich Gottes, um dessen willen wir leben, so ist Gott, der uns geschieht, so gibt Gott eine Antwort auf den einen Satz des Petrus nach jenem drängenden, ehrlichen: Und jetzt?, sagt er: Schau, Petrus, schaut Ihr:
Gott geschieht, sein Reich kommt: Er gibt sich hin, ein hingebungsvoller Gott, ganz und gar, entäußert er sich selbst und gibt sich ganz hin an die Welt, verlässt sein ganz Eigenes, den Himmel, das Reservat für die Götter, und wird Menschen, ganz und gar. Er verlässt sich und empfängt. Wird ein ganz offener, ganz empfänglicher Gott, er empfängt uns, wie wir sind, unseren Schmerz, unsere Hoffnung, unsere Sehnsucht, unsere Freude. Er empfängt Kritik, Skepsis, Lob und Ehre, er lässt sich seine göttlichen Hände füllen, er erfüllt die Welt mit sich, verwandelt ihr menschliches Antlitz, uns, in einen göttlichen Glanz. Er folgt nur einem und findet sich und uns darin. Er folgt seiner Liebe. Amen.

Freitag, 8. September 2017

Ihr seid Gottes Wille



Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis (10.09.17)

Markus 3, 31-35
Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Von Draußen gesehen
Von Draußen kommen die Stimmen, bekannte, vertraute Stimmen. Von draußen kommen die Stimmen und über die Ohren und die Münder der anderen dringen sie nach Innen. Von Draußen kommen die Stimmen nach Innen und Draußen bleiben sie stehen. Von irgendwoher kamen sie und fragen nach Jesus, suchen ihn, schicken sie nach ihm, lassen sie Worte von Draußen nach Innen sagen.
Die Worte sagen, wer Jesus ist. Von Draußen, von außen wird Jesus zugeschrieben, wer er ist, vielleicht auch was er ist. Die Worte nennen Jesus Bruder, Sohn. Sie sagen: Siehe, schau, wer du bist. Du bist Bruder und Sohn, du bist ein Teil der Familie, unserer Familie. Du gehörst zu mir, du bist Bruder, du bist Schwester. Du bist mein Bruder, du bist mein Sohn.
Von Draußen, von Außen wird gesagt, wer ich bin. Wie oft mag das passieren. Dass andere von Außen sagen, das andere als wahrlich Außenstehende sagen, meinen, wer ich bin, wer ich sein soll, wie ich bin: Du bist der, der. Du bist die, die. Vielleicht sogar von Draußen nach Innen: Du gehörst zu mir, Du bist mein. Und so sehr die Stimmen vielleicht von dort zu mir hinein klingen, andere wie die Jünger im Kreis sie an mich bringen, zu mir transportieren und jenes „siehe“ sagen, siehe, der bist du doch, so sehr gibt es die da Draußen - und mich hier Innen.

Nach Innen gehen
Jesus stellt Fragen. Eigentlich ist doch klar, wie es ist, wer sein Bruder, wer seine Mutter, wer seine Schwester ist. Aber eben nur eigentlich. Eigentlich ist es vielleicht anders. Jesus stellt Fragen, kleine und scheinbare einfache: Wer ist? Und Jesus macht sichtbar, macht deutlich, dass da zwischen Draußen und Drinnen vielleicht eine feine Grenze liegt, ein Unterschied ist, die Frage nach dem, was eigentlich ist, liegt. Jesus stellt die Frage nach dem Eigentlichen, er geht in die Tiefe weg, weit weg vom bloß Selbstverständlichen, von dem, wie es vordergründig ist, und er eröffnet Horizonte, öffnet leicht die Türe zum Blick über das Vordergründige, scheinbar Selbstverständliche hinweg und führt in das Innere, in das Innere von allem hinein.
Es ist, als würde er durch sein Fragen die Sicht auf Gott lenken, konzentrieren: Wer ist eigentlich und wirklich mein Bruder, meine Schwester, meine Mutter und mein Vater? Nicht gefragt ist, wer ich bin, sondern wer es ist vor Gott, wer ihr seid. Von Innen, im Wesentlichen gesehen: Wer ihr wahrhaftig seid.
Ihr: Die Ihr in Familien geboren seid. Ein jeder von euch. Jeder von seiner Mutter und jede von seinem Vater, hineingeboren in einen bestimmten Lebenszusammenhang, in eine vorgegebene Lebensgemeinschaft, mit Brüdern und Schwester, wie ihr auch gezeugt und geboren, vielleicht auch ohne, aber immer mit Vätern und Müttern vor euch, mit Leben, in das ihr hineinkommt, da ihr nicht gewählt habt, sondern das euch gegeben wird. Familie: auch wenn Realität manchmal so anders ist, Ort einer Gemeinschaft, einer verbindlichen, verlässlichen, von Liebe und Vertrauen getragenen Gemeinschaft.

Im Kreis sitzen
Jesus ist Innen, und er schaut in den Kreis derer, die um ihn sitzen, die seine Worte hören und als Lebensbrot nehmen. Er schaut ins Gesicht all derer, die ihm folgen, die von Gott berührt sind, die Heil suchen und er sieht sie als die, die sie sind: Er sieht sie als seine Brüder und Schwestern. Die Frage ist nicht, wer Jesus ist, sondern wer die sind, die da mit ihm sitzen. Und Jesus beantwortet sie: Es sind seine Brüder und Schwestern, seine Familie. Wir sitzen in diesem Kreis. Jesus schaut uns an, er sieht uns als die, die wir sind, und er sagt zu uns, in unser Gesicht hinein: Du bist mein Bruder. Du bist meine Schwester. Du bist meine Mutter. Welch ungeheure, wunderbare, erhebende Zusage, ja Zuschreibung, ja Daseinserklärung: Du bist mein Bruder, meine Schwester. Du bist Jesu Bruder. Du bist Jesu Schwester. Wahrhaftig. Eigentlich. Wirklich.
Menschen haben immer ihren eigenen Willen. Sie lernen ihn mit dem Willen anderer in Verbindung zu bringen, werden eigenwilliger, willenloser, freier und wunderbarer Teil von Willensbildungen, die über sie hinausgehen, manchmal gehen Wille und Wille ganz eng ineinander über. Mein Wille hilft mir, dass ich meine Absichten habe, dass ich nach etwas streben kann, dass ich begehre und mich sehne, dass sich etwas von meinem Leben, vom Leben anderer von Wollen in die Tat umsetzt, vom Gedanken auch Wirklichkeit wird.

Gott wollen
Gott hat einen bestimmten Willen. Er will die Liebe, das Rech Gottes und uns. Wir sind sein Wille, unser Leben, unser Heilsein, unsere Liebe. Gottes Wille geschehe, damit Wunden verbunden werden, Krieg in Frieden sich besinne, Seelen bewahrt werden, Kinder wunderbare Erwachsene werden, Kranken jemand beistehe, Armen Gottes Nähe gilt, Tote auferstehen und wir alle gemeinsam seinen Geist spüren. Sein Wille geschehe im Himmel und auf Erden, und Menschen willigen in seinen Willen ein, sind es, die seinen Willen wirklich machen auf Erden, die still gerufen sind, Gottes Wollen auch Tat werden zu lassen. Gottes Wille traut ihnen das zu, vertraut ihnen das an. Und Menschen finden dann in Gottes Willen ihren eigenen und werden selig schon zu Lebzeiten.
Wir sitzen in jenem Kreis. Wir sind es, denen Gott sein Wille zutraut, anvertraut, die Gottes Willen tun und sein Reich, sein wunderbares Reich geliebter Seelen Wirklichkeit werden lassen, wir die schöne Lebensgemeinschaft Gottes, wirklich Bruder und Schwestern von Jesus. Amen.