Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis (14.10.18)
1. Korinther 7, 29-31
Das sage ich aber, liebe Brüder (und Schwestern): Die
Zeit ist kurz. Fortan sollen auch die, die Frauen haben, sein, als hätten sie
keine; und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten
sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; und die diese Welt
gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht
In jedem deiner Augenblicke
Ein brennender Dornbusch,
der nicht verbrennt. Starre Steine, die lebendig werden. Blindgeborene, die
wieder sehen. Ein Gottessohn am Kreuz der Menschen. Tote Menschen, die
auferstehen. Eine heilige Gemeinschaftaus Sündern auf Erden. Alles eine merkwürdige
Wirklichkeit. Wundersam. Wunderbar. Geheimnisvoll. So wie die Zeit manchmal. So
wie Zeit, die Paulus empfindet:
Für ihn ist die Zeit kurz.
Das Ende ist nah. Die Zeit ist zusammengedrängt, als müsste sie noch schneller
vergehen. Die Zeit ist schnell und rennt vorüber. Die Zeit wird wie angesaugt vom
immer schneller kommenden nächsten Augenblick. Das Ende der Augenblicke ist immer
näher als ihr Anfang, das Vergehen stärker als das Bleiben, das Werden
präsenter als das Ruhen. Alles wird zu kurz, zu knapp, vergeht und trägt schon
sein Ende in sich.
Und das Ende bestimmt
schon immer die Zeit in sich, der nächste Augenblick den derzeitigen. Und das,
was nahe ist, ist schon da, bevor der Moment vergangen war. Alles bekommt
seinen Wert, seinen Sinn von dem, was gleich kommt. So stark wie damals von
Paulus gespürt: In der Schnelligkeit und der Vergänglichkeit der Zeit werden
wir von dem bestimmt, was immer gerade nahe ist und am Ende da sein wird, da ist,
schon da ist. Das Ende der Zeit ist nicht das Ende unserer Tage, nicht das Ende
einer Welt, es ist das Ende des Augenblicks, der Minute, der Stunden, des
Tages, und in jedem seiner Augenblicke ist nahe, was kommt am Ende und danach.
Anders werden
Rechnen Menschen damit:
An jedem Ende ist Gott nahe, in jeder unserer vergehenden Minuten, Stunden,
Tage, Wochen? In jedem unserer Augenblicke steht am Ende nicht nur der neue
Takt des nächsten Augenblicks. Es steht dort Gott selbst, mit seiner alten und
ewig gleichen und dann ganz aktuellen Frage: Wie lebst du Mensch? In jedem
Augenblick ist Endzeit: Gott kommt uns nah, stellt uns zu jeder Zeit vor sich
und fragt uns nach uns selbst.
In der Zeit sich dann auf
Gott vorbereiten, in jedem Augenblick vorbereitet sein, sich in seinem Kommen, in
seinem Nahesein auf diese Nähe sich auch hinzubewegen, im Lauf unserer Zeit immer
auch mit Gottes Nähe, dem Takt seiner Zeit rechnen und mit seinem Augenblick
für uns.
Das hieße: Anders leben.
Anders als jetzt. Anders, weil hinleben auf den Gott, der alles anders macht, der
verwandelt. Es hieße: Mit seiner Wirklichkeit rechnen, ja die Wirklichkeit der
Welt, ihrer Dinge und Menschen, ihrer Worte und Geschehnisse, als seine Wirklichkeit,
von ihm bestimmt und anders gedacht, gemacht, sehen, wahrnehmen, wollen und
lieben. Und so im Vorbereiten auf ihn anders werden, so werden, wie wir gemeint
sind, uns in seinen göttlichen Horizont stellen und all was wir sind, anders
sein:
Unsere Tränen würden dann
andere werden, die Menschen, mit denen wir zusammenleben, würden andere werden,
das, was wir besitzen, würde anders werden, das, was wir gebrauchen auch, und
auch unsere Freude würde eine andere werden. All das wäre nicht unser. Es
stünde in Gottes Nähe: Unsere Freude würde ganz still und Gottes Lob würde das Dunkle
in uns umhüllen. Das was wir gebrauchen, würde vergehen und das Wertvolle würde
in uns weiterglänzen. Was wir besitzen, vergäßen wir und hätten das Wesentliche
ewig. Die, mit denen wir gehen, werden zum Zeichen der Liebe zu Gott. Und jede
Tränen, die geweint wird, trügen schon Zuversicht in sich. Das wahre und göttliche
Wesen der Welt, der Dinge läge für uns bereit, wie ein Kleid der Zeit, in das
wir uns hüllen dürften.
Nah zu Gott
Gott ist in jedem
Augenblick ungeheuer nah, so ist jede Zeit Endzeit, Ende von dem, was gegen
Gott steht und der Anfang eines neuen und anderen Lebens. Wo wir Gottes Nähe
spüren, wo wir in ihr schon versuchen zu leben, dort tritt er ein in Ewigkeit.
Unsere Zeit bekommt ein anderes Gesicht. Gott verwandelt Tränen, Freude, Liebe,
Besitz und Nutzen. Er füllt alles mit sich und seinem Sinn.
Wir werden frei, befreit
von all der Vergänglichkeit, dem Schmerz der Tränen, der Liebe, der Freude, des
Habens und Gebrauchens. Wir kommen los und unser Herz wird ungeteilt sein, nach
Weltzeit schlagen, aber Ewiges in sich spüren, von Gott selbst seinen eigenen
Seelenpuls bekommen
Wir werden ungebunden,
frei und los, Gott im Blick haben, uns von ihm fast kindlich im Augenblick
erfüllen lassen und das Seine tun, ihm dienen und unsere Freude wäre sein,
unsere Tränen auch, auch das, was wir besäßen und gebrauchen, wäre nur vorläufig
und im letzten auch sein, und all die Menschen, die mit uns verbunden sind,
wären auch sein, mit ihm verbunden und seine Liebe die Letzte und die Erste.
Ein Gott, der uns zu
verwandeln mag. Der an jedem hastig gelebten Tag am Ende auf uns wartet. Der
jeden Augenblick zu seinen zu machen vermag. Der unsere menschlichen Seelen
anders ansieht und ihnen unheimlich nahe kommt. Sie göttlich hält. Merkwürdig. Wunderbar.
Wirklich. Amen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen