Freitag, 31. Mai 2019

Erfüllt


Predigt an Exaudi (2. Juni 2019)

Epheser 3, 14-21
14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, 18 damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt. 20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

füllen
Menschen sind erfüllt, erfüllt von Essen und Nahrung, erfüllt von Freude und manchmal von Hass, erfüllt von Ängsten und Sorgen, erfüllt von Unsinn und Fragen, erfüllt von Gemeinschaft und anderen Menschen. Menschen sind erfüllt von dem, was sie umgibt, was sie sehen, hören, wahrnehmen, erfüllt, von dem, was ihnen passiert, widerfährt, was sie tun und lassen. Nicht alles erfüllt Menschen, aber vieles. Nicht alles kommt in Menschen hinein, aber einiges. Nicht alles, findet den Weg in Menschen hinein und bewegt sie, aber das eine und andere schon. Es bleibt nicht äußerlich, nicht vor Augen, nicht nur da, sondern es kommt nach drinnen in den Menschen und ist dort, im Kopf, in der Seele, im Herzen, im Gemüt, im Sinn, in ihrem Leben.
Der Weg von außen nach innen, ist ein merkwürdiger, ein feiner, vielleicht unergründlicher. Warum das eine und das andere nicht in Menschen kommt und sie erfüllt. Warum das eine Menschen kalt lässt und das andere sie erregt und bewegt. Warum das eine den Menschen berührt, anrührt zu ihm spricht und ihn langsam, plötzlich, deutlich, nachhaltig erfüllt, und das andere schnell vergessen wird, nebensächlich und beiläufig ist. Vielleicht weil das Außen das Innere berühren muss, das Äußere das Innere ausdrücken, anstoßen, irritieren, weiterbringen, in Frage stellen, bergen, vertiefen, klar machen muss, vielleicht weil dann es beginnt: Menschen werden erfüllt.
Menschen werden erfüllt und bleiben doch leer, und merkwürdig: Leere erfüllt sie, und es ist doch nicht Fülle, weil Entscheidendes fehlt, und wie schön sind jene erfüllenden Augenblicke, in denen Menschen spüren, sie sind erfüllt, glücklich, angenommen, beseelt, irgendwie guttuend voll. Und wie flüchtig sind diese erfüllenden Augenblicke doch, und wie traurig sind Menschen, die leer sind.

niederwerfen
Seine Knie beugen, nicht nur ein bisschen, sondern so sehr beugen, dass sie einen zu Boden führen. Seine Knie beugen, sich niederknien, sich runterknien bis auf die Erde, sich niederwerfen, in Demut in Hingabe. Den Körper hinlegen, sich und sein ganzes Leben. Vor Gott, dem sich alle Knie beugen sollen, und mit den Händen vor sich selbst beten, bitten, vielleicht sogar flehen, mit Händen, die sich ausstrecken, die den ganzen Menschen wie ausrichten, ausrichten mit allen Sinnen und Lebensinhalten, zu Gott.
So liegend, lebensliegend, den anderen, für den man bittet, in den Sinn bekommen, in den Blick, in eigene betende Worte bekommen, für ihn formulieren und ihn in sich selbst imaginieren, sich ihn vorstellen, nach seinen Fragen fragen, nach seinen Worten suchen, nach seiner Not tasten, nach seiner Hilfe schauen. Sich selbst in ihn versenken, selbstvergessen ganz bei sich und ihm und ihn in sich. Auf den Boden liegen, Kontakt zum Boden haben, zur alten Erde, geschunden, geschaffen, wie man selbst. Die eigenen Wurzeln spüren: Gott, die eigene Quelle spüren: Gott, das eigene Woher vernehmen: Gott.
Niederkniend, vor Gott ausgestreckt den anderen in sich betend, geöffnet werden, geöffnet sein, eingereiht in die wunderbare Reihe der immer Betenden, der Menschen, die groß und klein, bekannt und unbekannt vor uns schon immer gebetet haben, geheiligt durch deren unsichtbare, wahre Gemeinschaft zutiefst erfüllt sein von Jenem Einen, von Gott.
Ein Gott selbst in Bewegung, auch irgendwie fleischlich sich in seine Welt hineinkniend, für sie hoffend, sie erfüllend. Ein Gott in menschlicher Bewegung, Schöpfer und Namensgeber von allem, was ist, herrlich selbst randvoll von Kraft und Stärke, ein Gott, der alles ausfüllt, allen Raum und alle Zeit, ein Gott, der die Fülle selbst ist: überreich, überschwänglich, überfließend voller Liebe zu Menschen hin.

erhaben
Da ist Jemand, der kniet sich für uns hin. Ein Text, wie heute Morgen, ein Jemand, der darin zu uns spricht und will. Ein Jemand, der sich für uns niederkniet, der bittet, betet, der uns nimmt zu, vor Gott. Der uns erst äußerlich, vielleicht gar fremd, hineinnimmt in seine Bewegung.
Ein Jemand, der mir zu Herzen geht, der nach meinem Inwendigen fragt, nach dem, was in mir wohnt und wohnen soll, um meinetwillen. Ein Jemand, der mich still staunen lässt, der mich fürchten lässt, der nach meinem Innersten fragt und sucht, nach dem, was mich wirklich erfüllt und erfüllen mag. Ein Jemand, der mich im Beten vor Gott bringt, der mich zärtlich bestimmt vor Gott versetzt, verortet, der dort meine Sorgen nennt, meine Fragen fragt, meine Ängste sagt, meine Sehnsucht in dürre Worte kleidet. Ein Jemand, der mich endlich verwurzelt, verbindet, fest gründet dorthinein, wo ich herkommen, wohin ich gehöre, wo ich wer bin, vor mir und meinem Gott. Ein Jemand, der mich heilsam einordnet in die schöne Gesellschaft der Heiligen, der Nachfolger und Gottsucher.
Ein Jemand, der mich betend hineinstellt in jenen Raum, zu dem er spricht, der mir vor Augen führt, ins Ohr sagt, in den Kopf spielt den Himmel selbst und Gottes Zeit und Raum, der mich in Gottes Welt stellt, und mich sehen lässt, mich bittet, zu begreifen, zu erkennen, hineinzugehen in diesen Gottesraum und seine Zeit, hinein in Gottes Liebeswelt.
Ein Jemand - und ich werde erhoben, hineingenommen in diese erfüllende Bewegung, die mich erfüllt. Ich werde erfüllt, bekomme Anteil an Gottes Reichtum, an seiner Herrlichkeit, an seiner Kraft und Stärke, an seinem Leben, bin ich erhaben, geistvoll, bin ich erfüllt von Christus. Amen.

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