Predigt an Pfingsten 2019 zu „Komm, Gott
Schöpfer, Heiliger Geist“ (EG 126)
1. Komm, Gott Schöpfer, Heiliger
Geist,
besuch das Herz der Menschen dein,
mit Gnaden sie füll, denn du weißt,
dass sie dein Geschöpfe sein.
Vertrauter (Gedanken
zu Strophe 1)
In drei Liedern haben wir seit Beginn des
Gottesdienstes um das Kommen gesungen: „O, komm, du Geist der Wahrheit“, „Komm,
o komm, du Geist des Lebens“ und eben: „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“.
Mit jeder Bitte haben wir uns tiefer in die Zeit hineingesungen, von 1833 beim
ersten Lied über 1658 beim zweiten und nun mit der eben gesungen Strophe ins
Jahr 1524 und eigentlich hinein in die Zeit Hymnus, dem diese Strophe zugrundeliegendet,
in die Zeit des Jahres 809. 1200 Jahre von uns durchsungen, als würde diese
Bitte um Kommen alle Zeit umfassen, als würde sie uns tief in die Zeit der
Menschen hineinführen.
„Komm!“ ist eine Bitte. Wie oft mögen Menschen
bitten, hoffen, erflehen, befürchten, dass jemand kommt oder nicht kommt. Wie
oft mögen sie sagen: Komm, komm zu mir, komm in mein Haus, in mein Leben, in
mein Herz. Und wie oft kommt etwas zu uns, kommt jemand zu uns, erwartet,
erbeten, erhofft, ungewollt, und mit ihm, mit ihr mehr, viel mehr und das
Kommen bedeutet das, was mit ihm wird, immer auch anders wird. Und Menschen
lernen im Leben, auszubalancieren, was ihnen nahe kommen soll, und was nicht,
was wie nahe kommen darf und muss, und was besser nicht.
„Komm, komm, Du.“ Wer das sagt, wer das betet,
erhofft sich etwas, erhofft sich viel. Das Du zeugt von Nähe, die sein soll,
von Vertrautheit, von Zugehörigkeit. Menschen sind auf der Suche nach einem Du,
nach einem Vertrauten, nach jemanden, der zum Gegenüber des eigenen Ich wird, zum
Du dem Ich, so dass das Ich auch zum Du des anderen Ich wird. Komm, Du Heiliger
Geist, komm, du, ich bin dein, du gehörst zu mir, ich brauche, ich möchte deine
Nähe, dich, dir gehöre ich. Ich bin dein Geschöpf, und du, du bist mein
Schöpfer: Du, Gott Schöpfer, Heiliger Geist.
Menschen leben sich, sie gestalten ihr Leben,
sie geben ihm Sinn, Inhalt und Form, sind Schöpfer ihres Lebens. Wer um den
Heiligen Geist bittet, der bittet darum, dass Gott das Leben mitgestaltet, mit
prägt, dass der Heilige Geist in das Leben kommt, um dort lebendig zu sein,
Gott als lebendiges Prinzip lebendig zu machen, zu halten, mein Leben mit zu
schaffen, mit zu bestimmen, mit zu formen, mit Sinn zu versorgen, für es zu sorgen.
Gnade ist dies. Singen wir die Strophen 2-5.
2. Denn du bist der Tröster genannt,
des Allerhöchsten Gabe teu’r,
ein geistlich Salb an uns gewandt,
ein lebend Brunn, Lieb und Feu’r.
3. Zünd uns ein Licht an im Verstand,
gib uns ins Herz der Lieb Inbrunst,
das schwach Fleisch in uns, dir
bekannt,
erhalt fest dein Kraft und Gunst.
4. Du bist mit Gaben siebenfalt
der Finger an Gotts rechter Hand;
des Vaters Wort gibst du gar bald
mit Zungen in alle Land.
5. Des Feindes List treib von uns
fern,
den Fried schaff bei uns deine Gnad,
dass wir deim Leiten folgen gern
und meiden der Seelen Schad.
„Leben in
mir“ (Gedanken zu Strophe 2-5)
Der Heilige Geist ist lebendig und wirkt in
dem, in dem er lebendig ist. Der Heilige Geist ist das, was er wirkt. Er ist
Wirkung Gottes in mir, nah und zart, macht er Gott in mir gegenwärtig und
verwirklicht Gott in mir. So unsagbar dieses Geschehen ist, so sehr der Geist
weht, wo er will, so ist dennoch in vorsichtige Worte zu fassen, in offene
Bilder zu fassen, wer er ist und was er tut:
Er ist Geber und Gabe, er ist Schöpfer und
Kraft, er ist Gnade und Gunst, er ist Licht und Liebe, er ist Brunnen und
Feuer, er ist Wort und Leitung. Er ist dieses Göttliche in uns, in unserem
Herzen, in unserem Verstand, in unserer Seele, in unserem schwachen Fleisch, in
unser aller Land und er wirkt das, was er ist: Er besucht und möchte Gast auf
Dauer sein, er wendet sich an uns und will und schafft ins uns, er entzündet
uns und setzt uns instand, er erfüllt uns und erhält uns fest und sicher, er
schützt uns, imprägniert uns von innen heraus, wehrt Schlimmes ab und hält fern,
was uns schadet.
Im Lied singen und hören wir gegenseitig
wunderbare Bilder vom Heiligen Geist, die ihn uns nahebringen: geistliche Salbe
und Finger an Gottes Hand. Das Lied erinnert uns daran, wie sehr Gott selbst wirken
möchte in unserer Welt, in unserem Leben, wie sehr er eingreifen möchte, wie
sehr er uns an die Hand nehmen, leiten, führen, manchmal zurechtweisen, neu schaffen
möchte, wie durch seine Hand, wie durch seinen Heiligen Geistes als göttlichen Finger.
Und das Lied erinnert uns, wie verwundet, wie verletzlich und verletzt wir
sind, wie wir manchmal wundgerieben sind, wie tiefe Schmerzfurchen und Narben
unsere Seele durchziehen, und der Heilige Geist Gottes Liebe wie Salbe auf
unsere geschundenen Seelenkörper legt, verteilt und uns heilt am Leben. Das ist
unser Trost.
Und so wird der, der zu uns kommen soll, zu dem,
was von ihm still in Worte und Bilder ausgesagt wird, er wird uns zum
allerhöchsten, zum teuren, zum heiligen Gut, bekannt, vertraut, unser
göttliches Du, ja unser göttliches Ich in uns. Unser Zutun ist dann fast nur:
von ihm uns leiten lassen. Singen wir die Strophe 6.
6. Lehr uns den Vater kennen wohl,
dazu Jesus Christ, seinen Sohn,
dass wir des Glaubens werden voll,
dich, beider Geist, zu verstehn.
„Gott
versenkt“ Gedanken zu Strophe 6 und in Blick auf 7
Das Lied bewegt uns wieder etwas weg von uns, als
genüge, was über den Heiligen Geist zu uns gesagt ist. Es konzentriert uns
wieder ganz auf Gott, auf den dreifaltigen, in sich lebendigen, von Liebe
erfüllten Gott. Wir werden im Singen, im weiteren Bitten immer tiefer in Gott
hineingeführt, in ihn wie hineingenommen: Der Geist in uns soll uns lehren,
Gott zu erkennen, damit unser Glaube voll werde und wir den Geist verstehen.
Der Geist führt uns zu sich selbst, erfüllt uns mit Glauben an Gott, führt uns
tief und immer tiefer mit Kopf und Seele, Verstand und Herz, Fühlen und Denken
in Gottes Welt hinein, wir werden immer mehr zu einem Teil von seinem Reich, so
wie er immer mehr zum Teil von uns wird. Und dies ist kein Zirkelschluss. Es
ist das: Wir sind wunderbar hineingenommen in Gottes lebendige, schöpferische,
gnadenvolle, unser Leben heilende, wendende Bewegung.
Und so mündet alles, mündet unser Pfingstlied am
Ende in Gottes Lob. Wer so sehr von Gott erfüllt ist, fließt so über, wie Gott
es tut: in Singen, im Tun und im Loben. Am Anfang stand die Bitte: „Komm, komm,
Du, Schöpfergeist“, am Ende steht Dank, Dank für diese Bitte und das Kommen
Gottes und es steht das Lob dem, der den Tod überwindet und Auferstehung
bringt, der so sehr schöpferisch ist und das Leben so liebt, dass der Tod, das
Destruktive besiegt wird.
Am Anfang stand unsere Bitte um das Kommen, jetzt
am Ende sind wir gekommen, kommen wir selbst zu Gott, in sein Leben hinein, das
macht sein Geist in uns. So viel mag kommen und auch gehen in unserem Leben, so
viel mag uns besuchen, uns fernbleiben, uns erfüllen, entleeren, nahe sein an Wunderbarem
und Schmerzvollen, Gott schenkt uns seinen Heiligen Geist; bevor wir bitten,
beseelt er uns schon, kommen und sind wir schon in seinem Leben, mitten in
seiner schöpferischen Liebe, sind wir bestimmt sein Du und loben ihn. Singen
wir Strophe 7
7. Gott Vater sei Lob und dem Sohn,
der von den Toten auferstand,
dem Tröster sei dasselb getan
in Ewigkeit alle Stund.
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