Donnerstag, 5. Dezember 2019

Wortgewalt


Predigt am 2. Advent (8.12.2019)

Lukas 21, 25-22
25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass der Sommer schon nahe ist. 31 So auch ihr: Wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Wo Tod den schwarzen Schatten wirft
Es mangelt nicht an Worten im Advent. Selbst die Stille scheint noch wortgeschwängert. Worte füllen unsere Ohren, unsere Briefe, unsere Augen, überall, als seien Worte, so viele Worte notwendig, um das eine alljährlich Wunderbare auszusagen, zu meinen, zu transportieren. Worte in Adventskalender, in Adventskonzerten, auf den Märkten und Weihnachtsfeiern. Worte aus Lautsprechern, im Miteinander am Glühweintisch, verschickt millionenfach als Briefe, als Geschäftspost mit herzlichen Weihnachtsgrüßen, viele Worte in Gottesdiensten, in Predigten, in Andachten, in adventlichen Hirtenbriefen evangelisch wie katholisch.
Es ist ein merkwürdiges Worterauschen in dieser denkwürdigen Zeit, irgendwie schon gefüllte Worte, die das Wunder atmen, in sich haben, doch auch so viele leere, dahin gesagt, beiläufige Worte, Worte, die eher leer sind, die einlullen, benebeln, die gar nicht wirklich meinen, bringen, was sie vorgeben zu tragen, zu sagen, und doch mitten darunter, vielleicht darin: So manches schönes Wort, klitzekleines heiliges Wort, das in sich trägt das Wunder, das kurz offenbart, mir und dir gibt, diese Worte gibt es auch, in Klang und in Buchstaben, mit Stille und Vielsagendem, Erlösendes.
Und manches Wort wirft aber auch einen langen schwarzen Schatten, auch und gerade im Advent.
Bei all diesen unzähligen Worten: Was machen sie aus denen, die sie hören und sprechen, die sich in ihnen bewegen. Was machen diese Adventsworte und ihre Welten mit den Menschen im Advent? Wie prägen, formen sie Adventsmenschen?

Heb in den Himmel dein Gesicht
Menschen im Advent, in ihrem Advent, die in allem ihr Gesicht in den Himmel heben. Wie aus einer kleinen Höhle gekrochen, geduckt, vorsichtig, ahnend, wissend: Da könnte ein Horizont sein, ein anderer, ein neuer. Da kommt etwas auf sie zu. Menschen in Spannung versetzt, in Anspannung, die treibt, die ängstigt, die erwarten lässt, die ehrfurchtsvoll herausbewegen lässt, aus Dunkelheit, aus Sicherheit, aus Normalität. Menschen, die sich hinauswagen, die wissen, es könnte um was gehen, es wäre etwas Tiefes zu gewinnen, es würde Leben bedeuten.
Menschen im Advent, die sachte aufsehen, aufmerken, die etwas sehen schon, etwas hören schon, die aber noch mehr hören, vernehmen, sehen, bekommen möchten. Menschen, die ihre gekrümmten Seelen und Häupter ein wenig erst spüren, aufrichten, erheben und beginnen zu gehen, innerlich mitten im stinknormalen Advent bereitet für den wirklichen Advent. Menschen ergriffen, aufhorchend, erschreckt, gewaltig irritiert und bewegt.
Ihre Erlösung naht. Das Stücken Gott für ihr Leben!
Menschen, die bang spüren: Gott kommt wirklich zu mir, und wenn er wirklich zu mir kommt, dann wird das mich verändern, dann kann ich doch nicht einfach derselbe bleiben, wie zuvor. Menschen, die Angst bekommen, eine heilige Angst vor dem Ungeheuren, was sich ihnen heilsam, rettend naht. Menschen, deren Leben kurz ins Wanken, aus den Fugen gerät, in deren Leben ein Aufbruch passiert, ein Aufbruch, der auch etwas Umwälzendes in sich trägt, umwälzend für ihr kleines Leben. Es möchte Gott über sie kommen, es wird damit auch und nicht weniges vergehen, vergehen müssen, sich ändern, anders werden, verwandeln, weggenommen und neu hinzukommen.
Gott kommt gewaltig. Heb in den Himmel dein zartes Gesicht.

Die Liebe geht nicht mehr verloren
Und dabei geht die Liebe nicht mehr verloren. Der Retter ist geboren. Schon lange vor uns. In all den vielen Worte im Advent da wohnt auch seins. Vielleicht als stiller Grundton, als zarte Melodie, als etwas, was uns berühren, suchen, finden mag und kann. Als Wort das immer mitschwingt, mitredet, dabei ist, vielleicht geduldig Unsinn erträgt, Diskussionen heimlich führt, das die Wahrheit immer wieder erinnert, das in all dem Wortemeer nicht zu zerstören ist durch kein schwarze Schatten werfendes Wort. Das Wort, das einfach beharrlich immer da ist und bleibt, treu, zuverlässig, warten, kommend, umgebend, haltend.
Sein Wort, das nicht verloren geht, das spricht, selbst hört, sagt und wagt, sich hingibt und tröstet, das lebendiges Wort ist, demütig und scharf, seelsorglich und klar. Sein Wort, das aus dem Nichts kam und kommt, das vor allem schon da war und nach allem noch sein wird, das alles in sich trägt und zur rechten Zeit schenkt, das verunsichert und stärkt, das aufrüttelt und birgt, das motiviert und führt, das Licht schenkt und Licht ist.
Sein ewiges Wort in aller Zeit gleich gegenwärtig, vernehmbar im weiten Raum der Kirchen, zurückhaltender in anderen Räumen, immer da, immer bereit, immer uns alle heilsam umfassend. Sein Wort, das mit uns in die Zukunft schaut, unseren Blick wendet, uns aufhebt und schauen lässt, sehen lässt den, der da kommt. Sein Wort, das uns fordert, herausfordert, mitunter provoziert mit seiner Klarheit, mit seiner bestechenden Vision, mit der neuen Wirklichkeit, die es uns vor Augen stellt, malt, predigt. Sein Wort versehrt in Abermillionen Weltwirtgefechten, am Kreuz verspottet und verhöhnt, auferstanden aus dem Grab, weitergesagt seit Jahrhunderten.
Sein Wort, das uns adventlich macht. Gewaltig. Bestimmt. Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Amen

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