Predigt am 2. Advent (8.12.2019)
Lukas 21, 25-22
25 Und es werden Zeichen geschehen an
Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie
werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen
werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über
die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und
alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer
Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf
und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis:
Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr
seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist. 31 So auch ihr:
Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe
ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es
alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden
nicht vergehen.
Wo Tod den schwarzen Schatten wirft
Es mangelt nicht an Worten im Advent.
Selbst die Stille scheint noch wortgeschwängert. Worte füllen unsere Ohren,
unsere Briefe, unsere Augen, überall, als seien Worte, so viele Worte
notwendig, um das eine alljährlich Wunderbare auszusagen, zu meinen, zu
transportieren. Worte in Adventskalender, in Adventskonzerten, auf den Märkten
und Weihnachtsfeiern. Worte aus Lautsprechern, im Miteinander am Glühweintisch,
verschickt millionenfach als Briefe, als Geschäftspost mit herzlichen
Weihnachtsgrüßen, viele Worte in Gottesdiensten, in Predigten, in Andachten, in
adventlichen Hirtenbriefen evangelisch wie katholisch.
Es ist ein merkwürdiges Worterauschen
in dieser denkwürdigen Zeit, irgendwie schon gefüllte Worte, die das Wunder
atmen, in sich haben, doch auch so viele leere, dahin gesagt, beiläufige Worte,
Worte, die eher leer sind, die einlullen, benebeln, die gar nicht wirklich
meinen, bringen, was sie vorgeben zu tragen, zu sagen, und doch mitten
darunter, vielleicht darin: So manches schönes Wort, klitzekleines heiliges
Wort, das in sich trägt das Wunder, das kurz offenbart, mir und dir gibt, diese
Worte gibt es auch, in Klang und in Buchstaben, mit Stille und Vielsagendem, Erlösendes.
Und manches Wort wirft aber auch einen
langen schwarzen Schatten, auch und gerade im Advent.
Bei all diesen unzähligen Worten: Was
machen sie aus denen, die sie hören und sprechen, die sich in ihnen bewegen. Was
machen diese Adventsworte und ihre Welten mit den Menschen im Advent? Wie prägen,
formen sie Adventsmenschen?
Heb in den Himmel dein Gesicht
Menschen im Advent, in ihrem Advent,
die in allem ihr Gesicht in den Himmel heben. Wie aus einer kleinen Höhle
gekrochen, geduckt, vorsichtig, ahnend, wissend: Da könnte ein Horizont sein,
ein anderer, ein neuer. Da kommt etwas auf sie zu. Menschen in Spannung
versetzt, in Anspannung, die treibt, die ängstigt, die erwarten lässt, die
ehrfurchtsvoll herausbewegen lässt, aus Dunkelheit, aus Sicherheit, aus
Normalität. Menschen, die sich hinauswagen, die wissen, es könnte um was gehen,
es wäre etwas Tiefes zu gewinnen, es würde Leben bedeuten.
Menschen im Advent, die sachte
aufsehen, aufmerken, die etwas sehen schon, etwas hören schon, die aber noch
mehr hören, vernehmen, sehen, bekommen möchten. Menschen, die ihre gekrümmten
Seelen und Häupter ein wenig erst spüren, aufrichten, erheben und beginnen zu
gehen, innerlich mitten im stinknormalen Advent bereitet für den wirklichen
Advent. Menschen ergriffen, aufhorchend, erschreckt, gewaltig irritiert und
bewegt.
Ihre Erlösung naht. Das Stücken Gott
für ihr Leben!
Menschen, die bang spüren: Gott kommt
wirklich zu mir, und wenn er wirklich zu mir kommt, dann wird das mich
verändern, dann kann ich doch nicht einfach derselbe bleiben, wie zuvor.
Menschen, die Angst bekommen, eine heilige Angst vor dem Ungeheuren, was sich
ihnen heilsam, rettend naht. Menschen, deren Leben kurz ins Wanken, aus den Fugen
gerät, in deren Leben ein Aufbruch passiert, ein Aufbruch, der auch etwas Umwälzendes
in sich trägt, umwälzend für ihr kleines Leben. Es möchte Gott über sie kommen,
es wird damit auch und nicht weniges vergehen, vergehen müssen, sich ändern,
anders werden, verwandeln, weggenommen und neu hinzukommen.
Gott kommt gewaltig. Heb in den Himmel
dein zartes Gesicht.
Die Liebe geht nicht mehr verloren
Und dabei geht die Liebe nicht mehr
verloren. Der Retter ist geboren. Schon lange vor uns. In all den vielen Worte im
Advent da wohnt auch seins. Vielleicht als stiller Grundton, als zarte Melodie,
als etwas, was uns berühren, suchen, finden mag und kann. Als Wort das immer
mitschwingt, mitredet, dabei ist, vielleicht geduldig Unsinn erträgt,
Diskussionen heimlich führt, das die Wahrheit immer wieder erinnert, das in all
dem Wortemeer nicht zu zerstören ist durch kein schwarze Schatten werfendes
Wort. Das Wort, das einfach beharrlich immer da ist und bleibt, treu,
zuverlässig, warten, kommend, umgebend, haltend.
Sein Wort, das nicht verloren geht,
das spricht, selbst hört, sagt und wagt, sich hingibt und tröstet, das
lebendiges Wort ist, demütig und scharf, seelsorglich und klar. Sein Wort, das
aus dem Nichts kam und kommt, das vor allem schon da war und nach allem noch
sein wird, das alles in sich trägt und zur rechten Zeit schenkt, das
verunsichert und stärkt, das aufrüttelt und birgt, das motiviert und führt, das
Licht schenkt und Licht ist.
Sein ewiges Wort in aller Zeit gleich
gegenwärtig, vernehmbar im weiten Raum der Kirchen, zurückhaltender in anderen
Räumen, immer da, immer bereit, immer uns alle heilsam umfassend. Sein Wort,
das mit uns in die Zukunft schaut, unseren Blick wendet, uns aufhebt und schauen
lässt, sehen lässt den, der da kommt. Sein Wort, das uns fordert,
herausfordert, mitunter provoziert mit seiner Klarheit, mit seiner bestechenden
Vision, mit der neuen Wirklichkeit, die es uns vor Augen stellt, malt, predigt.
Sein Wort versehrt in Abermillionen Weltwirtgefechten, am Kreuz verspottet und
verhöhnt, auferstanden aus dem Grab, weitergesagt seit Jahrhunderten.
Sein Wort, das uns adventlich macht.
Gewaltig. Bestimmt. Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Amen
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