Predigt am
Adventsgottesdienst für Mitarbeitende/Weihnachtsfeier 2018
Plätzchen: Wo ist dein Herz?
Eine kleine
Karte mit einem Bild von Plätzchen. Plätzchen sind Adventsbegleiter. Fast überall
lauern sie, schon recht früh, in Tüten, an Ständen, selbstgebacken, überreicht,
geschenkt. Sie gehören zum normalen Verdauungsgeschehen im Advent, zu dem, was
man nebenher, bewusst, im Kreis der Lieben, allein aus Frust in die Hand nimmt,
in den Mund steckt, verzehrt, genießt, kaut und runterschluckt. Kleine Vorboten
des reich gefüllten Tisches an Weihnachten.
Plätzchen haben
eine lange Geschichte, und irgendwie im Dunstkreis der Religion, vielleicht als
so etwas wie versteckte Religion. Angefangen beim Christstolen, der an das in Windel
gewickelten Christuskind erinnern soll, die Lebkuchen, die in Klöstern erfunden
wurden und dank ihrer langer Haltbarkeit durch schlechte Zeiten tragen sollten,
der Spekulatius, gebacken zum Gedenktag an den Bischof Nikolaus, Plätzchen: Kleingebäck
erst jahrhundertelang bevorzugt für Reiche, dann erst vor zweihundert Jahren
demokratisiert dank der massenhaften Gewinnung von Zucker für alle.
Gleichzeitig hat Religion ihre Kraft verloren. Und heute? Bei uns? Wo schlägt
unser Herz?
Krippe: Zu Herzen gehen
Beides
zusammen, im schönen SC-Rot-Weiß: die Krippenszene inmitten der anderen
Plätzchen. In Weiß der Stern, der Futtertrog, Maria und Josef davor. Sofort
erkennbar, süßes, kleines, in Alltags-Plätzchen gebettet Krippenszene, wie sie
uns aus allen möglichen Materialien, in allen möglichen Größen und Formen fast
überall begegnet, jene Szene von damals, vom Stall in Bethlehem, der Geburt
Jesu.
Warum erkennen
wir inmitten der roten Plätzchen die paar weißen Plätzchen sofort als
Krippenszene? Diese eine Szene mag uns, der Menschheit so tief eingeprägt sein,
dass man sie sofort überall, und sei sie nur angedeutet, wiedererkennt,
identifiziert. Warum ist das so? Jenseits von gewohnten und geschulten Sichtweisen?
Warum bewegt, berührt uns heute immer wieder diese Krippenszene vom kleinen
Jesus, der des großen Gottes Sohn wohl ist?
So, wie die
weißen in den roten Plätzchen wie durchsichtig werden, ist die Krippenszene für
sich irgendwie durchsichtig auf uns und unser Leben. Es wird da etwas ganz Rührendes,
Berührendes, Elementares, ja auch mitunter Rührseliges, Missbrauchbares, Anwendbares
erzählt, abgebildet in unsere Bilderwelten. Etwas, was uns jedes Jahr irgendwie
zu Herzen geht?
Vielleicht weil
es um grundsätzliche Gebürtlichkeit geht, um einen wesentlichen Anfangspunkt,
darum, dass dort nicht nur ein oder ein bestimmtes Leben anfängt, sondern
meins. Ich dort irgendwie geboren werde. Gott mit mir einen Anfang macht.
Herz festgeklebt
Drehen wir
die kleine Plätzchenkarte um, was Sie alle zwischendurch schon getan haben,
dann kann man den Anfang aus einem Vers im Evangelischen Gesangbuch lesen. Lied
nur 36, Text aus dem Jahre 1653 von Johann Crüger: „Fröhlich soll mein Herze
springen dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen.“
Vielleicht
eine fromme Bitte aus vor fast 400 Jahren: Ein fröhliches springendes Herz zu dieser
Zeit. Schon fraglich, was unser Herz so macht, in dieser unserer Zeit. Springt
es heute? Vor Freude? Vor welcher Freude? Wegen der Weihnachtsfeier? Wegen
Essen und Trinken und Geselligkeit? Oder mag es nicht so richtig springen unser
Herz? Weil es eher zersprungen ist, weil es seine Bruchstellen, Risse hat, aus
enttäuschter Liebe, aus Verletzungen und Angst? Oder ist unser Herz einfach nur
müde, was heißt da „nur“, ein müdes Herz ist traurig anzusehen. Oder ist unser
Herz leer, leer gedacht, geliebt, gehofft? Gestresstes Herz? Erfülltes Herz? Mit
dem, was in ihm ist, heute und in dieser Zeit, an Geschichte und Menschen, an
Begegnungen und Erfahrung, an Hoffnung und Träumen, an Angst und Liebe?
Inmitten des Lebens, des Alltags ein fröhliches, springendes Herz. So wie
inmitten der roten Plätzchen eine weiße Krippe.
Hirtenherz
Unser Satz
auf der Rückseite spricht aber von keiner direkten Freude, sondern von einer
indirekten. Menschen wollen sich aber eigentlich direkt freuen, freuen über
etwas, über andere, an sich selbst, gemeinsam. Aber das will der Vers nicht,
nicht so. Merkwürdig. Er mag es indirekt.
Er spricht
von der Freude der Engel, von ihrem von tiefer Freude erfüllten Ruf, Gesang.
Ihre Freude wird uns, kann uns werden zum Wegzeichen, zum Hinweis. Denn wir
sind wie damals die Hirten unterwegs im Leben, immer, und wenn nicht äußerlich,
dann innerlich. Wir sind wie die Hirten auf dem Felde unterwegs, inmitten des
Alltags, inmitten der Plätzchen, auf der Suche, auf dem Weg des Findens.
Und die Engel,
deren unbändige, herrliche Freude ist den Hirten, seien uns Wegzeichen: als
trostreiche Ansage für alle unruhigen Seele, die wir sind. In aller Klarheit:
Fürchtet euch nicht, Menschen, fürchtet euch nicht. Ihr werdet finden in der
Krippe, die Gott mitten in eurem Leben stellt, den Grund großer Freude, euch
ist die Rettung geboren. Weniger nicht. Gott fängt in Liebe mit dir an. Die
indirekte Freude durch den Gesang der Engel ist zutiefst adventlich, denn sie
setzt uns der Ansage vertrauend auf den Weg, sich von jener Freude anstecken zu
lassen, zum Gast der Freude zu werden, den Grund der Lebensfreude zu finden.
Unser Herz bewegen zu lassen und ganz still jenem Engelsklang zu suchen, hören
zu wollen. Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen