Predigt an Neujahr 2013 zur
Jahreslosung 2013:
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen
wir.“
(Hebräer 13, 14)
Städte bleiben
Menschen werden in Städten geboren
und sterben dort. Sie wohnen in Städten, kaufen dort ein, treffen Freunde,
besuchen Fußballspiele und Theater. Menschen ziehen um, wechseln die Städte im
Laufe ihres Lebens. Menschen besuchen Städte, große, bekannte und sehen sie
sich deren Gebäude an.
Menschen leben in Städten und Städte
sind dichte Ansammlungen von verschiedenen Häusern. In den Häusern leben auch Menschen
und sie leben in Wohnungen und die Wohnungen haben Räume. Menschen wohnen und
leben in Räumen und an Orten.
Städte sind Orte. Dort, wo ich
geboren wurde, ist ein Ort; da, wo ich arbeite, ein anderer; und dort, wo ich
andere treffe, ist wieder ein anderer Ort. Unser Leben ist eine Landkarte mit
verschiedenen Orten, vielen oder wenigen, und jeder Ort erzählt ein bisschen
die Geschichte von uns. Schöne und schmerzliche, alte und heilsame, bekannte
und stille Geschichten von uns.
Orte bleiben, auch wenn sie sich
verändern mögen, wenn sie Laufe der Jahre anders werden; sie bleiben und
verschwinden nicht; das Wohnzimmer der Eltern trägt man in Bildern immer an
sich; auch den Ort des ersten Kusses, oder den Ort, an dem man jemanden
verloren hat. Orte bleiben und wir auch an manchen Orten lange, lebenslang, und
doch sind wir es, die wir irgendwie innerlich oder äußerlich immer weiterziehen.
Auch Städte bleiben. Die
allermeisten. Sie sind aus Stein und Beton gebaut, bestehen schon seit vielen,
vielen Jahrhunderten und werden auch nach uns bestehen. Aus unserer
Menschensicht sind sie für die Ewigkeit gebaut, auch wenn Häuser, Straßen,
Gebäude dazu kommen oder andere wegbleiben.
Jesus war kein Städter. Zumindest war
er meistens unterwegs, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, auf dem Land. Und
er hat immer wieder einsame, stille Orte und Unorte wie die Wüste aufgesucht,
Orte, an denen er sich Gott näher spürte. Jesus ging in die Häuser, die
Wohnungen, an die Orte der Menschen und dann geschah es, dass sich die ganze
Stadt vor seiner Tür sammelte. Die Städter in Jerusalem riefen Hosianna ihm zu.
In dieser großen Stadt starb Jesus. Dort war er auch ganz zu Beginn seines
Lebens und wurde als frisch Geborener mit acht Tagen beschnitten und begegnete dort
Simeon.
Ich suche
Simeon wartete auf den Messias. Er
war einer, der eine tiefe Sehnsucht in sich hatte, der danach suchte, endlich
den zu finden, der ihm das Heil bedeutete. Als er Jesus in den Händen hielt war
es für ihn so weit.
Menschen leben vom Haben, weniger vom
Suchen. Menschen bekommen das Leben geschenkt und ab da haben sie, haben sie
Glück und Pech, Erfolg und Sorgen, Probleme und Freunde. Vor allem haben sie
aber Dinge. Sie kaufen sie oder bekommen sie geschenkt, sie erarbeiteten sie
sich oder erben sie. Menschen haben Kleidung, Handys, Wohnungen, Autos, Ketten,
Habseligkeiten. Und viele, viele haben nichts. Nicht mal das tägliche Brot. Das,
was ich aber habe, ist mein, es gehört mir. Es ist Besitz. Haben ist Zustand.
Suchen aber ist Bewegung. Suchen ist
verlangen, ist fragen, forschen, erstreben, aufspüren. Suchen ist Sehnsucht und
Sehnsucht ist Durst, ist Hunger nach etwas, was ich wirklich brauche, ohne das
ich nicht sein kann. Ich sehne mich nach etwas, das mich vollständiger macht,
vielleicht zu dem macht, der ich sein soll, und ich ahne, weiß, spüre, dieses
Sehnen wird mir erfüllt nicht von mir selbst, sondern von woanders her.
Diesem Suchen wohnt eine Unruhe inne.
Diese Sehnsucht ist wie eine Spiegelung der Unendlichkeit in mir, und sie wird
da zum unauslöschlichen Schmerz, wo dieser Sehnsucht die Erfüllung versagt
wird, wo sie nur unbestimmt ins Leere geht und bleibt. Jede Sehnsucht streckt
sich aus in die Welt der Möglichkeiten und will, dass etwas Bestimmtes für sie
wirklich wird.
Für Simeon wird der erhoffte Messias
in Jesus wirklich. Es ist eine große Sehnsucht nach Gott. Nach der fragt uns
Gott von Zeit zu Zeit, ob wir sie auch spüren. So wie er sie spürt. Gottes
Sehnsucht ist der Mensch. Und seine Sehnsucht ist seine Liebe zum Menschen. Er
sehnt sich nach den Menschen und mit Jesus beginnt die Erfüllung dieser
Sehnsucht.
Gott wohnt
Da, wo Gottes Sehnsucht sich in einem
Menschen erfüllt, dort ist Zukunft. Dort beginnt Gott wirklich zu werden im
Menschen, und der Mensch wird ein Gott gefälliger Mensch und hat Gegenwart,
fortgesetzte, bewahrte, gewollte, gesegnete Gegenwart sogar über den Tod
hinaus.
Zukunft ist immer der Raum der
Möglichkeiten. Eigentlich ist ja schon alles immer Zukunft. In jeder Sekunde,
die gerade ist, bricht schon die nächste an, um zu werden. Meistens ist die
Zukunft einfach die Fortsetzung der Gegenwart und wir schöpfen aus den alltäglichen
Möglichkeiten. Dann und wann werden noch nicht da gewesene Möglichkeiten wirklich,
verändert sich das Leben und Zukunft wird als Neues spürbar.
Wie sieht die zukünftige Stadt aus?
Wie ist die Stadt der Zukunft? Welches Gesicht tragen unsere Städte in 20, 30
oder 50 Jahren? Gottes Zukunft ist, dass er zu Menschen kommt, dass er dort in
deren Leben wirklich wird und sie mit ihm leben und so in ihrem Leben das
anbricht, was mit Gott anbricht, Seelenheil, Frieden, Gerechtigkeit, dass die
tiefsten Sehnsüchte des Menschen gestillt werden.
Gott wohnt seit Weihnachten unter Menschen.
So sehr sich Menschen um die Frage drehen, wo und wie sie wohnen, ob in
Städten, auf dem Land, einsam, zu zweit, in Familien, in Luxusvillen oder
verschimmelten Wohnungen, ob auf der Straße oder im Mietsblock, so sehr hat
sich Gott mit Jesus entschieden, dass er sich hier bei uns verortet, unter uns
und in uns wohnt, einwohnt. Dort endet unsere Suche und wird Gott zu unserer
Zukunft. Gott kann überall wohnen. Er wohnt in einem jeden von uns. Er wohnt
aber auch in unserer Stadt. Nicht nebenan oder in einem bestimmten Gebäude und
auch nicht unbedingt sicher hier in der Kirche.
Außerhalb, außerhalb des Lagers,
draußen, draußen vor dem Tor, das ist die städtische Ortsangabe für den Tod
Jesu. Dort verortet der Hebräerbrief Jesu Tod und verbindet es mit seiner Suche
nach der zukünftigen Stadt. Mit Jesu Tod ist diese Ortsangabe gestorben. Es
gibt kein „draußen vor dem Tor“ mehr und auch kein „außerhalb“ mehr. Nicht für
Gott, nicht für sein Wohnen in der Stadt. Er wohnt bei und in uns absolut inklusive.
Gott bricht jegliche Mauern, Wänden, Türen, virtuelle, in Köpfen und aus Stein,
die in Städten immer gegenwärtiger sind, auf und macht alle zu solchen, die
drinnen sind, die dazugehören, zu ihm, zu Gott, zu uns. Wie wir selbst. Für
immer bei Gott verortet. Amen.