Freitag, 10. Mai 2019

Schöpfungslied


Predigt an Jubilate (12. Mai 2019)

Sprüche 8, 22-36a
22 Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. 23 Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war. 24 Als die Tiefe noch nicht war, ward ich geboren, als die Quellen noch nicht waren, die von Wasser fließen. 25 Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln ward ich geboren, 26 als er die Erde noch nicht gemacht hatte noch die Fluren darauf noch die Schollen des Erdbodens. 27 Als er die Himmel bereitete, war ich da, als er den Kreis zog über der Tiefe, 28 als er die Wolken droben mächtig machte, als er stark machte die Quellen der Tiefe, 29 als er dem Meer seine Grenze setzte und den Wassern, dass sie nicht überschreiten seinen Befehl; als er die Grundfesten der Erde legte, 30 da war ich beständig bei ihm; ich war seine Lust täglich und spielte vor ihm allezeit; 31 ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Lust an den Menschenkindern. 32 So hört nun auf mich, meine Söhne! Wohl denen, die meine Wege einhalten! 33 Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! 34 Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! 35 Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom Herrn. 36 Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben.

Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang
Der Beginn von allem. Der Schöpfungsaugenblick. Der Moment, in dem alles liegt, wo alles dem einen entspringt und geboren wird. Unglaublicher Augenblick voller Leben, voller Lebensdynamik in sich, aus sich heraus. Der Ort, wo wir Leben suchen -und finden, wo wir nicht verfehlen, sondern treffen, uns, Leben, wo nicht Zerstören, Tod, sondern ewiges, immer wieder geschehendes Leben und Liebe sind. Der Anfang vom Ich, von jedem Ich.
Erde, Himmel, Wolken, Berge, Hügel, Erdboden, Schollen, Quellen, Wasser, Meer und die Tiefe. Von Gott geschaffen, eingesetzt, hervorgebracht. Für mich, für mein Betrachten, für mein Auge und mein Denken, für mein Fühlen und Leben. Von Gott mir bereitet, mir ins Leben gegeben, als Schönheit, Augenschmaus, zu Lebendes und zu Lobendes. Von Gott gezirkelt, bemessen, festgesetzt, begrenzt, künstlich und fein, wunderschön, filigran, die Welt sein Kunstwerk, mächtig und gewichtig, stark und stärkend, trostreich in dunklen Stunden, verwirrend für Auge und Verstand, aufatmend im Gleichklang erlebt, heiliger Grund für mein Leben. Morgenlicht.
Das Leben selbst, außerhalb von mir, für mich geschaffen, erhaben, schön, geheimnisvoll, still. Intimer Moment, enge Beziehung, innigste Gemeinschaft, in der alles wird, was wird, Gottes wunderbares großes Schauspiel der einen und ewigen Schöpfung von Leben, der einen und immer wieder sich ereignenden Schöpfung, wie ein Tag für alle, wie ein Gedicht, ein unendliches Liebesgedicht, in dem in jedem Wort alles tief beschlossen und sich öffnend da liegt, gesprochen wird. Mein Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang

Glanz, der zur mir aus Eden aufbricht
Und ich höre, gehorche, gehe diesen einen ersten und den immer wieder fortgesetzten Schöpfungsweg mit. Diesen wunderbaren göttlichen Augenblick in sich tragen, Anteil daran bekommen und haben, das in sich haben, was Leben von Gott aus ist, und es werden, an den einen uranfänglichen Anfang anknüpfen, immer wieder anknüpfen und selbst daraus schöpfen und geschaffen werden, wie wunderbar, wie erhaben! Sich dort hinein hören, denken, sprechen, versetzen. Das ist weise werden, an der Weisheit Gottes Anteil haben, an jener Weisheit, die dort war, wo wir sein sollen, die dabei ist, beständig, allezeit, immer und immer wieder da ist, wo Gott Leben achtet, liebt, hervorbringt, und wir weise sind, indem wir an dieser Weisheit, an ihrem Ort Anteil haben, dort sind und sie bei uns, und das, was Gott weise schafft.
Und ich würde weise werden, wenn ich auf diesen Ort, diese Schöpfung warten würde, wenn ich an der Tür der Weisheit wachen, ihren Pfosten hüten würde, wenn ich mit meinem Leben und meiner Suche mich hüten würde, aufmerksam wäre für jenen Augenblick Gottes für mich, für jenen Glanz, der zu mir aus Eden aufbricht, ein Glanz, in dem sich leben könnte, würde, der mein Leben beglänzt, herrlich macht.

Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht
Dann wäre ich Weisheit. Ich wäre wie sie von Gott geboren, eingesetzt, anfänglich und immer wieder, hoffentlich in meinen dunklen Augenblick, in meiner Not, belebend, inspirierend zu jeder Zeit. Morgenlicht, Abendlicht. Schöpfungsgegenwart.
Ich wäre wie die Weisheit Gottes Beisein, sein Liebling und geliebtes Kind und würde spüren, was die Weisheit spürt: Gott hat Lust an mir, er hat Freude an mir Tag für Tag. Das wäre meine Weisheit, Gott hätte Lust an mir, im Alter und wenn ich jung bin, im Fragen und Loben, in verwirren Tage und am hellen Tageslicht, sogar im Sünde, Übel und Tod: Gott hat Lust an mir, ich bin das, wozu er mich gedacht und im Laufe des Lebens gemacht hat: Sein Mensch, sein geliebter Mensch, seine Freude und seine Lust. Wiedererschaffen grüßt mich sein Licht.
Und dann würde ich wie die Weisheit, weise selbst vor Gott aufspielen, ein wunderbarer, ernst spielerischer, weiser Gedanke: Mein Leben nicht nur Arbeit, nicht nur Mühsal, nicht nur Fragen, schwere Gedanken, Einschränkungen, Vergehendes, das alles auch, aber nicht nur, sondern mein Leben ein Aufspielen, ein beseeltes, selbstvergessenes, hoffnungsfrohes Aufspielen, wie ein Kind vor meinem Gott, das mit allem, was da ist und geschenkt ist, aufspielt vor dem, der ihm alles ist. Und dann das haben, was die Weisheit hat, die Weisheit, die weiß, dass Gott an ihr Lust hat und sie befreit aufspielen kann, Lust haben, weise Lust haben an den anderen Menschenkindern, Freude an ihnen haben, an den Menschenkindern als Gottes geliebte Kinder, gemeinsam als Menschen, die aus Gottes ewiger Schöpfung immer wieder schöpfen, die wir alle vor unserem Gott im Leben aufspielen. Amen.

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