Freitag, 7. Juni 2019

Du!


Predigt an Pfingsten 2019 zu „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ (EG 126)

1. Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist,
besuch das Herz der Menschen dein,
mit Gnaden sie füll, denn du weißt,
dass sie dein Geschöpfe sein.

Vertrauter (Gedanken zu Strophe 1)
In drei Liedern haben wir seit Beginn des Gottesdienstes um das Kommen gesungen: „O, komm, du Geist der Wahrheit“, „Komm, o komm, du Geist des Lebens“ und eben: „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“. Mit jeder Bitte haben wir uns tiefer in die Zeit hineingesungen, von 1833 beim ersten Lied über 1658 beim zweiten und nun mit der eben gesungen Strophe ins Jahr 1524 und eigentlich hinein in die Zeit Hymnus, dem diese Strophe zugrundeliegendet, in die Zeit des Jahres 809. 1200 Jahre von uns durchsungen, als würde diese Bitte um Kommen alle Zeit umfassen, als würde sie uns tief in die Zeit der Menschen hineinführen.
„Komm!“ ist eine Bitte. Wie oft mögen Menschen bitten, hoffen, erflehen, befürchten, dass jemand kommt oder nicht kommt. Wie oft mögen sie sagen: Komm, komm zu mir, komm in mein Haus, in mein Leben, in mein Herz. Und wie oft kommt etwas zu uns, kommt jemand zu uns, erwartet, erbeten, erhofft, ungewollt, und mit ihm, mit ihr mehr, viel mehr und das Kommen bedeutet das, was mit ihm wird, immer auch anders wird. Und Menschen lernen im Leben, auszubalancieren, was ihnen nahe kommen soll, und was nicht, was wie nahe kommen darf und muss, und was besser nicht.
„Komm, komm, Du.“ Wer das sagt, wer das betet, erhofft sich etwas, erhofft sich viel. Das Du zeugt von Nähe, die sein soll, von Vertrautheit, von Zugehörigkeit. Menschen sind auf der Suche nach einem Du, nach einem Vertrauten, nach jemanden, der zum Gegenüber des eigenen Ich wird, zum Du dem Ich, so dass das Ich auch zum Du des anderen Ich wird. Komm, Du Heiliger Geist, komm, du, ich bin dein, du gehörst zu mir, ich brauche, ich möchte deine Nähe, dich, dir gehöre ich. Ich bin dein Geschöpf, und du, du bist mein Schöpfer: Du, Gott Schöpfer, Heiliger Geist.
Menschen leben sich, sie gestalten ihr Leben, sie geben ihm Sinn, Inhalt und Form, sind Schöpfer ihres Lebens. Wer um den Heiligen Geist bittet, der bittet darum, dass Gott das Leben mitgestaltet, mit prägt, dass der Heilige Geist in das Leben kommt, um dort lebendig zu sein, Gott als lebendiges Prinzip lebendig zu machen, zu halten, mein Leben mit zu schaffen, mit zu bestimmen, mit zu formen, mit Sinn zu versorgen, für es zu sorgen. Gnade ist dies. Singen wir die Strophen 2-5.

2. Denn du bist der Tröster genannt,
des Allerhöchsten Gabe teu’r,
ein geistlich Salb an uns gewandt,
ein lebend Brunn, Lieb und Feu’r.

3. Zünd uns ein Licht an im Verstand,
gib uns ins Herz der Lieb Inbrunst,
das schwach Fleisch in uns, dir bekannt,
erhalt fest dein Kraft und Gunst.

4. Du bist mit Gaben siebenfalt
der Finger an Gotts rechter Hand;
des Vaters Wort gibst du gar bald
mit Zungen in alle Land.

5. Des Feindes List treib von uns fern,
den Fried schaff bei uns deine Gnad,
dass wir deim Leiten folgen gern
und meiden der Seelen Schad.

„Leben in mir“ (Gedanken zu Strophe 2-5)
Der Heilige Geist ist lebendig und wirkt in dem, in dem er lebendig ist. Der Heilige Geist ist das, was er wirkt. Er ist Wirkung Gottes in mir, nah und zart, macht er Gott in mir gegenwärtig und verwirklicht Gott in mir. So unsagbar dieses Geschehen ist, so sehr der Geist weht, wo er will, so ist dennoch in vorsichtige Worte zu fassen, in offene Bilder zu fassen, wer er ist und was er tut:
Er ist Geber und Gabe, er ist Schöpfer und Kraft, er ist Gnade und Gunst, er ist Licht und Liebe, er ist Brunnen und Feuer, er ist Wort und Leitung. Er ist dieses Göttliche in uns, in unserem Herzen, in unserem Verstand, in unserer Seele, in unserem schwachen Fleisch, in unser aller Land und er wirkt das, was er ist: Er besucht und möchte Gast auf Dauer sein, er wendet sich an uns und will und schafft ins uns, er entzündet uns und setzt uns instand, er erfüllt uns und erhält uns fest und sicher, er schützt uns, imprägniert uns von innen heraus, wehrt Schlimmes ab und hält fern, was uns schadet.
Im Lied singen und hören wir gegenseitig wunderbare Bilder vom Heiligen Geist, die ihn uns nahebringen: geistliche Salbe und Finger an Gottes Hand. Das Lied erinnert uns daran, wie sehr Gott selbst wirken möchte in unserer Welt, in unserem Leben, wie sehr er eingreifen möchte, wie sehr er uns an die Hand nehmen, leiten, führen, manchmal zurechtweisen, neu schaffen möchte, wie durch seine Hand, wie durch seinen Heiligen Geistes als göttlichen Finger. Und das Lied erinnert uns, wie verwundet, wie verletzlich und verletzt wir sind, wie wir manchmal wundgerieben sind, wie tiefe Schmerzfurchen und Narben unsere Seele durchziehen, und der Heilige Geist Gottes Liebe wie Salbe auf unsere geschundenen Seelenkörper legt, verteilt und uns heilt am Leben. Das ist unser Trost.
Und so wird der, der zu uns kommen soll, zu dem, was von ihm still in Worte und Bilder ausgesagt wird, er wird uns zum allerhöchsten, zum teuren, zum heiligen Gut, bekannt, vertraut, unser göttliches Du, ja unser göttliches Ich in uns. Unser Zutun ist dann fast nur: von ihm uns leiten lassen. Singen wir die Strophe 6.

6. Lehr uns den Vater kennen wohl,
dazu Jesus Christ, seinen Sohn,
dass wir des Glaubens werden voll,
dich, beider Geist, zu verstehn.

„Gott versenkt“ Gedanken zu Strophe 6 und in Blick auf 7
Das Lied bewegt uns wieder etwas weg von uns, als genüge, was über den Heiligen Geist zu uns gesagt ist. Es konzentriert uns wieder ganz auf Gott, auf den dreifaltigen, in sich lebendigen, von Liebe erfüllten Gott. Wir werden im Singen, im weiteren Bitten immer tiefer in Gott hineingeführt, in ihn wie hineingenommen: Der Geist in uns soll uns lehren, Gott zu erkennen, damit unser Glaube voll werde und wir den Geist verstehen. Der Geist führt uns zu sich selbst, erfüllt uns mit Glauben an Gott, führt uns tief und immer tiefer mit Kopf und Seele, Verstand und Herz, Fühlen und Denken in Gottes Welt hinein, wir werden immer mehr zu einem Teil von seinem Reich, so wie er immer mehr zum Teil von uns wird. Und dies ist kein Zirkelschluss. Es ist das: Wir sind wunderbar hineingenommen in Gottes lebendige, schöpferische, gnadenvolle, unser Leben heilende, wendende Bewegung.
Und so mündet alles, mündet unser Pfingstlied am Ende in Gottes Lob. Wer so sehr von Gott erfüllt ist, fließt so über, wie Gott es tut: in Singen, im Tun und im Loben. Am Anfang stand die Bitte: „Komm, komm, Du, Schöpfergeist“, am Ende steht Dank, Dank für diese Bitte und das Kommen Gottes und es steht das Lob dem, der den Tod überwindet und Auferstehung bringt, der so sehr schöpferisch ist und das Leben so liebt, dass der Tod, das Destruktive besiegt wird.
Am Anfang stand unsere Bitte um das Kommen, jetzt am Ende sind wir gekommen, kommen wir selbst zu Gott, in sein Leben hinein, das macht sein Geist in uns. So viel mag kommen und auch gehen in unserem Leben, so viel mag uns besuchen, uns fernbleiben, uns erfüllen, entleeren, nahe sein an Wunderbarem und Schmerzvollen, Gott schenkt uns seinen Heiligen Geist; bevor wir bitten, beseelt er uns schon, kommen und sind wir schon in seinem Leben, mitten in seiner schöpferischen Liebe, sind wir bestimmt sein Du und loben ihn. Singen wir Strophe 7

7. Gott Vater sei Lob und dem Sohn,
der von den Toten auferstand,
dem Tröster sei dasselb getan
in Ewigkeit alle Stund.

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