Samstag, 31. Dezember 2011

Notration


Predigt am Altjahresabend 2011 (31.12.11)

2.Mose 13,17-22: Die Wolken- und Feuersäule
17 Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen, führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren. 18 Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Israel zog wohlgeordnet aus Ägyptenland. 19 Und Mose nahm mit sich die Gebeine Josefs; denn dieser hatte den Söhnen Israels einen Eid abgenommen und gesprochen: Gott wird sich gewiss euer annehmen; dann führt meine Gebeine von hier mit euch fort. 20 So zogen sie aus von Sukkot und lagerten sich in Etam am Rande der Wüste. 21 Und der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. 22 Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei Nacht.
 

Gemischte Gefühle
Einen Umweg machen. Auf dem Weg. Zwischen der Flucht aus Ägypten, der Rettung aus der Knechtschaft, dem Auszug aus den schlechten Tagen – und: dem Einzug ins gelobte Land, in die Zeit der versprochenen Verheißung, ins Heil. Auf dem Weg nach dem schrecklichen zehn Plagen, die den Pharao zur Freigabe zwingen - und vor dem Durchzug durchs Schilfmeer, der endgültig aus der Hand der Verfolger befreit. Zwischen Elend, von dem man befreit wird; Aufbruchstimmung, in die ein Silberstreif am Horizont einen bringt; Vertrauen und Hoffnung, die beginnen wie Bäume in den ägyptischen Himmel zu wachsen; - und: leisem Zweifel, ob das wirklich der Weg ist; Elegie und Müdigkeit, weil der Weg so mühsam, sich so lange hinzieht, Mutlosigkeit, die sich einschleicht.
Einen Umweg machen. Auf dem Weg. Gemischte Gefühle. Im Blick auf das vergehende Jahr. Umwege, die man gehen musste, notgedrungen, missmutig, aber doch auf dem Weg. Wie viele Plagen hatte das Jahr? Kosmische, persönliche, welche mit Namen, Gesichtern. Aus was sind wir heraus gezogen, haben es hinter uns gelassen, ja sind beginnend befreit worden; können es wie Israel noch nicht ganz loslassen, weil es einen noch hält, fest hält; aber der Durchbruch kommt. Unser Exodus aus den kleinen Knechtschaften des vergehenden Jahres; Befreiungsmomente.
Wie weit sind wir gekommen, geführt, gegangen auf unserem Weg ins gelobte Land, in das Land, in dem sich unsere Wünsche und Sehnsüchte finden, das, was uns versprochen ist? Wo war Zweifel? Wo Mutlosigkeit? Wo Vertrauen? Wo Hoffnung? Noch mal kurz innehalten, die bösen Momente des Jahres wie schlechte den Atem im Nacken, in der Seele spüren; es wie Israel in Ägypten, im alten, in vergehenden lassen können. Noch mal kurz innehalten, das gute mitnehmen, ja zum Guten befreit sein und hineingehen ins neue, ins Gelobte. Auf Umwegen.

Gemeinsam am Rande
Am Rande der Wüste lagern. Wie Israel. Ein kleiner kurzer ewig sich wiederholender Moment. Am Rande der Wüste, die zu durchqueren ist. An deren Rande lagern. Wie Israel. Gemeinsam. Wir sind gemeinsam unterwegs, im Jahr, das fast hinter uns liegt, im kommenden Jahr, das gleich kommt. Wir sind gemeinsam unterwegs. Mit denen, die auch gehen, leben, auf Umwegen, bekannte, vertraute, verlorene Gesichter, unbekannte, verzerrte, gehasste, fremde Gesichter, Schritte, Weggefährte. Gemeinsam unterwegs, gemeinsam lagern.
Am Rande der Wüste, der Blick geht auf die Landschaft; eine Wüste, die wie das Jahr, noch unberührt vor einem liegt, die noch ungezeichnet ist von unseren Fußspuren, Wegen, Umwegen. Ein Jahr, an dessen Rand wir lagern, wir spüren den Übergang, noch am Rande, aber gleich geht es wieder weiter, weiter Richtung, neues Jahr, Spur des gelobten Landes. Stehen bleiben, Zögern, Warten, Mut schöpfen, Ausschau halten am Rande der Jahre, jetzt heute Abend: Wo ist der richtige Weg hindurch? Wer kann uns führen? Wie kommen wenn es wirklich Wüste wird, weiter ins gelobte Land, in unser gelobtes Leben?
Eine Notration. Auf unserem Weg im neuen Jahr. Eine Notration für die bitteren, sandigen, staubigen, gefährlichen, undurchsichtigen Momente, Stunden, Wiederfahrnisse Umwege, für die wirklichen Wüstenmomente. Im kommenden Jahr wird nie alles Wüste sein, vielleicht vieles, einiges, hoffentlich Weniges, durch das wir schnell, weil quälend, hindurch müssen auf unserem Lebensweg. Für diesen Moment, an deren Rand wir auch stehen, jetzt, noch unerlebt, aber eintretend, für die Wüstenwege eine Notration:

Hindurch gerettet
Für Israel war diese Notration durch die Wüste die Wolken- und Feuersäule. In ihr war Gott gegenwärtig, ging mit dem Volk, führt es durch die Wüste. Hell sichtbar, spürbar am Tag durch Wolken, in der Nacht leuchtete das Feuer.
Das Volk sah es als Gotteszeichen und kam sicher geleitet und schnell durch die unwegsame Wüste. Gott rettete es ein Schritt weiter ins gelobte Land.
Gott stellt solche Notration für Menschen in deren Wüstenmomente ins Leben, führt sie, leitet sie, rettet sie hindurch, hindurch durch Not, Trauer, Mutlosigkeit, Zweifel, durch dunkle Jahresmomente. Gott geht mit in der Not, er ist gegenwärtig in ihr, nah, Tag und Nacht, sichtbar, spürbar, erlebbar, nimmt Menschen an die Hand, bis wir durch sind durch die Not, durch die Wüstenzeit, ein Schritt hinaus und weiter ins gelobte Land.
Wolkenberge und Feuersäulen, Wolken und Feuer mögen uns heute woanders begegnen, damals war er seinem Volk auf diesem Weg in der Not rettend nah. Uns ist er auch in der Not rettend nah, führt uns durch Wüstenzeiten des kommenden Jahres. Worin er sich dann zeigt, worin er uns dann zur Wolken- und Feuersäule wird, bleibt so offen, wie das Jahr neu wird, aber er wird es machen, mit uns gehen in Not. Notration sein.
Wolken- und Feuersäulen sind dann ganz kleine Vertrauenslichter in unseren Seelen, von Gott hineingegeben, unverfügbar, aber da, wenn man IHN braucht. Auch Menschen, Worte, Jesus Christus, der in anderen nah wird, sind dann rettende Notrationen, die uns hindurchführen durch Not. Ein letzte eigener Kraftakt, der von woanders her, von IHM, seine Kraft nimmt, ist Notration, auch diese Kirche ist dann Wolken- und Feuersäule für unserer Seelennacht, ein Ort, mal mit und ohne Menschen, der immer dasteht als Notration uns geschenkt.
Umwege, gemischte Gefühle, loslassen, mitnehmen, am Rande der Wüste. Gemeinsam heute Abend lagern, unbetretenes Land, Wüstenmomente, Notrationen. Gottes Nähe. Geführt, gerettet, das alte Versprechen neu gesagt: Wir, wir alle kommen in unser gelobtes Land. Amen.

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