Dienstag, 13. Dezember 2011

Das Leben berühren


Predigt am 4. Advent 2011
„Das Leben berühren“

Unentschieden
Maria war allein. Allein in ihrem Zimmer. Niemand war bei ihr. Nur ein unsichtbarer Engel.
„Weihnachten wird unter dem Baum entschieden“, so heißt der Werbeslogan von Media-Markt und er zeigt Weihnachten, den Weihnachtsbaum, eine Gruppe von Menschen am schön gedeckten Tisch , die Geschenke überreichen und einen Mann, der einen Flachbildfernseher staunend in den Händen hält und seine Frau glücklich anlächelt.
Wie wird Weihnachten? Dieses Jahr? Wann und wie entscheidet es sich, dass es wirklich Weihnachten ist. Wir bereiten uns lange auf dieses Fest vor, kaufen ein, machen uns Gedanken, basteln, backen, dekorieren. Es muss doch etwas Entscheidendes haben, dieses Fest. Warum sonst der Aufwand. Dem Fest kann man kaum entkommen, kaum entziehen und alles kommt dann auf die richtigen Augenblicke an am Heilig Abend. Sind wir weihnachtlich gestimmt? Gefallen die Geschenke? Wie ist der Baum? Schmeckt das Essen? Sind die Kinder glücklich? Ich und Du? Irgendwie entscheidet sich Weihnachten mit aller Vorbereitung an Weihnachten selbst, doch unterm Baum.

Ein entschiedener Gott
Paulus, Silvanus und Timotheus. Die haben nie Weihachten gefeiert. Zumindest nicht wie wir. Paulus, Silvanus und Timotheus sind von Stadt zu Stadt gezogen und haben dort auf den Markplätzen und in den Häusern den gepredigt, den wir als Kind in der Krippe an Weihnachten suchen: Jesus Christus. In ihm haben sie Entscheidendes entdeckt und weitergegeben. Ihrer Gemeinde in der umtriebigen Großstadt Korinth schrieben sie:
„Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.“ (2. Korinther 1, 18-22)
Ein Gott, der sich entschieden hat, weit vor jedem unserer Weihnachten. Entschieden gegen ein Nein, entschieden für ein Ja, ein Ja zu seinen eigenen Verheißungen. Mit Jesus Christus erfüllt Gott all seine Versprechungen.
In Jesus Christus sagt Gott ja zu uns, zu jedem Menschen, erfüllt ihn mit sich, beseelt ihn, verwurzelt ihn in sich und schenkt sich ihm ganz in sein Herz. Jesus Christus ist Gottes Ja. Jedes Wort, jede Tat, seine Kreuz und seine Auferstehung, seine Taufe und seine Geburt – ein Ja. Gott hat sich für uns entschieden.

Der entscheidende Augenblick
Das ist der alles entscheidende Augenblick. Das Bild in Ihren Händen versucht ihn für uns abzubilden. Maria erfährt, dass Gott durch sie seinen Sohn auf die Welt bringen wird. Damit wird sich für die Welt alles ändern- und für Maria. Jetzt, als der Engel, der nicht zu sehen ist, dies sagt, entscheidet sich in einem göttlichen Nu ihr ganzes Leben. Sie erfährt dies als Erbarmen, als Befreiung, als Hochachtung, sich selbst als auserwählte Dienerin.
Still und dunkel war es im Raum. Eine Abgeschiedenheit, durch die sich alles auf Maria konzentriert. Ihr Haupt ist bedeckt, umhüllt, nur ihr Gesicht und ihre Hände sind zu sehen. Sie hält mit ihrer linken Hand den Umhang fest. Sie wirkt von allem, was sonst von außen auf Menschen eindringen könnte, wie geschützt, eigentümlich rein. Ihr Gesicht ist jung, unverbraucht, ihr Kopf ist unbewegt, ihre Augen blicken nach rechts, ihr Blick wirkt irritiert, fasziniert, schüchtern, gegenwärtig.
Maria streckt ihre rechte Hand aus, vorsichtig, als wolle sie berühren, anfassen, spüren. Es ist der Engel. Es ist aber viel mehr. Von Gott angesprochen, von Gott berührt, von Gottes Entscheidung getroffen, ist sie still, andächtig, schaut sie vom Gewohnte auf und weg, geschützt, berührt sie selbst, tastet sie nach dem, was sich da für sie entschieden hat, nach dem, was Entscheidendes passiert.
Ihre Hand tastet, fühlt sachte, was nun ihre Bestimmung sein wird, was ihr Leben ist. Sie tastet und erfährt genau das, was Paulus, Silvanus, Timotheus auch spürten und weitergaben. Maria erfasst schemenhaft mit Blick und Hand, mit sich: Gottes Verheißung für mich erfüllt sich. Ich bin ganz fest in seinen Wollen und Gedanken. Ich spüre seinen Glanz auf mir. Ich trage ihn in mir auf meinem Herzen. Ich höre Gottes Ja zu mir.

Es weihnachtet
Entscheidendes passiert, geschieht. So sehr wir entscheiden. Menschen werden entschieden. Sie tasten danach, ihre ganze eigene Bestimmung, Lebenserfüllung zu finden, geschenkt zu bekommen.
Gott hat sich entschieden. Er sagt sein Ja zu Menschen. An Weihnachten wird dies spürbar. Weihnachten ist die große Erzählung, dass Gott sich für die Welt, für Menschen entscheidet, sein Ja zu uns hineingebiert in die Welt. Eindeutiger geht es nicht.
Dass hier Entscheidendes passiert, spüren selbst aberwitzige Slogans. Sie verdrehen es kommerziell. Am wahrlich tiefsten an sich spürt es Maria. Sie ist ein adventlicher Mensch – so wie wir. So wie Maria tasten wir mit unserer Seelen Händen nach jenem entscheidenden Augenblick: Gott sagt mitten im Trubel Ja zu mir sagt. Er macht seine Verheißung wahr. Ich finde meine eigene Bestimmung, das Lebens selbst. Ich werde von seiner Liebe glänzend beschienen, innerlich königlich gesalbt, trage Heilige in mir, werde getragen. An Heiligabend und zu anderer, seiner Zeit
Und dann Amen sagen. Wie Maria, wie Paulus, Silvanus, Timotheus und all die anderen. So sei es. So soll es sei mit mir. An sich geschehen lassen und den gerade noch still andächtigen Mund langsam zum Lob öffnen. Sein Ja entschieden zu Gott singen. Amen.

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