Freitag, 5. Juni 2015

ein kleines bisschen füreinander



Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis (7. Juni 2015)

Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre.
Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß.
Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.  Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen. Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt. Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.
Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.


Riesige Kluft
Die Kluft, der Abgrund könnte nicht größer sein: Ein Namensloser und einer mit Namen, einer am Körper bedeckt mit herrlichen Kleidern und einer mit Geschwüren überseht; einer mit Purpurrot, dem königlichen Rot und einer mit dem stinkenden Rot blutiger halb verkrusteter Wunden; einer wirklich freudvoll und einer nur im schalen Konjunktiv der Freude, einer reich und der andere arm; der eine in der Hölle und der andere im Himmel, der eine umgeben von Flammen und Feuer, der andere von Engel getragen und in Abrahams Schoß geborgen, der eine in furchtbaren Leiden, der andere endlich getröstet, der eine reich und der andere arm, der eine arm und der andere reich, gutes oder schlechtes Leben, unüberwindbare Kluft, tiefster Abgrund, unglaubliche Differenz.
Und selbst der Tod, der ewige scheinbare Gleichmacher, der Tod, den alle Menschen sterben müssen, macht nichts gleich bei diesen beiden, gleiche Kluft, gleicher Abgrund zwischen beiden, auch im Tod. Eben: Wie im Leben so auch nach dem Tod. Und wir? Wo stehen mitten angesichts dieser Kluft, dieses Abgrundes? Was für den einen Verheißung ist, Entschädigung für ein armes, schlechteres Leben ist, ist für den anderen Warnung, Drohung, Schreckensszenario für ein zu reiches, zu gutes Leben. Und welches haben wir? Wo stehen wir angesichts dieser Kluft? Mitten in dieser Kluft stehen wir. Unser Kopf, unsere Gefühlen, unsere Gedanen können keine Brücke sehen, bauen, erlauben, und wir fragen mitten in der Kluft: Ist das Leben im Endeffekt gerecht, doch gerecht? Gibt es doch Zusammenhang zwischen dem, was man tut und lässt, und wie es einem letztlich deswegen ergeht Wird zu reich bestraft und zu arm belohnt, irgendwann? Und wann? Gibt es einen himmlischen und höllischen Ausgleich? Gibt es Himmel oder Hölle überhaupt? Für uns?

So naheliegend
Es wäre so naheliegend. Es ist so naheliegend: Das Haus des Reichen beim Armen. Die Sätze des Reichen beim Armen.
Vor dem Haus des Reichen liegt der Arme, so scheinbar nahe, als würden die Brosamen vom Tisch des Reichen bis zur Hand des Amen reichen, reichen können. Sie reichen nicht bis dahin. Sie bleiben auf dem Tisch und kommen nicht bis zum Armen vor dem Haus. So nahe geht der Reiche ein und aus in seinem Haus, sitzt am Tisch, die seinen mit ihm, Gäste und auf dem Tisch der Reichtum, so nahe und doch unendlich fern, tiefste Kluft im Naheliegenden.
Im Ohr liegt der Reiche dem Armen, dem Armen und mit ihm den Engeln und Abraham. Seine Sätze, seine Worte, seine Schreie aus der Mitte der Flammenhölle reichen bis an die Ohren der anderen. Der Reiche hebt seine Augen auf, wie tausendmal der Arme seinen mit Geschwüren beschwerten Körper aufhob und seine Hand ausstreckte nach ein bisschen Brot. Der leidende Reiche sieht in ungeheurer Ferne ein bisschen Erlösung, ein bisschen Linderung, Erbarmen, eine kühlende Fingerspitze möglich. So naheliegend seine Hilferufe, die gehörten Worte, diese kühle Fingerspitze und doch: tiefste Kluft, Abgrund im Naheliegenden.
So naheliegend bittet der Reiche für andere, für seine anderen, für seine Familie, seine Brüder, dass wenigstens sie bewahrt würden, so nahe liegt diese enge Verbindung, so nahe wie die Worte des Mose, wie die Worte der Propheten, wie alle, die eigentlich Nähe nahe legen und doch so fern wie Abraham und Lazarus, die hören und nicht erhören, die die Familie in der Ferne überlassen dem falschen Leben, den Reichen den Flammen, so fern wie das Haus des Reichen von Lazarus weg stand. Wie vielen Wünschen, solchen wie des Lazarus und des Reiches in ihren Höllen sind wir statt nahe doch fern? Sind selbst unerreichtes Haus und unerhörte Bitte? Wie oft, wei sehr sehnen wir uns nach jenen Brosamen vom Tisch und nach jener kühlenden Fingerspitze.

Zart stark verbunden
Brosamen, nur Abfall vom Brot auf dem Tisch, kaum beachtet, kleiner Krümel, runtergefallen. Er würde reichen. Er wäre genug. Er ist Wunsch, Sehnsucht. Erfüllung. Beginn. Fingerspitze, kleinster Teil der ganzen Hand, benetzt mit einem Tropfen kühlender Flüssigkeit, ein kleiner Tropfen, mehr nicht, herabtropfend. Er würde reichen. Er wäre genug. Er ist Wunsch, Sehnsucht. Erfüllung. Beginn.
Brosamen und Fingerspitze sind kleinste Teile vom Ganzen, sind Teile vom ganzen Brot und dem ganzen Körper, sie sind handfest, spürbar Anteil vom Ganzen, sie geben Anteil am Ganzen, hinein in leere Bäuche, ganz nah auf leidende Körper. So klein, so zart ist Erbarmen, ein handfestes, spürbares Erbarmen, das diese tiefe Kluft, den schier unüberwindbaren Abgrund doch überwindet, doch eine lebendige und Leben schaffende Verbindung zart sicher herstellt, das von der Teilgabe und Teilhabe des Lebens erzählt, mutig klein erzählt, davon, dass ein vom Tisch gefallener Brotsamen, eine kurz gekühlte Fingerspitze, die in das Leben von Menschen kommen, in ein armes, leidvolles, vom Leben selbst ausgegrenztes Leben, wieder Anteil geben am Leben, an seinem Reichtum.
Ein Reichtum, der dem Leben innewohnt, dem Brot auf dem Tisch, der Hand voller Wasser, ein Leben, das nicht bei sich bleibt, das sich austeilt, hergibt, mitteilt und teilt, was es an Reichtum, an Habe an und in sich trägt, ein Leben, das reich ist, weil es nicht Kluft lässt, nicht Abgrund lässt zwischen dem einen und anderem, zwischen mir und dir. Ein Leben, das von Gottes reicher Liebe lebt, jenem göttliche Reichtum, der in Jesus selbst erschien und zu denen kam, die sich nach Erbarmen sehnten und heute noch sehnen. Amen.

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