Predigt an
Jubilate (12. Mai 2019)
Sprüche 8, 22-36a
22 Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner
Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. 23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit
her, im Anfang, ehe die Erde war. 24 Als die Tiefe noch nicht war, ward ich
geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. 25 Ehe denn
die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, 26 als er die Erde
noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des
Erdbodens. 27 Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über
der Tiefe, 28 als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die
Quellen der Tiefe, 29 als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass
sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte,
30 da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm
allezeit; 31 ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den
Menschenkindern. 32 So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine
Wege einhalten! 33 Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den
Wind! 34 Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür
täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! 35 Wer mich findet, der findet
das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn. 36 Wer aber mich verfehlt,
zerstört sein Leben.
Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang
Der Beginn
von allem. Der Schöpfungsaugenblick. Der Moment, in dem alles liegt, wo alles
dem einen entspringt und geboren wird. Unglaublicher Augenblick voller Leben,
voller Lebensdynamik in sich, aus sich heraus. Der Ort, wo wir Leben suchen
-und finden, wo wir nicht verfehlen, sondern treffen, uns, Leben, wo nicht Zerstören,
Tod, sondern ewiges, immer wieder geschehendes Leben und Liebe sind. Der Anfang
vom Ich, von jedem Ich.
Erde,
Himmel, Wolken, Berge, Hügel, Erdboden, Schollen, Quellen, Wasser, Meer und die
Tiefe. Von Gott geschaffen, eingesetzt, hervorgebracht. Für mich, für mein
Betrachten, für mein Auge und mein Denken, für mein Fühlen und Leben. Von Gott
mir bereitet, mir ins Leben gegeben, als Schönheit, Augenschmaus, zu Lebendes
und zu Lobendes. Von Gott gezirkelt, bemessen, festgesetzt, begrenzt, künstlich
und fein, wunderschön, filigran, die Welt sein Kunstwerk, mächtig und
gewichtig, stark und stärkend, trostreich in dunklen Stunden, verwirrend für
Auge und Verstand, aufatmend im Gleichklang erlebt, heiliger Grund für mein
Leben. Morgenlicht.
Das Leben
selbst, außerhalb von mir, für mich geschaffen, erhaben, schön, geheimnisvoll,
still. Intimer Moment, enge Beziehung, innigste Gemeinschaft, in der alles
wird, was wird, Gottes wunderbares großes Schauspiel der einen und ewigen
Schöpfung von Leben, der einen und immer wieder sich ereignenden Schöpfung, wie
ein Tag für alle, wie ein Gedicht, ein unendliches Liebesgedicht, in dem in
jedem Wort alles tief beschlossen und sich öffnend da liegt, gesprochen wird. Mein
Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang
Glanz, der zur mir aus Eden aufbricht
Und ich
höre, gehorche, gehe diesen einen ersten und den immer wieder fortgesetzten
Schöpfungsweg mit. Diesen wunderbaren göttlichen Augenblick in sich tragen,
Anteil daran bekommen und haben, das in sich haben, was Leben von Gott aus ist,
und es werden, an den einen uranfänglichen Anfang anknüpfen, immer wieder anknüpfen
und selbst daraus schöpfen und geschaffen werden, wie wunderbar, wie erhaben! Sich
dort hinein hören, denken, sprechen, versetzen. Das ist weise werden, an der
Weisheit Gottes Anteil haben, an jener Weisheit, die dort war, wo wir sein
sollen, die dabei ist, beständig, allezeit, immer und immer wieder da ist, wo
Gott Leben achtet, liebt, hervorbringt, und wir weise sind, indem wir an dieser
Weisheit, an ihrem Ort Anteil haben, dort sind und sie bei uns, und das, was
Gott weise schafft.
Und ich
würde weise werden, wenn ich auf diesen Ort, diese Schöpfung warten würde, wenn
ich an der Tür der Weisheit wachen, ihren Pfosten hüten würde, wenn ich mit
meinem Leben und meiner Suche mich hüten würde, aufmerksam wäre für jenen
Augenblick Gottes für mich, für jenen Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht, ein
Glanz, in dem sich leben könnte, würde, der mein Leben beglänzt, herrlich
macht.
Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht
Dann wäre
ich Weisheit. Ich wäre wie sie von Gott geboren, eingesetzt, anfänglich und
immer wieder, hoffentlich in meinen dunklen Augenblick, in meiner Not, belebend,
inspirierend zu jeder Zeit. Morgenlicht, Abendlicht. Schöpfungsgegenwart.
Ich wäre
wie die Weisheit Gottes Beisein, sein Liebling und geliebtes Kind und würde
spüren, was die Weisheit spürt: Gott hat Lust an mir, er hat Freude an mir Tag
für Tag. Das wäre meine Weisheit, Gott hätte Lust an mir, im Alter und wenn ich
jung bin, im Fragen und Loben, in verwirren Tage und am hellen Tageslicht,
sogar im Sünde, Übel und Tod: Gott hat Lust an mir, ich bin das, wozu er mich
gedacht und im Laufe des Lebens gemacht hat: Sein Mensch, sein geliebter
Mensch, seine Freude und seine Lust. Wiedererschaffen grüßt mich sein Licht.
Und dann
würde ich wie die Weisheit, weise selbst vor Gott aufspielen, ein wunderbarer,
ernst spielerischer, weiser Gedanke: Mein Leben nicht nur Arbeit, nicht nur
Mühsal, nicht nur Fragen, schwere Gedanken, Einschränkungen, Vergehendes, das
alles auch, aber nicht nur, sondern mein Leben ein Aufspielen, ein beseeltes,
selbstvergessenes, hoffnungsfrohes Aufspielen, wie ein Kind vor meinem Gott,
das mit allem, was da ist und geschenkt ist, aufspielt vor dem, der ihm alles
ist. Und dann das haben, was die Weisheit hat, die Weisheit, die weiß, dass
Gott an ihr Lust hat und sie befreit aufspielen kann, Lust haben, weise Lust
haben an den anderen Menschenkindern, Freude an ihnen haben, an den
Menschenkindern als Gottes geliebte Kinder, gemeinsam als Menschen, die aus
Gottes ewiger Schöpfung immer wieder schöpfen, die wir alle vor unserem Gott im
Leben aufspielen. Amen.
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